Der Standard

Was „das Volk“entscheide­t

-

Vielleicht ist ihm der Satz in der Stunde der erwartbare­n Niederlage spontan eingefalle­n, wahrschein­licher wurde er ihm von einem Mitarbeite­r vorbeugend in den Mund gelegt – worauf es ankam, war der dramatisch­e Spin: „Heute hat das Parlament entschiede­n, aber am Ende entscheide­t das Volk“, verabschie­dete sich Sebastian Kurz nach dem erfolgreic­hen Misstrauen­santrag aus seiner Kanzlersch­aft.

Die Zweite Präsidenti­n des Nationalra­ts, Doris Bures, wollte mehr darin sehen als eine türkise Version von „Bei Philippi sehen wir uns wieder“. Sie sah darin einen Versuch des Auseinande­rdividiere­ns von Volk und Volksvertr­etern, ein Aufweichen des Systems unserer parlamenta­rischen Demokratie,

ja sogar ein Infrageste­llen der Bundesverf­assung.

Idoch n der der ÖVP sorgfältig Sorge Überrasche­nd teilte nicht, geplante man wenig diese ist Einsatz dann überrasche­nd. vorauseile­nde aber dessen, sollte, im was rasch zunächst eröffneten spontan türkisen wirken Wahlkampf auf Facebook, wo der Satz in der Slimfit-Variante „Das Parlament hat bestimmt. Das Volk wird entscheide­n“häufig auftaucht. Man muss die Besorgnis von Bures nicht teilen, aber dass in dieser Version das Volk gegen den vom Volk gewählten Nationalra­t ausgespiel­t wird, ist nicht zu übersehen.

Nun hat „das Volk“zwar einen gewissen Einfluss auf die Zusammense­tzung einer Regierung, zuletzt der türkisblau­en, für sie entschiede­n hat aber nicht das Volk, sondern allein Sebastian Kurz, auch wenn er das heute nicht mehr so gern hört. Das Einzige, was die

Wählerinne­n ist Zusammense­tzung, türkis-blaue die Zusammense­tzung und Koalition und es war Wähler die exakt ermöglicht­e Kurz bestimmen, eines dieselbe erst Nationalra­ts, eine und nach siebzehn Bei dem Monaten Denkmodell ihr Ende eines bestimmte. quasi diktatoris­ch bestimmend­en Parlaments, das von einem weise entscheide­nden „Volk“in die Schranken gewiesen werden müsse, handelt es sich um eine dumpf populistis­che Finte, die kaschieren soll, wer für das Scheitern der Regierung Kurz/Strache verantwort­lich ist, nämlich Strache und Kurz. Das Parlament soll schuld sein, und das Volk soll es wiedergutm­achen.

Schließlic­h geht es um die Rettung einer Lichtgesta­lt. Da ist die Legende vom parlamenta­rischen Dolchstoß zur Anheizung des Mitleidsef­fekts bei all jenen, die die bisherige Regierungs­arbeit

nicht besonders überzeugen­d fanden, hochwillko­mmen. Das türkise Wahlprogra­mm wird sich während der nächsten vier Monate in Form von drei Punkten über das Land ergießen: Kurz, Kurz, Kurz. Es gilt ab sofort: Wer ihn nicht anhimmelt, der patzt ihn an, verhält sich gewisserma­ßen frevelhaft wie das Parlament.

Ohne Schmutz – mehr oder weniger – wird es im anlaufende­n Wahlkampf wohl auch nicht abgehen. Alles andere wäre neu. Aber er sollte nicht auf Kosten der Grundlagen unserer Demokratie geführt werden, und denen tut man zumindest nichts Gutes, wenn ein aus wahltaktis­chen Gründen mystisch überhöhter Volksbegri­ff gegen ein von Wählerinne­n und Wählern legitimier­tes Parlament ausgespiel­t wird, das von seinen Rechten Gebrauch macht. Darauf hinzuweise­n ist noch lange nicht alarmistis­ch.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria