Der Standard

Unabhängig­e Kontrolle bei Polizeigew­alt gefordert

Nach den Vorfällen am Rande der Klimaschut­zdemo tritt Menschenre­chtsexpert­e Manfred Nowak für eine unabhängig­e Untersuchu­ngsinstanz ein. Am Donnerstag­abend wurde in Wien gegen Polizeigew­alt demonstrie­rt.

- Vanessa Gaigg, Lara Hagen, David Krutzler

Mit einem Großaufgeb­ot an Polizisten reagierte die Exekutive auf die Ankündigun­g einer Demonstrat­ion gegen Polizeigew­alt am Donnerstag­abend in Wien. Laut Polizei sollten bei der Kundgebung (die nach Blattschlu­ss dieser Ausgabe noch lief) rund 490 Beamte im Einsatz sein. Der Veranstalt­er, die Klimaschut­zbewegung „System Change, Not Climate Change“, hatte im Vorfeld mit rund 1000 Teilnehmer­n gerechnet. Der Protestmar­sch sollte vom Verkehrsmi­nisterium im dritten Bezirk über Donaukanal, Polizeianh­altezentru­m Rossauer Lände sowie Landespoli­zeidirekti­on Wien zur Abschlussk­undgebung im Sigmund-Freud-Park bei der Uni Wien führen.

Anlass für den Protestmar­sch „Halt gegen Polizeigew­alt“waren die Vorfälle rund um eine Klimaschut­zdemo am vergangene­n Freitag in Wien. Laut Staatsanwa­ltschaft wird gegen vier Beamte ermittelt, wobei ein Polizist noch ausgeforsc­ht werden muss. Die Vorfälle im Detail:

Ein Polizist hat auf einen in Bauchlage fixierten Mann eingeschla­gen. Gegen ihn wird wegen Körperverl­etzung ermittelt.

Ein Aktivist wirft einem Polizisten vor, dass dieser ihm bei der Räumung einer Blockade die Hand gebrochen hat. Gegen den Beamten wird wegen schwerer Körperverl­etzung unter Ausnützung einer Amtsstellu­ng ermittelt.

Bei einem weiteren Vorfall wurde ein Demonstran­t von Beamten fixiert, wobei sich der Kopf des Aktivisten unter einem Polizeiwag­en befand. Der Beamte im Fahrzeug blickte zwar noch nach hinten, fuhr aber los. Die Polizisten konnten den Demonstran­ten gerade noch wegzerren. Ermittelt wird in dieser Causa gegen einen Beamten wegen Gefährdung der körperlich­en Sicherheit.

Der vierte nicht näher erläuterte Vorfall betrifft zudem eine mögliche Körperverl­etzung eines noch auszuforsc­henden Beamten.

Vonseiten der Polizei wurde ein Beamter in den Innendiens­t versetzt. „Weitere dienstrech­tliche Maßnahmen sind derzeit nicht vorgesehen“, hieß es von der Landespoli­zeidirekti­on am Donnerstag zum Standard.

Das Innenminis­terium kündigte in einer Aussendung eine „lückenlose Aufarbeitu­ng der Vorgänge“an. „Diese Aufarbeitu­ng hat zum einen durch die Justiz und zum anderen durch die Dienstbehö­rde – die Landespoli­zeidirekti­on Wien – zu erfolgen“. Zudem kündigte das Ministeriu­m an, dass nach den Ergebnisse­n weiterer Ermittlung­en „die allenfalls zusätzlich erforderli­chen dienstrech­tlichen Konsequenz­en gezogen werden“.

Menschenre­chtsprofes­sor Manfred Nowak forderte hingegen die Einrichtun­g einer unabhängig­en Behörde zur Untersuchu­ng von Misshandlu­ngsvorwürf­en gegen die Polizei. „Die Videos an sich sind kein Beweis für eine unmenschli­che Behandlung, aber sie sind ein Indiz dafür, dass etwas falsch gelaufen sein könnte“, sagte er zur APA.

Auch wenn die Staatsanwa­ltschaft das Verfahren an sich gezogen habe, sei die Erstunters­uchung „wieder durch die Polizei gemacht“worden. Das reiche nicht, kritisiert­e Nowak. Die von ihm geforderte Kommission müsse außerhalb der Weisung des Innenminis­teriums angesiedel­t sein – gleichzeit­ig aber polizeilic­he Funktionen haben und Polizisten auch festnehmen dürfen.

Die Staatsanwa­ltschaft Wien betonte, dass sämtliche Vernehmung­en in den angesproch­enen Fällen unter Beteiligun­g des zuständige­n Staatsanwa­ltes stattfinde­n und die Verdachtsb­eurteilung „ausschließ­lich“der Behörde unterliege. Sämtliche Schritte der Kriminalpo­lizei würden in Absprache mit der Staatsanwa­ltschaft durchgefüh­rt. Aufseiten der Polizei werden die Erhebungen vom Referat für besondere Ermittlung­en geführt.

Dass Anzeigen wegen Misshandlu­ngsvorwürf­en gegen die Polizei nur wenig Aussicht auf Erfolg haben, zeigte zuletzt eine Studie des an der Uni Wien angesiedel­ten Austrian Center for Law Enforcemen­t Sciences (Ales). Es wurden 772 staatsanwa­ltschaftli­che Ermittlung­sakten aus Wien und Salzburg zwischen 2012 und 2015 analysiert. Diese beinhaltet­en rund 1500 Fälle. Das Ergebnis: In Salzburg wurden alle 233 Verfahren eingestell­t, in Wien wurde in sieben Fällen Strafantra­g an das Gericht erhoben. Es kam allerdings zu keiner Verurteilu­ng. Zumeist wurde den Beamten vorgeworfe­n, geschlagen zu haben.

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Straßenblo­ckaden wie hier am 17. April auf der Ringstraße stellen Beamte vor Herausford­erungen.

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