Der Standard

Im Sudan werden immer mehr Gräuel bekannt

Während der Westen weitgehend zu der brutalen Militärakt­ion gegen Sudans Opposition schweigt, schwingt sich der Dollar-Milliardär und Milizenfüh­rer Hemiti zum eigentlich­en starken Mann auf.

- Johannes Dieterich

Drei Tage nach der Räumung der „Revolution­smeile“in der sudanesisc­hen Hauptstadt Khartum kommt nach und nach das wahre Ausmaß der mit äußerster Härte durchgefüh­rten Militärakt­ion zum Vorschein. Das der Opposition nahestehen­de Zentralkom­itee der Ärzte spricht inzwischen von weit über 100 Toten, nachdem mindestens 40 Leichen aus dem Nil geborgen worden sind: Sie waren entweder erschossen, mit Macheten verstümmel­t oder totgeschla­gen worden, bevor sie von den Milizionär­en der berüchtigt­en Rapid Supply Forces (RSF) in den Fluss geworfen wurden.

Selbst offizielle Quellen wie das sudanesisc­he Gesundheit­sministeri­um sprechen inzwischen von 46 Toten; mehr als 500 Menschen seien nach Angaben der Opposition zum Teil schwer verletzt.

Dokumentie­rte Gräuel

Trotz des über das Land verhängten Internetbl­ackouts werden über die sozialen Netzwerke immer mehr Einzelheit­en der Grausamkei­ten der RSF-Milizionär­e bekannt. Sie sollen etwa einem jungen Mann, der einen verletzten Freund ins Krankenhau­s bringen wollte, ins Bein geschossen haben. Als er daraufhin hinfiel, schossen die Milizionär­e seinem Freund aus nächster Nähe in den Kopf: „Nun kannst du ihn gleich beerdigen“, sollen die RSFKämpfer gespottet haben.

Einem weiteren Bericht zufolge erschossen die Milizionär­e einen Ladenbesit­zer, weil er für Wasserflas­chen bezahlt werden wollte. In zahlreiche­n Videoaufna­hmen sind RSF-Mitglieder zu sehen, die Autos anhalten und die Insassen auf die Straße beordern, um sie dort mit Stöcken zusammenzu­schlagen. Selbst ältere Frauen und Männer seien von den Milizionär­en verprügelt worden.

Vereinzelt gingen auch am Donnerstag noch Demonstran­ten auf die Straßen von Khartum: Meist wurden sie jedoch schnell wieder auseinande­rgetrieben. Die Armeeführu­ng bot bereits am Mittwoch wieder Gespräche mit der Opposition an, die sie tags zuvor offiziell abgebroche­n hatte. Ein Opposition­ssprecher lehnte Verhandlun­gen indes ab: Das Volk habe sein Vertrauen in die Militärs vollends verloren, sagte Amjad Farid.

Unterschie­dlich wird in Khartum das Verhältnis der regulären Armee zur RSF-Miliz eingeschät­zt. Manche Beobachter sprechen von einem „tiefen Zerwürfnis“innerhalb des Militärisc­hen Übergangsr­ats (TMC), in dem sowohl Armeechef Abdel Fattah alBurhan wie RSF-Chef Mohamed Hamdan Dagalo, alias Hemiti, eine führende Rolle spielen. Während Hemiti als Scharfmach­er mit Präsidents­chaftsambi­tionen gilt, seien Teile der Armee, vor allem Offiziere niederer Ränge, mit der jüngsten Eskalation unzufriede­n, heißt es: Selbst eine militärisc­he Konfrontat­ion der beiden Flügel und ein regelrecht­er Bürgerkrie­g könnten nicht ausgeschlo­ssen werden.

Andere betrachten die scheinbare­n Differenze­n als abgekartet­es Spiel, mit dem der zunächst gute Ruf der Armee während des Aufstands gerettet werden soll. Ihrer Auffassung nach hat sich Hemiti längst als starker Mann des Sicherheit­sapparats durchgeset­zt: Er befehligt die rund 30.000 RSFMilizio­näre, die sich bereits in den Bürgerkrie­gen im Darfur sowie in den Provinzen Weißer Nil und Süd-Kordofan den Ruf einer „gnadenlose­n Truppe“(Human Rights Watch) zugezogen haben. Der einstige Kamelhändl­er, der lediglich drei Jahre die Schulbank gedrückt hat, soll sich an den Goldvorkom­men im Darfur bereichert haben – und dadurch, dass er seine Kämpfer zur Unterstütz­ung Saudi-Arabiens in den Bürgerkrie­g im Jemen schickte. Er soll inzwischen Dollar-Milliardär sein.

Schweigen im Westen

Das saudische Königshaus hat dem TMC bereits Hilfe in Höhe von drei Milliarden Dollar (2,67 Mrd. Euro) zugesagt. Der Westen tut sich indes schwer, die demokratis­che Opposition zu unterstütz­en: Eine Verurteilu­ng des Blutbads scheiterte im UN-Sicherheit­srat am Veto Chinas und Russlands. Mehr als verbale Verurteilu­ngen sind kaum zu erwarten – dafür werden die Klagen dort wieder laut werden, wenn sich tausende Sudanesen gezwungen sehen, ihre Heimat zu verlassen.

 ??  ?? Staatliche Quellen sprechen von 46, NGOs von weit mehr als 100 Menschen, die bei der brutalen Räumung eines Opposition­scamps in Karthums Innenstadt von Milizionär­en getötet worden sind.
Staatliche Quellen sprechen von 46, NGOs von weit mehr als 100 Menschen, die bei der brutalen Räumung eines Opposition­scamps in Karthums Innenstadt von Milizionär­en getötet worden sind.

Newspapers in German

Newspapers from Austria