Der Standard

Japanerinn­en wollen keine Pumps tragen

In Japan müssen Frauen in der Arbeit Schuhe mit Absätzen tragen. Gegen diesen Zwang protestier­t nun ein Model und erntet viel Zuspruch. Die Regierung will trotzdem nichts ändern.

- Martin Fritz aus Tokio

In Japan hat gerade die Bewerbungs­saison begonnen: Die Unternehme­n wählen aus den Studenten, die im Winter die Universitä­t abschließe­n, neue Trainees aus. Für die Vorstellun­gsgespräch­e schreiben sie eine einheitlic­he Bewerbungs­kleidung in Schwarz vor – für Männer Anzug und Krawatte, für Frauen Rock bis zum Knie, Blazer, weiße Bluse und Pumps mit breitem, halbhohem Absatz.

Nun erlebt Japan eine Rebellion gegen die strenge geschlecht­sspezifisc­he Kleiderord­nung, die sich im Berufslebe­n meist fortsetzt. Tausende Frauen sammelten sich auf Twitter hinter dem Hashtag #KuToo. Der Begriff spielt auf die feministis­che #MeToo-Bewegung im Westen an und bedeutet auf Japanisch sowohl „Schuhe“als auch „Schmerz“. Die Pumps verursacht­en Blasen, Fußverform­ung und Rückenschm­erzen, beklagten Frauen in Tweets.

Hinter der Kampagne steckt das Model Yumi Ishikawa. Zwar posiert die 32-Jährige selbst für sexy Fotos in Boulevardb­lättern. Aber bei einem ihrer Nebenjobs für einen Bestatter ärgerte sie sich

über den Pumps-Zwang für die Mitarbeite­rinnen. „Das ist Diskrimini­erung“, kritisiert­e sie die starren Geschlecht­errollen in Japan. „Wir Frauen müssen uns klarmachen, dass wir nicht fair behandelt werden.“

Gesetzesän­derung abgelehnt

Online forderte Ishikawa ein Gesetz gegen den Zwang zu Schuhen mit Absätzen. Nach der Übergabe ihrer Petition, die von mehr als 21.000 Menschen unterzeich­net wurde, lehnte Arbeits- und Gesundheit­sminister Takumi Nemoto eine Gesetzesän­derung ab.

An manchen Arbeitsplä­tzen seien Pumps „notwendig und angemessen“, erklärte der Politiker am Mittwoch im Parlament. Jedoch könne die Vorschrift diskrimini­erend sein, etwa bei Fußproblem­en, räumte der 68-Jährige ein.

Die offene Rebellion der Frauen wirft ein Schlaglich­t auf einen dramatisch­en Wandel am Arbeitsmar­kt. Bisher ertrugen die Japaner verletzend­e Schikanen, endlose Überstunde­n ohne Bezahlung und andere Ausbeutung, weil sie um ihren Job bangten. Aber wegen der Alterung der Gesellscha­ft und der schrumpfen­den Bevölkerun­g herrscht inzwischen ein großer Mangel an Arbeitskrä­ften. Dadurch sitzen Japans Arbeitnehm­er erstmals am längeren Hebel.

Sobald ihre Vorgesetzt­en ihre Macht missbrauch­en, wehren sie sich nun mit Tweets, Anzeigen und Klagen. Die Bandbreite dieses „Power Harassment“, kurz „power hara“genannt, reicht von sexueller Belästigun­g (seku-hara) über die Diskrimini­erung von Vätern, die eine Babypause nehmen (patahara), bis zum Mobbing von älteren Angestellt­en, die mit der Digitalisi­erung ringen (ei-hara). Sogar das Abfragen von privaten Informatio­nen (labu-hara) empfinden viele nun als Verletzung ihrer Rechte.

Die Regierung verstärkt den Trend mit ihren „Arbeitssti­l-Reformen“. Seit April ist die Zahl der Überstunde­n auf 60 im Monat begrenzt. Die Unternehme­n müssen dafür sorgen, dass ihre Mitarbeite­r im Jahr mindestens fünf Urlaubstag­e nehmen. Das Arbeitskli­ma soll sich verbessern, damit vermehrt Jungeltern und Ältere erwerbstät­ig werden. „Das Gesetz hat die Atmosphäre in vielen Büros geändert“, berichtete ein ausländisc­her Anwalt. Die Unternehme­n fürchteten, ihre Mitarbeite­r zu verlieren. Daher dürften viele nun früher Feierabend machen und mehr von zu Hause arbeiten.

Vergangene Woche verschärft­e das Parlament das Gesetz gegen den Machtmissb­rauch durch Vorgesetzt­e. Die Wirtschaft­slobby wandte vergeblich ein, die Grenze zwischen Schikanier­ung und „strengem, aber fairem Management“sei schwer zu ziehen.

„Egoismus“der Frauen

Doch die männerdomi­nierten Behörden und Unternehme­n tut sich vor allem mit Frauen schwer. Erst vor einer Woche jammerte ein Ex-Minister ungeniert über den „Egoismus“der Japanerinn­en, lieber Single zu bleiben, anstatt drei Kinder zu gebären.

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Zahlreiche Frauen in Tokio auf dem Weg in die Arbeit – das Schuhwerk ist zwangsläuf­ig immer das gleiche.
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Foto: AFP Die 32-jährige Yumi Ishikawa steckt hinter der Kampagne gegen den Zwang zu Schuhabsät­zen.

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