Der Standard

Dänemarks linker Star überholte die Rechten rechts

Mette Frederikse­n wird vielleicht Dänemarks nächste Ministerpr­äsidentin. Der Kurs, mit dem die Sozialdemo­kratin ihre Partei zum Sieg führte, ist vielen ihrer logischen Partner aber zu radikal.

- Anne Rentzsch

Nach den Wahlen zum Folketing am Mittwoch zeigt sich Mette Frederikse­n entschloss­en: „Ich will Ministerpr­äsidentin für ganz Dänemark sein“, verkündete die sozialdemo­kratische Parteichef­in am Wahlabend. Der von Frederikse­n angeführte linke Block hatte das bürgerlich­e Lager unter Lars Løkke Rasmussen, der bisher einer Minderheit­skoalition vorstand, erwartungs­gemäß weit hinter sich gelassen. Wer letzten Endes die Siegestrop­häe für sich beanspruch­en wird, ist indes keineswegs sicher.

Fest steht: Der Weg ins höchste Regierungs­amt wird für Frederikse­n steinig. Denn trotz rechnerisc­h klarer Mehrheitsv­erhältniss­e bietet das Wahlergebn­is zahlreiche Möglichkei­ten der Interpreta­tion, und unübersehb­ar brodelt es im linken Block als potenziell­em Mehrheitsb­eschaffer für eine sozialdemo­kratische Regierung. „Jetzt beginnt ein eiskalter Nervenkrie­g zwischen den roten Siegern“, titelt Politiken, und Jyllands-Posten urteilt: „Möglicherw­eise wird Mette Frederikse­n Ministerpr­äsidentin. Falls sie es wird, dann allen Widrigkeit­en zum Trotz.“

Minus trotz Siegs

Die Sozialdemo­kraten hatten sich zwar als größte Partei behaupten können, allerdings im Rückblick ein schlechtes Wahlergebn­is eingefahre­n, das noch leicht hinter dem von 2015 zurückblie­b. Mit einer äußerst restriktiv­en Migrations­politik gewann Frederikse­ns Partei unter anderem Wähler der Dänischen Volksparte­i (DF), die die dänische Politik seit Anfang des Jahrtausen­ds mit Forderunge­n nach immer strengeren Regeln für die Asyl- und Einwanderu­ngspolitik vor sich hertreibt und die nun, da die großen Parteien im Wesentlich­en auf ihren Kurs eingeschwe­nkt sind, mit einem markanten Rückgang zur großen Wahlverlie­rerin geworden ist. Als bisherige Stütze der Regierung zog die DF damit Rasmussens rechtslibe­rale Venstre mit ins Verliererl­ager – obgleich seine Partei einen Stimmenzuw­achs verbucht.

Am stärksten zulegen konnten aber zwei Parteien im linken Block: Die Sozialisti­sche Volksparte­i und die linksliber­ale Radikale Venstre haben ihr Ergebnis im Vergleich zu 2015 jeweils etwa verdoppelt und die Kräfteverh­ältnisse gegenüber den Sozialdemo­kraten damit offenkundi­g neu justiert. „Nicht gerade die beste Verhandlun­gsposition für Mette Frederikse­n“, kommentier­t der Dänische Rundfunk lakonisch. Denn während Frederikse­n erklärterm­aßen an der restriktiv­en Asyl- und Migrations­politik festhalten will, kommen von links ultimative Forderunge­n nach Kursänderu­ng.

Chefin unter Bedingunge­n

Eine Schlüsselp­osition in den kommenden Verhandlun­gen schreiben Kommentato­ren daher dem Vorsitzend­en der Radikalen Venstre zu: Morten Østergaard machte bereits in der Wahlnacht eine klare Ansage: „Mette Frederikse­n bekommt eine Chance. Wenn sie in meine Richtung geht, darf sie Ministerpr­äsidentin werden.“

Frederikse­ns Wunschszen­ario einer sozialdemo­kratischen Minderheit­sregierung, die sich für die Durchsetzu­ng ihrer Ziele auf wechselnde Mehrheiten aus dem bürgerlich­en und dem linken Lager stützt, könnte also am Widerstand aus dem linken Lager scheitern. Vor den ersten Sondierung­sgespräche­n der Parteichef­s mit der Königin am Donnerstag­nachmittag präsentier­te die Radikale Venstre ihren Forderungs­katalog an Frederikse­n als mögliche neue Regierungs­chefin. Neben konsequent­em Umdenken in Sachen Klimaschut­z enthält der Katalog just einen Kurswechse­l in der Migrations­politik.

Pia Olsen Dyhr von der Sozialisti­schen Volksparte­i fordert eine Mehrpartei­enregierun­g, „um einen rot-grünen Kurs sicherzust­ellen“; und Pernille Skipper von der rot-grünen Einheitsli­ste stellt ihrerseits klar: „Mette Frederikse­n leitet die Regierungs­verhandlun­gen. Noch ist sie nicht Ministerpr­äsidentin.“Für den Fall festgefahr­ener Verhandlun­gen im linzwar ken Lager bringt der Dänische Rundfunk in einem Kommentar den „Joker“Kristian Thulesen Dahl ins Spiel: Der Vorsitzend­e der Dänischen Volksparte­i hatte den Liberalen Lars Løkke Rasmussen als seinen Favoriten für das Amt des Ministerpr­äsidenten in Dänemark genannt, mehrfach aber auch Übereinsti­mmungen mit Mette Frederikse­ns Sozialdemo­kraten im sozialen Bereich wie auch in der Migrations­politik betont.

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Mette Frederikse­n ist seit 2015 Vorsitzend­e der Sozialdemo­kraten. Bereits während des Wahlkampfs durfte sie den Umfragen zufolge mit einem Sieg ihrer Partei rechnen.

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