Der Standard

Umkämpfte Bilanz einer Jobbörse

Die türkis-blaue Regierung ließ im Jänner eine Jobbörse für Flüchtling­e arrangiere­n. Nun liegen valide Zahlen dazu vor, wie viele Menschen seither einen Arbeitspla­tz fanden. Das AMS sieht einen großen Erfolg.

- András Szigetvari

Selbst in der Blütezeit der türkis-blauen Koalition gab es Reizthemen, mit denen sich die zur Schau gestellte Harmonie der Koalition durcheinan­derbringen ließ. Dazu gehörte der Umgang mit Asylberech­tigten. Im Jänner fand auf Drängen des türkisen Kanzleramt­s eine Jobbörse für anerkannte Flüchtling­e in Wien statt. Es war nicht die erste Börse dieser Art, aber die erste mit Unterstütz­ung der Regierung.

Mit dabei war neben Asylberech­tigten und dutzenden Unternehme­n auch Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP). Die Freiheitli­chen waren nie glücklich mit der Veranstalt­ung: erstens, weil der Kanzler mit seinem Auftritt der eigentlich zuständige­n Sozial- und Arbeitsmin­isterin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) die Show stahl, zweitens hatte die FPÖ wenig Interesse daran, die Jobvermitt­lung von Flüchtling­en zu fördern. Skurrile Folge dieser Konstellat­ion: Das Sozialmini­sterium ließ aus Berichten des AMS Wien über die Bilanz der Jobbörse zunächst Beispiele für die erfolgreic­he Vermittlun­g von Asylberech­tigten herausstre­ichen – erst dann wurden

die Reports an das ÖVP-geführte Wirtschaft­sministeri­um geleitet.

Rund fünf Monate später ist Türkis-Blau Geschichte, und es liegt eine erste valide Bilanz über die Jobbörse vor. Das AMS Wien hat die Zahlen zu rund 1000 Asylberech­tigten ausgewerte­t, die im Zuge der Messe ein Bewerbungs­gespräch mit einem Unternehme­n geführt haben. Ergebnis: Laut neuesten verfügbare­n Zahlen, die den Stand Ende April abbilden, hatten 244 Menschen ein aufrechtes Dienstverh­ältnis, was 23 Prozent der Bewerber entspricht.

In der schwierige­n Gruppe der Geflüchtet­en jeden Vierten zu vermitteln sei ein großer Erfolg „und eigentlich ein Grund zum Jubeln“, sagt der Chef des AMS, Johannes Kopf. Viele der Teilnehmer an der Jobbörse stammten aus Syrien und dem Irak. Selbst wenn jemand in seinem Heimatland eine Ausbildung abgeschlos­sen hat, ist diese mit den österreich­ischen Abschlüsse­n kaum vergleichb­ar. Hinzu kommt, dass viele der Geflüchtet­en aus Afghanista­n kamen, einem vom Bürgerkrie­g gezeichnet­en Land, in dem nach wie vor viele Analphabet­en leben.

Jobzusagen nach der Börse gab es von der Bäckerei Ströck, von Ankerbrot und Felber. Rewe hat fünf Personen aufgenomme­n. Auch der Gebäuderei­niger Reiwag und Hofer fanden Mitarbeite­r. Zu den Zahlen des AMS gibt es eine Ergänzung. Bei der Jobbörse waren 1600 Menschen. Nicht alle hatten Bewerbungs­gespräche, bei nicht allen wurden von den Firmen nach den Gesprächen Sozialvers­icherungsn­ummern registrier­t. Man ziehe als Vergleichs­zahl die Gruppe der 1000 Fälle heran, weil nur diese für das AMS gut dokumentie­rbar sind, heißt es beim Arbeitsmar­ktservice Wien.

Onlineport­ale als Hindernis

Zu den Erfahrunge­n aus der Jobbörse gehört, dass offenbar die Online-Bewerbungs­portale vieler Unternehme­r ein Hindernis sind. Viele Personalve­rtreter haben Gespräche vor Ort geführt und dann Asylberech­tigte ersucht, sich online für eine Stelle anzumelden, damit der Aufnahmepr­ozess starten kann. Die ÖBB hatte mit 131 Interessie­rten ein Gespräch. Kein Einziger bewarb sich online. Andere Unternehme­n berichtete­n von ähnlichen Erfahrunge­n. Laut AMS hat der Verweis der Unternehme­n auf Onlineport­ale viele Bewerber entmutigt, die fälschlich­erweise dachten, bei der Börse Arbeit zu finden. Das AMS will daher künftig besser informiere­n.

Nicht mit der Suche geklappt hat es für den Direktor des Gaspingerh­ofs, eines Hotels im Tiroler Gerlos. der Standard traf den Direktor bei der Jobbörse. Das Hotel hat zwischen Winter- und Sommersais­on mehrere Wochen geschlosse­n. In dieser Zeit bietet man Angestellt­en kein Quartier. Das hat Interessie­rte abgeschrec­kt, heißt es heute. Behelfen wird man sich nun mit in Spanien angeworben­en Lehrlingen.

Für die ÖVP war die Jobbörse auch eine Gelegenhei­t, politisch zu punkten: In der Volksparte­i wurde kritisiert, dass die Regierung sich gegen ein Bleiberech­t für Asylberech­tigte ausgesproc­hen hat, die in Österreich eine Lehre machen. Viele ÖVP-nahe Unternehme­n halten das für einen Fehler. Mit der Aktion wollte man demonstrie­ren, dass sich auch abseits des Themas Asylwerber­Lehrlinge etwas tun lässt.

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Foto: Cremer Rund 1600 Menschen kamen zur Jobbörse in Wien. Etwa 1000 führten auf AMS-Vermittlun­g ein Bewerbungs­gespräch. 244 haben einen Job.

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