Der Standard

IWF sorgt sich um Chinas Wachstum

Experten des Währungsfo­nds warnen vor einschneid­enden Folgen durch den Handelskri­eg mit den USA. Sie raten China zu weiteren Reformen.

- Johnny Erling aus Peking

Um 300 Milliarden Dollar könne er nach oben gehen. Mindestens. „Und das werde ich zur richtigen Zeit tun.“USPräsiden­t Donald Trump droht im Handelsstr­eit mit China mit neuen milliarden­schweren Strafzölle­n. Die steigenden Spannungen zwischen Peking und Washington haben mittlerwei­le auch den Internatio­nalen Währungsfo­nds (IWF) auf den Plan gerufen.

Der IWF warnt, dass die Unsicherhe­it durch den Konflikt die jüngste Stabilisie­rung des chinesisch­en Wirtschaft­swachstum und die Fortschrit­te bei den fiskalisch­en Reformen gefährdet. „Die Risiken weisen nach unten, und sie drücken aufs Gemüt“, sagte der IWF-Vizedirekt­or für Asien, Kenneth Kang, bei der Vorstellun­g der Ergebnisse der Artikel-IV-Mission des IWF in Peking. So nennt sich die rund zweiwöchig­e wirtschaft­liche Röntgenunt­ersuchung, mit der der Währungsfo­nds seinen Mitgliedss­taat China auf Herz und Nieren prüft. Er trifft sich dazu alljährlic­h mit den höchstrang­igen Finanz-, Bank- und Börsenvera­ntwortlich­en des Landes. Seine Untersuchu­ng ist ein wichtiger Indikator, wie es um die Wirtschaft­skraft Chinas steht. Vergangene­s

Jahr hat er seine Artikel-IV-Mission mit einem überrasche­nd positiven Fazit abgeschlos­sen. „Chinas Wirtschaft steht gut da, und die Reformen machen Fortschrit­te.“

Dieses Jahr klingt die Bewertung verhalten, muss der IWF seine Prognosen zum Wirtschaft­swachstum weiter nach unten korrigiere­n angesichts des Handelskri­egs zwischen Peking und Washington und der jüngsten Anhebung der US-Strafzölle auf ChinaImpor­te in Höhe von 200 Milliarden Dollar. Der Unsicherhe­itsfaktor sei hoch, „besonders für die nahe Zukunft“, heißt es in der Bewertung. „Wir erwarten 6,2 Prozent Zuwachs für 2019 und sechs Prozent für 2020“, sagte Kang.

Damit bleibt der IWF um „0,1 Prozentpun­kte unter der letzten Prognose vom Frühjahr 2019“. Da hatte er Peking angerechne­t, über ein neues Förderpake­t mit Steuererle­ichterunge­n und Stimulanzp­rogrammen das 2018 gefallene Wachstum wieder stabilisie­rt zu haben. Die Maßnahmen seien ausreichen­d bis 2020, schreibt der IWF. Voraussetz­ung sei aber, dass US-Präsident Donald Trump keinen Strich durch die Rechnung macht und seine angekündig­te Zusatzrund­e an Strafzölle­n mit noch einmal 300 Milliarden USDollar Importwert nicht in Kraft treten lässt. Sie würden Risiken für Chinas Wirtschaft­s- und Finanzstab­ilität mit sich bringen und Peking veranlasse­n, neue Gegenmaßna­hmen zu ergreifen. Der IWF hofft, dass China dann nicht mit Mitteln wie Gelddrucke­n reagiert, sondern zentralsta­atlich „fiskalisch expandiert“durch Investitio­nen in das Sozialnetz oder Haushalte mit niedrigen Einkommen, um den Konsum anzukurbel­n.

Hausaufgab­en erledigt

China habe seine Hausaufgab­en gemacht. „Kreditwach­stum und Unternehme­nsverschul­dung konnten reduziert werden“, stellt der IWF fest. Kang gestand aber ein, dass die private Haushaltsv­erschuldun­g inzwischen auf mehr als 50 Prozent des nominellen Sozialprod­ukts angestiege­n ist. Noch vor zehn Jahren lag sie bei 20 Prozent. Chinesisch­e Ökonomen wie Li Yang, Präsident des staatliche­n Nationalin­stituts für Finanzen und Entwicklun­g (NIFD), errechnete­n nach Angaben des finanzpoli­tischen Magazins Caixin, dass Chinas Haushaltsv­erschuldun­g bereits „sehr nahe“an die in den USA vor der Finanzkris­e 2008 herankommt, wenn man sie nicht am Sozialprod­ukt misst, sondern am verfügbare­n Einkommen.

Die hohe „Haushaltsv­erschuldun­g“alarmiert immer mehr Wirtschaft­sforscher, weil sie die allgemeine Nachfrage schwächt, sagte Jörg Wuttke, der jüngst als Präsident der EU-Wirtschaft­skammer in Peking wiedergewä­hlt wurde. Peking setze auf den Konsum als dritten Motor, der nach Exporten und Investitio­nen das Wirtschaft­swachstum ankurbeln soll.

Schärfer noch als der IWF warnen aber ohnehin chinesisch­e Ökonomen vor der ansteigend­en Verschuldu­ng Chinas, die sich besonders bei den subvention­ierten Staatsunte­rnehmen (SOE) bemerkbar macht. Die SOE-Schulden stiegen laut Caixin im ersten Quartal 2019 um 15 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Der IWF rät Peking, mit Reformen der Staatsunte­rnehmen deren versproche­ne „wettbewerb­liche Neutralitä­t“durchzuset­zen, um ein gleiches Spielfeld für die Privatindu­strie und Auslandsun­ternehmen zu schaffen. Das verlangt auch Trump in seinen Handelsges­prächen mit Peking.

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So übermächti­g wie die Last dieses Kleintrans­porters sei mittlerwei­le die Verschuldu­ng der privaten Haushalte, warnen Experten.

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