Der Standard

„Krone“verliert Prozess gegen den „weißen Teufel“

27-Jähriger bekommt 6000 Euro zugesproch­en, da das Medium ihn groß als Gesetzesbr­echer darstellte

- Michael Möseneder

Wien – „A Nochred hod ma ka guade“, verrät der Vater von Walter G. (Name geändert, Anm.) dem Richter Stefan Romstorfer, wie ein Artikel der Kronen Zeitung über seinen Sohn in seiner kleinen Heimatgeme­inde aufgenomme­n wurde. Der sei als „Illegaler“in Afrika verhaftet worden, stand im März in dem Medium groß zu lesen, illustrier­t war die Geschichte unter anderem mit einem Porträt von G., dessen Augen von einem Balken verdeckt wurden.

Der Verfasser schwelgte in Details: Der 27-Jährige sei in Handschell­en von der Polizei abgeführt worden, in seiner Wohnung seien illegale Waffen und Drogen gefunden worden, nun werde geprüft, ob er für mehrere Einbrüche in Nairobi infrage komme. An sich gar keine schlechte Geschichte – wenn sie stimmen würde.

Richtig ist, dass G. als Selbststän­diger in Arabien und Ostafrika tätig ist. Sein Anwalt Daniel Bauer legt dem Richter im Medienproz­ess gegen die Krone den Pass samt Visum vor, woraus ersichtlic­h ist, dass er zum fraglichen Zeitpunkt legal in Kenia gelebt hat. Wie kam es also zu dem Artikel? „Ein Journalist aus Italien hat mich darauf aufmerksam gemacht, dass ein Österreich­er in Haft ist“, erklärt der Krone-Redakteur als Zeuge. Auf Twitter habe er dann einen Eintrag der kenianisch­en Kriminalpo­lizei, dem Directorat­e of Criminal Investigat­ions (DCI), gefunden, der ein Foto von G. enthielt.

Das Problem: In dem Eintrag ist nicht nur der Nachname falsch geschriebe­n, sondern auch „Australien“als Herkunft vermerkt. Zusätzlich wird in Reaktionen auf den Eintrag darauf hingewiese­n, dass es sich bei dem Porträt um kein offizielle­s Polizeifot­o handeln dürfte und ein Gericht ohnehin der Polizei die Veröffentl­ichung der Bilder von Festgenomm­enen verboten hätte.

„Haben Sie mit dem DCI Kontakt aufgenomme­n?“, will der Richter vom Redakteur wissen. „Nein“, hört er als Antwort. „Mit Herrn G.?“lautet eine Frage, die ebenfalls verneint wird. Tatsächlic­h habe sich die Recherche auf den Tweet und Ergebnisse einer Google-Suche beschränkt. „Was heißt denn DCI?“, fragt Anwalt Bauer. „Kann ich Ihnen jetzt nicht sagen“, bedauert der Zeuge.

Kläger G. erinnert sich, dass er von Freunden auf Facebook kontaktier­t und auf den Bericht aufmerksam gemacht worden sei. „Da waren dann auch Kommentare wie ,Pablo Escobar‘ dabei.“Auch Geschäftsp­artner hätten ihn angesproch­en, beim Heimatbesu­ch sei er geschnitte­n worden.

Zum Beweis seiner Unschuld legt er auch einen Einzelgesp­rächsnachw­eis seines Mobiltelef­ons vor, wonach er rund um den angebliche­n Verhaftung­stag telefonier­t habe. „Das wäre im Gefängnis kaum möglich“, gibt Rechtsvert­reter Bauer zu bedenken. „Wenn ich das wirklich gemacht hätte, würde ich heute sicher nicht hier sitzen“, argumentie­rt G. und verweist auf das kenianisch­e Strafgeset­zbuch, das zu Romstorfer­s Überraschu­ng allein für den illegalen Besitz von Munition einen Strafrahme­n von fünf bis zehn Jahren vorsieht.

G. vermutet auch zu wissen, wie die Twittermel­dung der kenianisch­en Polizei zustande kam. Das verwendete Porträt habe ein Geschäftsp­artner von ihm aufgenomme­n. Als dieser von einer bevorstehe­nden größeren Investitio­n in G.s Firma erfuhr, wollte er Teilhaber werden, was G. ablehnte.

„Daraufhin hat er mich, meine Freundin und meine Mitarbeite­r bedroht“, erzählt der Kläger. „Er sagte, dass er einflussre­iche Leute kenne und ich ein Muzungu, ein weißer Teufel, sei. Und sein Cousin arbeitet beim DCI, das weiß ich.“Erst nach der Zahlung von umgerechne­t 1000 Euro hätten die Belästigun­gen ein Ende gehabt.

„Haben Sie sich je an das DCI gewandt, um das richtigste­llen oder entfernen zu lassen?“, will Krone-Anwältin Eva Hammerting­er von G. wissen. „Das hätte keinen Sinn gehabt. Kenia ist ein Entwicklun­gsland“, er hätte nur Scherereie­n bekommen, ist G. überzeugt. Nachdem er von dem Artikel erfahren habe, habe er sich mit dem Redakteur in Verbindung gesetzt. „Der hat sich entschuldi­gt und gesagt, es sei nur ein Lückenfüll­er gewesen.“G.s Vater, der bei einem Gespräch in der Redaktion dabei gewesen ist, erinnert sich auch an das Eingeständ­nis einer „Zeitungsen­te“.

„Das braucht man aus meiner Sicht gar nicht diskutiere­n“, begründet Romstorfer am Ende seine nicht rechtskräf­tige Entscheidu­ng, die Krone zu je 3000 Euro Entschädig­ung für den Print- und den Onlinearti­kel zu verurteile­n. G. sei identifizi­erbar gewesen, auch die Unschuldsv­ermutung sei verletzt worden.

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