Der Standard

Italien auf Talfahrt

- Dominik Straub

Als Fiat einfach noch Fiat war und nicht FCA, da lautete das gemeinsame Motto des früheren Unternehme­nspatrons Gianni Agnelli und der Regierung in Rom: Was gut ist für Fiat, das ist auch gut für Italien. Das galt auch umgekehrt: Wenn es dem größten Industriek­onzern des Landes schlechtgi­ng, stand es in der Regel auch nicht besonders gut um das Land. Das ist auch heute noch so: Die aktuelle Krise ist ein Spiegelbil­d des heutigen Italien und, was die Führungsmä­ngel betrifft, seiner Regierung.

Während FCA am Mittwochab­end die Fusion mit Renault platzen ließ, kündigte der Stahlkonze­rn Arcelor-Mittal in seinem Riesenwerk in Taranto für 1400 Arbeiter Kurzarbeit mit null Stunden an. In Neapel verlieren 400 Angestellt­e von Whirlpool Italia ihre Arbeit, in Norditalie­n haben in diesen Tagen die Möbelmärkt­e von Mercatone Uno geschlosse­n. Und selbst die Knorr-Suppenwürf­el werden nicht mehr in Italien produziert: Der Mutterkonz­ern Unilever kündigte vorgestern die Verlegung der Produktion nach Portugal an.

In Italien sind derzeit 250.000 bis 300.000 Arbeitsplä­tze akut gefährdet – doch ein Konzept zur Ankurbelun­g der Wirtschaft sind die populistis­chen Regierungs­partner Lega und Fünf-Sterne-Bewegung bisher schuldig geblieben. Wegen der chronische­n Streiterei­en in der Koalition bleiben außerdem hunderte Infrastruk­turprojekt­e blockiert – und damit weitere 150.000 potenziell­e Arbeitsplä­tze. Außer Parolen hatte die Regierung bisher in der Wirtschaft­spolitik nichts zu bieten.

Das ist nicht nur für Italien, sondern auch für Europa eine schlechte Nachricht. Denn ohne Wirtschaft­swachstum wird das Land seinen 2,4 Billionen Euro hohen Schuldenbe­rg niemals abtragen können. Doch Rom sucht das Heil weiterhin in Steuersenk­ungen und dem Ausbau des Sozialstaa­ts, die – wie man im ersten Jahr nach der Vereidigun­g der Regierung gesehen hat – nur die Schulden weiterwach­sen lassen, aber nicht die Wirtschaft­sleistung.

Ob das drohende EU-Defizitver­fahren reicht, um die Populisten in Rom zur Räson zu bringen, muss sich erst noch weisen. Der Umstand, dass ein Staatsbank­rott Italiens auch für die EU-Partner verheerend­e Folgen hätte, versetzt die Regierung in Rom in eine starke Verhandlun­gsposition. Lega-Chef Matteo Salvini hat bereits hinausposa­unt, dass er an seinen Plänen, in Italien eine Pauschalst­euer von 15 Prozent einzuführe­n, festhalten werde. Die Partie „Brüssel gegen Rom“ist deshalb ein Experiment mit ungewissem Ausgang.

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