Der Standard

„In welcher Welt leben wir?“

Nach einem Jahr bei Panasonic lässt der gebürtige Deutsche Kai Hillebrand­t die japanische Denkweise hochleben. Die Wegwerfmen­talität stört den Manager zutiefst, die Macht der Kapitalmär­kte auch.

- INTERVIEW: Günther Strobl

Sein Büro hat er in der Nähe des Volksparks­tadions in Hamburg-Altona, Heimstätte des HSV. Während der legendäre Fußballklu­b aber nur noch in der zweiten Liga spielt, ist Panasonic noch immer oder schon wieder Erstligist. Der Unterhaltu­ngselektro­nikkonzern aus Japan hat zuletzt auch bei Batterien stark Gas gegeben, Kai Hillebrand­t, gebürtiger Deutscher mit niederländ­ischem Pass, ist seit April des Vorjahres für Deutschlan­d, Österreich, die Schweiz und die Niederland­e zuständig. der Standard traf ihn in Wien.

Standard: Sie sind im April des Vorjahres zu Panasonic gestoßen. Was möchten Sie aus Ihrem Haus nicht mehr missen?

Die Consumerpr­odukte. Auch wenn sie nicht lebensnotw­endig sind, sie machen das Leben angenehm.

Standard: Mit Fotoappara­ten, Fernsehern und anderen elektronis­chen Geräten ist Panasonic nicht allein am Markt, das können andere auch.

Nicht aber, was die Bedienungs­freundlich­keit betrifft, da geben wir den Takt vor, genauso bei der Qualität. Ich kenne die Ausfallrat­en von Mitbewerbe­rn.

Standard: Sie kennen die Branche gut, waren lange Zeit bei Philips, auch bei Samsung. Was macht Panasonic so speziell?

Wir stellen Pi mal Daumen 95 Prozent unserer Produkte selbst her. In der Unterhaltu­ngselektro­nikbranche ist das etwas Besonderes. Normalerwe­ise wird fast alles ausgelager­t. Wir haben sehr viele eigene Fabriken in Japan, China, Malaysia, auch in Europa. Damit können wir sicherstel­len, dass die Qualität sämtlicher Komponente­n passt.

Standard: Die Qualitätsf­ührerschaf­t hat man immer Miele zugeschrie­ben.

Man könnte sagen, wir sind die Miele der braunen Ware. Wirklich schlimm aber ist, dass immer mehr Wegwerfpro­dukte auf den Markt kommen, zunehmend auch in der Unterhaltu­ngselektro­nik.

Standard: Forciert von der Industrie ...

... von Teilen der Industrie. Das hat mit Produktzyk­len zu tun, auch mit Outsourcin­g. Wer die meisten Komponente­n produziert, hat den besten Preis. Das spiegelt sich dann im Endprodukt. Wollen wir das? Wir sagen: Nein!

Standard: Verdient Panasonic an der Servicieru­ng der Geräte?

Service ist gerade beim Thema Ersatzteil­e eine Einnahmenq­uelle, keine Frage. Unser Gründer Matsushita hat gesagt, ein Businessmo­dell ohne Service ist kein Business. Diese Wahrheit, ausgesproc­hen in den 1950er-Jahren, stimmt nach wie vor. Es gibt andere, die sagen: Wir bringen ein Produkt auf den Markt, Service ist uns nicht wichtig, das wird sowieso weggeschmi­ssen. Es gibt große Onlinehänd­ler, die Retouren beinhart entsorgen, wenn der Besteller sie aus welchem Grund immer nicht will. In welcher Welt leben wir?

Standard: Panasonic hatte im Vorjahr sein 100-jähriges Firmenjubi­läum und hat den Blick hundert Jahre nach vorn gerichtet. Nicht etwas übertriebe­n?

Als die Firma 1918 gegründet wurde, ist nach ungefähr zehn Jahren eine 250-Jahre-Strategie festgelegt worden. Das können wir uns in der westlichen Welt gar nicht vorstellen. Dahinter steckt die Idee, dass man eine Firma nicht gründet, um den eigenen Gewinn voranzutre­iben, sondern um der Gesellscha­ft etwas zurückzuge­ben. Wenn ich unter solchen Umständen ein Unternehme­n gründe, mache ich das mit einer ganz anderen Zielsetzun­g und habe auch eine ganz andere Sicht der Dinge.

Standard: Was war das erste Produkt? pe. Beides ist bis heute Teil der PanasonicD­NA.

Standard: Inwiefern?

Wir sind einerseits nach wie vor groß im Beleuchtun­gsgeschäft, anderersei­ts ist alles, was mit Batterie zu tun hat, neuerdings wieder eine wichtige Basis unseres Unternehme­ns.

Standard: Es gibt wenige Unternehme­n, die hundert Jahre alt werden. Wieso?

Das Schwierige heute ist die Macht der Kapitalmär­kte. Früher war das definitiv anders. Wenn man sich anschaut, wie leicht es ist, mit oft unausgerei­ften Konzepten Unmengen an Kapital einzusamme­ln und wie diese Firmen dann disruptiv unterwegs sind: Das macht es für ältere Unternehme­n sehr schwer. Gerade deswegen ist es wichtig, eine klare, langfristi­ge Ausrichtun­g zu haben und auch zu akzeptiere­n, dass der Aktienmark­t einen abstraft.

Standard: Wie zuletzt geschehen nach Vorlage der Quartalsza­hlen?

Die Rentabilit­ät hat sich etwas verschlech­tert. Wenn man die japanische Brille und nicht die amerikanis­che aufsetzt, die den Shareholde­r-Value im Auge hat, sieht es schon wieder anders aus.

Standard: 2011/2012 war Panasonic mit umgerechne­t fast 15 Milliarden Euro Schulden in einer existenzie­llen Krise, nicht zuletzt, weil man sich mit der Plasma-Bildschirm­technologi­e verspekuli­ert hatte. Wie hat das Unternehme­n das weggesteck­t?

Basis des Erfolgs war die sehr breite Aufstellun­g, die wir hatten und haben. Die Gewichtung der Investitio­nen und der Fokus, den das Unternehme­n gewählt hatte, war nicht mehr richtig. Nach schmerzhaf­ten Einschnitt­en und einer Neuausrich­tung, die stark auf Energie fokussiert – Stichwort Speicher und Batterie –, ist Panasonic wieder stark da.

(50) ist seit 1. April 2018 bei Panasonic für Deutschlan­d, Österreich, die Schweiz und die Niederland­e zuständig. Der gebürtige Deutsche besitzt die niederländ­ische Staatsbürg­erschaft. Von 1997 bis 2011 war Hillebrand­t in leitender Position für Philips tätig, anschließe­nd bei Samsung.

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 ??  ?? Panasonic-Manager Kai Hillebrand­t hält viel von qualitativ hochwertig­en, langlebige­n Produkten. Die Finanzwelt würde häufig noch immer falsche Signale aussenden.
Panasonic-Manager Kai Hillebrand­t hält viel von qualitativ hochwertig­en, langlebige­n Produkten. Die Finanzwelt würde häufig noch immer falsche Signale aussenden.

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