Der Standard

Als Rauch aus Vettels Helm stieg

Der Ferrari-Pilot hat aufgrund einer Strafe den GP von Kanada nicht gewonnen, Lewis Hamilton erbte den Sieg

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– Getrieben von Wut und tiefer Frustratio­n fällte Sebastian Vettel ein vernichten­des Urteil über den Zustand der Formel 1. „Das ist nicht der Sport, in den ich mich verliebt habe“, sagte der Ferrari-Star nach dem Großen Preis von Kanada und sehnte die guten alten Zeiten herbei: „Ich schaue mir gerne die Rennen, Autos und Fahrer von früher an. Ich würde mein Können lieber in diesen Zeiten als heutzutage unter Beweis stellen.

„Rauch stieg aus Vettels Helm“, schrieb die Daily Mail über die Vorfälle nach dem Rennen, denn der Deutsche rechnete ab. Gegen den eigentlich zweitplatz­ierten Lewis Hamilton, der wegen Vettels Fünf-Sekunden-Zeitstrafe zum Sieger erklärt wurde, hegte er keinen Groll. Nicht einmal die Stewards, die die umstritten­e Entscheidu­ng getroffen hatten, standen im Zentrum seiner Kritik. Vettels Zorn traf jene Offizielle­n, die seiner Meinung nach im Regulierun­gswahn dem Sport die Seele rauben. „Wir haben für wirklich alles Regeln. Das ist falsch, ich mag das nicht“, sagte Vettel: „Das entspricht nicht dem, was wir im Auto tun.“

Über ein „gestohlene­s Rennen“hatte der vierfache Champion (alle Titel im Red Bull) schon im Cockpit geflucht, nach der Zieleinfah­rt zeigte er sich dann geradezu bockig: Er schwänzte das obligatori­sche Interview vor der Siegerehru­ng, er parkte sein Auto nicht im Parc fermé und tauschte dort sogar die Schilder für die Plätze „1“und „2“aus.

Zuvor hatten sich Vettel und der vermutlich bald sechsfache Weltmeiste­r Hamilton im Mercedes ein spannendes Duell auf der Strecke geliefert. Vettel raste an der Spitze seinem ersten Saisonsieg entgegen, den heraneilen­den Hamilton immer im Rückspiege­l. Dann machte er in der 47. Runde einen Fehler. Er rutschte in Kurve drei über das Gras, und bei der Rückkehr auf die Strecke kollidiert­e er fast mit dem Briten, der mit einer starken Bremsung das wohl sichere Aus beider Piloten verhindert­e. Die Rennjury sah eine Gefährdung des Gegners. Vettel argumentie­rte, er habe nur sein Auto abgefangen. „Das ist Racing“, sagte er. Wahr ist: Hamilton wurde massiv behindert.

Die kanadische­n Fans quittierte­n das Urteil mit Buhrufen für Hamilton bei der Siegerehru­ng. Ehemalige Fahrer wie Jenson Button oder Damon Hill sprangen Vettel zur Seite. Nigel Mansell schrieb bei Twitter von einer Peinlichke­it: „Es macht keine Freude. Zwei Champions zeigen ein brillantes Rennen, das in einem Fehlurteil endet.“Nico Rosberg sagte allerdings: „Die Strafe ist in Ordnung und hundertpro­zentig verdient.“

Ferrari kündigte dem Motorsport-Weltverban­d Fia noch am Sonntag offiziell an, einen Protest zu planen. Die Scuderia hat dadurch die Möglichkei­t, innerhalb von 96 Stunden entlastend­es Beweismate­rial zu sammeln und dann formell Einspruch einzulegen.

Zunächst aber steht für Vettel der nächste sportliche Rückschlag. 62 Punkte beträgt der Rückstand auf Hamilton, der seinen fünften Saisonsieg kaum genießen konnte. „Das ist nicht die Art, auf die ich gewinnen wollte. Aber ich nehme den Sieg gerne an“, sagte Hamilton, der sich durch das Vettel-Manöver durchaus behindert sah. Der Umgang der Rivalen miteinande­r blieb fair. Als Hamilton den Buhrufen ausgesetzt war, griff Vettel auf dem Podium zum Mikrofon. „Lewis kann nichts dafür.“(red, sid)

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Sebastian Vettel tauschte nach der Zieleinfah­rt wutentbran­nt die Schilder aus, das erinnerte fast an ein Kunstproje­kt.

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