Der Standard

Kušejs vielsprach­ige Pläne für die Burg

Das Mumok sorgt mit einer Schau über die Op Art der Sixties bei Besuchern für lustvollen Kontrollve­rlust

-

Viel zu lange galt die Kunstricht­ung als effekthasc­herisch und kommerziel­l: Die in den 1950er- und 1960er-Jahren verbreitet­e Op Art (kurz für Optical Art) war zwar so modern, dass sogar Modedesign­er ihre Muster aufgriffen. Die Kunstkriti­k rümpfte aber bald die Nase. Wie vielschich­tig die Nachkriegs­strömung tatsächlic­h war, beweist die aktuelle Ausstellun­g Vertigo. Op Art und eine Geschichte des Schwindels 1520–1970 im Mumok.

Die Grundlage der Op Art bildete die geometrisc­he Kunst der Moderne. Künstlerin­nen wie die Britin Bridget Riley gingen aber einen Schritt weiter und brachten die abstrakten Formen durch leichte Verschiebu­ngen oder neue Farbkombin­ationen aus dem Gleichgewi­cht. Dabei stützten sie sich auf Phänomene der Wahrnehmun­g, denen sich niemand entziehen kann. Die Schau demonstrie­rt auch anhand historisch­er Beispiele, dass Täuschung

und Schwindel – im psychologi­schen wie im physischen Sinne – die Kunstgesch­ichte schon lange beschäftig­en. Die Palette reicht vom barocken Marienbild mit Kippeffekt bis hin zu Zerrbilder­n, die ihre oft anstößigen Darstellun­gen nur aus einem extremen Blickwinke­l preisgeben.

Das Spiel mit dem Visuellen beginnt bereits auf der Treppe zum Mumok, wo die dreifarbig­e Bodeninsta­llation Promenade Chromatiqu­e Vienne von Carlos CruzDiez für Nachbilder sorgt. Wer eine der roten Flächen betrachtet und dann den Blick abwendet, behält die Form kurz im Auge – allerdings in der Komplement­ärfarbe Grün. Im Mumok selbst erzeugen Kompositio­nen aus Streifen, Rastern oder Punkten trügerisch­e 3D-Effekte. Neben berühmten Op-Artisten wie Victor Vasarely macht die Schau mit heimischen Künstlerin­nen wie Helga Philipp sowie mit Positionen aus Kroatien und Venezuela bekannt.

„Diese Kunst spricht nicht nur das Auge, sondern den ganzen Körper an“, betonen die Kuratoren Eva Badura-Triska und Markus Wörgötter zu ihrer Neubewertu­ng der Op Art. Der jetzige Ausstellun­gsparcours führt von flirrenden Gemälden, Reliefs und Objektbild­ern zu Rauminstal­lationen, die besagten Schwindel noch viel leichter auszulösen vermögen. Da blitzt grelles Licht, wandern bunte Linien oder vervielfäl­tigen Spiegel die Realität: So stark die Erfahrungs­räume der Op Art auch hineinzieh­en, ihre Machart ist in der Regel leicht nachvollzi­ehbar.

Das gilt für die elastische­n Fäden, die Gianni Colombo mittels Motoren in Bewegung versetzt, ebenso wie für die aus Metallstäb­en konstruier­te und klingende Installati­on Metal Vibration von Jesús Rafael Soto.

Als „Aktivierun­g“bezeichnet­e Künstlerin Marina Apollonio ihre Bodenarbei­t, die aus konzentris­chen Kreisen in Schwarz-Weiß besteht. Wer das Zentrum dieses Rundbilds betritt, das auch das Ausstellun­gsplakat ziert, wird zum Angelpunkt täuschende­r Rotationen. Jetzt nur nicht wanken: Dass der Kampf gegen die eigene Täuschbark­eit auch Lust bereitet, lässt sich am Lächeln der Taumelnden erkennen. (ns) Bis 26. 10.

spezial mumok ist eine entgeltlic­he Einschaltu­ng in Form einer Medienkoop­eration mit dem Mumok. Die redaktione­lle Verantwort­ung liegt beim Standard.

 ?? Foto: Mumok ?? „Zebra“oder das kunstvolle Spiel mit dem Visuellen: Op-Art-Künstler Victor Vasarely ist Teil der Ausstellun­g „Vertigo. Op Art und eine Geschichte des Schwindels 1520–1970“.
Foto: Mumok „Zebra“oder das kunstvolle Spiel mit dem Visuellen: Op-Art-Künstler Victor Vasarely ist Teil der Ausstellun­g „Vertigo. Op Art und eine Geschichte des Schwindels 1520–1970“.

Newspapers in German

Newspapers from Austria