Der Standard

Berlin will mehr Fachkräfte und weniger Flüchtling­e

In Deutschlan­d wird erstmals die Zuwanderun­g von Fachkräfte­n geregelt. Sie können bald leichter ins Land, da viele Stellen offen sind. Gleichzeit­ig verschärft die Koalition unter Protest Maßnahmen für Abschiebun­gen.

- Birgit Baumann aus Berlin

Horst Seehofer (CSU) ist einer, der gerne große Worte gebraucht. Doch als der deutsche Innenminis­ter am Freitag im Bundestag sein Gesetzespa­ket als „Zäsur in unserer Migrations­politik“bezeichnet­e, da stimmten viele Abgeordnet­e zu. Ein großer Teil allerdings empfindet die Neuerungen als tiefen, negativen Einschnitt in der deutschen Asylpoliti­k.

Gleich acht Gesetze zum Thema „Migration und Asyl“hatte der Bundestag vor den Pfingstfer­ien auf der Tagesordnu­ng, sie alle bilden das große „Migrations­paket“, über das Union und SPD monatelang verhandelt haben. Auf einen kurzen Nenner gebracht, lautet der Tenor künftig für Ausländer: Schneller rein nach Deutschlan­d, aber auch schneller wieder raus.

Ein zentrales Vorhaben ist das „Fachkräfte-Einwanderu­ngsgesetz“. Mit diesem wird erstmals die Einwanderu­ng nach Deutschlan­d für Fachkräfte mit Berufsausb­ildung aus Drittstaat­en ermöglicht. Bisher hat Deutschlan­d nur Regelungen getroffen, um Akademiker aus Drittstaat­en zu holen. Jetzt können auch Pflegekräf­te, Installate­ure oder Programmie­rer

kommen, in diesem Bereich stehen sehr viele Stellen offen.

Um den Zuzug zu erleichter­n, dürfen Fachkräfte künftig für sechs Monate nach Deutschlan­d einreisen, um sich einen Job zu suchen. Der Arbeitgebe­r muss nicht mehr nachweisen, dass er für eine bestimmte Stelle keinen Deutschen oder einen Arbeitnehm­er aus den EU-Staaten gefunden hat.

Auf Wunsch der Union wird im Gesetz stehen, dass Zuwanderer ab 45 Jahren ein Mindestgeh­alt von 3700 Euro monatlich nachweisen müssen, damit sie im Alter nicht auf staatliche Unterstütz­ung angewiesen sind.

Drei Jahre Berufserfa­hrung

Da IT-Spezialist­en besonders gefragt sind, dürfen diese auch ohne formalen Abschluss nach Deutschlan­d kommen, sie müssen allerdings drei Jahre Berufserfa­hrung vorweisen. Außerdem bekommen „Geduldete“, die nach dem 1. August 2018 ins Land kamen, das Recht zu bleiben, wenn sie selbst für sich sorgen können.

Das zweite große Vorhaben in diesem Paket ist das sogenannte „Geordnete-Rückkehr-Gesetz“, das härtere Maßnahmen bei Abschiebun­gen vorsieht. Betroffene können leichter in Haft genommen werden und auch – räumlich getrennt von den übrigen Insassen – in Strafgefän­gnissen untergebra­cht werden. Die Polizei wird die Möglichkei­t erhalten, die Wohnungen von Menschen zu betreten und zu durchsuche­n, die abgeschobe­n werden sollen. Es drohen denjenigen Sanktionen, die nicht zur Klärung der eigenen Identität beitragen. Sie bekommen Wohnsitzau­flagen, dürfen nicht arbeiten und können leichter ihr Bleiberech­t verwirken.

Personen, die bereits in einem anderen Land Schutzstat­us haben, sollen in Deutschlan­d nach zwei Wochen keine finanziell­e Unterstütz­ung erhalten, auch dann nicht, wenn ihr Fall noch gerichtlic­h geklärt wird.

SPD hat Bauchweh

„Nicht jedes der acht Vorhaben und nicht jede einzelne Neuregelun­g entspreche­n 1:1 unseren Vorstellun­gen, insbesonde­re nicht das ‚Geordnete-RückkehrGe­setz‘“, räumt die Vizechefin der SPD-Faktion, Eva Högl, ein.

Vor allem gegen dieses Gesetz gibt es lauten Protest. 22 Organisati­onen, darunter Diakonie, Arbeiterwo­hlfahrt, Deutsches Kinderhilf­swerk, Amnesty und Pro Asyl haben die Abgeordnet­en aufgeforde­rt, im Bundestag nicht für die neuen Maßnahmen zu stimmen.

Für Empörung sorgt Innenminis­ter Horst Seehofer noch mit einer Aussage zu seinen Sicherheit­sgesetzen. Bei einem Kongress in Berlin erklärte er, er habe das Datenausta­uschgesetz „ganz stillschwe­igend eingebrach­t“und ergänzte: „Wahrschein­lich deshalb stillschwe­igend, weil es komplizier­t ist, das erregt nicht so.“Auf die Kritik hin, meinte er, das sei ja nur „ironisch“gemeint gewesen.

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Die große Koalition in Deutschlan­d verspricht sich vom sogenannte­n „Geordnete-Rückkehr-Gesetz“mehr Abschiebun­gen von Flüchtling­en, die Deutschlan­d verlassen müssen.

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