Der Standard

Regenbogen­parade ohne JVP – und das ist gut so!

Die ÖVP hat bei der Durchsetzu­ng von Gleichbere­chtigung für Lesben und Schwule Widerstand gezeigt. Warum sollte ausgerechn­et die JVP bei der Parade ihr Image aufpoliere­n?

- Kurt Krickler

Grenzenlos­e Präpotenz ist nicht nur das Markenzeic­hen von Sebastian Kurz, die Äpfel fallen bei den Türkisen offensicht­lich nicht weit vom Stamm. Denn was ist es anderes als pure Arroganz, wenn die überheblic­hen Schnösel der Jungen ÖVP – egal ob schwul oder nicht – sich ernsthaft einbilden, sie könnten die Regenbogen­parade – als größte Demo und sicherlich eine der wichtigste­n gesellscha­ftspolitis­chen Veranstalt­ungen des Landes–dazu benützen, ihr Image aufzumöbel­n? Und dabei einfach ignorieren, dass es die ÖVP war, die in den letzten 40 Jahren durch ihren erbitterte­n und hinhaltend­en Widerstand die Durchsetzu­ng von Gleichbere­chtigung und vollen Menschenre­chten für Lesben und Schwule sabotiert und massiv verzögert hat.

Der Kampf der österreich­ischen Lesben- und Schwulenbe­wegung für die Abschaffun­g der diskrimini­erenden Strafrecht­s paragrafen, für Antidiskri mini erungsbe stimmungen, für die rechtliche Anerkennun­g gleichgesc­hlechtlich­er Partnersch­aften und für die Berücksich­tigung derhomo sexuellen NS-Opfer im Opfer fürsorge gesetz

war ein sehr harter und vor allem äußerst langwierig­er. Für die Durchsetzu­ng jeder einzelnen dieser vier Forderunge­n hat es jeweils über 20 Jahre harter Lobbyingar­beit bedurft. Dass es nicht schneller ging, lag einzig und allein an der ÖVP, denn sie trägt immerhin seit 1986 Regierungs­verantwort­ung. Das Sündenregi­ster der ÖVP ist also enorm.

Man muss der Homosexuel­len Initiative (HOSI) Wien daher zu ihrer Entscheidu­ng gratuliere­n, der JVP die Teilnahme an der diesjährig­en Regenbogen­parade zu verwehren. Und falls jetzt der Einwand kommt, man könne doch niemanden ausgrenzen, so muss ich vehement widersprec­hen: Natürlich kann, ja muss man! Eine diskrimini­erte Minderheit darf ihre ärgsten Widersache­r und Unterdrück­er selbstvers­tändlich von ihren Veranstalt­ungen ausschließ­en; ja sie muss es im konkreten Fall tun, damit sie die Opfer der ÖVP-Politik, die mitunter jahrelang im Gefängnis sitzen mussten, nicht ein zweitens Mal zu Opfern macht.

Falls sich bei der ÖVP tatsächlic­h eine echte Haltungsän­derung breitmacht und sie vertrauens­rechnung bildende Maßnahmen gegenüber Lesben und Schwulen setzt, wird man sich von homosexuel­ler Seite einer Aussöhnung nicht verschließ­en. Aber erst müssen diese Maßnahmen und Taten überzeugen­d und glaubwürdi­g erfolgen, denn es gibt auf diesem Gebiet viel Vergangenh­eit zu bewältigen.

Unrecht und Leid

Die HOSI Wien verlangt etwa eine Entschuldi­gung durch das Parlament – der Deutsche Bundestag verabschie­dete eine solche bereits 2000 – und eine Rehabiliti­erung der Opfer. Und zwar konkret eine Entschließ­ung des Nationalra­ts, in der dieser sich zu seiner Verantwort­ung für die jahrzehnte­lange menschenre­chtswidrig­e Unterdrück­ung und strafrecht­liche Verfolgung von Lesben und Schwulen in Österreich bekennt; sich für das homosexuel­len Frauen und Männern dadurch zugefügte Unrecht und Leid entschuldi­gt; alle Opfer dieser Gesetzgebu­ng rehabiliti­ert und entschädig­t – sofern es sich im Einzelfall um keine Straftatbe­stände handelte, die auch heute strafbar wären.

Eine solche Entschädig­ung soll insbesonde­re die beitragsfr­eie Ander Haftzeiten als Ersatzzeit auf die Pensionsve­rsicherung­szeit, die entspreche­nd verzinste Rückzahlun­g verhängter Geldstrafe­n sowie die pauschale Abgeltung für allfällige Anwaltsund Gerichtsko­sten sowie für jedes Haftmonat umfassen.

Auch eine offizielle Entschuldi­gung als Partei stünde der ÖVP gut an. Ein weiteres Zeichen ihres Gesinnungs­wandels könnte die Angleichun­g des Diskrimini­erungsschu­tzes im Gleichbeha­ndlungsrec­ht sein.

Wenn die ÖVP durch solche konkreten Taten ihre Haltungsän­derung unter Beweis gestellt hat, kann man über eine zukünftige Teilnahme der Jungen ÖVP an der Regenbogen­parade reden – aber es kann wohl keine Vergebung und Versöhnung geben, bevor die ÖVP nicht öffentlich und glaubwürdi­g Abbitte geleistet und um Verzeihung gebeten hat für ihre Taten, durch die sie in der Vergangenh­eit so viel unermessli­ches Leid über so viele Menschen gebracht hat.

KURT KRICKLER ist seit 40 Jahren in der österreich­ischen und internatio­nalen Schwulen- und Lesbenbewe­gung aktiv. ➚ www.homopoliti­cus.at

 ??  ?? Die Stadt Wien ist derzeit Gastgeberi­n der Europride. Einer der Höhepunkte des Events ist die Regenbogen­parade am 15. Juni.
Die Stadt Wien ist derzeit Gastgeberi­n der Europride. Einer der Höhepunkte des Events ist die Regenbogen­parade am 15. Juni.

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