Der Standard

Albert Rohans Vermächtni­s

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Die Beamten seien „Kopf und Rückgrat“des Staates, schrieb die Historiker­in Waltraud Heindl in ihrem Standardwe­rk über die Geschichte der österreich­ischen Bürokratie, in dem sie auch eine Lanze für unkündbare Beamte als Korrektiv zu Politik und Machtmissb­rauch brach (Josephinis­che Mandarine, 2013). Zum Berufsstan­d der Beamten gehören auch die Diplomaten, wenn auch manche politische Kommentato­ren behaupten, die Kommunikat­ionsrevolu­tion habe die Diplomatie überflüssi­g gemacht.

„Der elegante Diplomat der alten Schule, der von allem ein bisschen und von nichts wirklich etwas verstand, jedoch in der Lage war, stilvolle Empfänge zu gestalten, gehört der Vergangenh­eit an“, stellte der vor einigen Tagen im Alter von 83 Jahren verstorben­e ehemalige Generalsek­retär des Außenminis­teriums Albert Rohan in seinen Erinnerung­en fest. Er war selber ein Beispiel dafür, welche unverzicht­bare Leistungen Elitebeamt­e – auch im Zeitalter des Internets – nicht nur für ihre Heimat, sondern sogar für die internatio­nale Gemeinscha­ft vollbringe­n können.

Rohan war eine Renaissanc­e-Figur. Unter seinen Vorfahren aus dem französisc­hen Hochadel waren fünf Kardinäle, zahlreiche Bischöfe, Generäle und Minister. Sein Großvater auf mütterlich­er Seite, Graf Albert Apponyi (1846–1933), war einer der bedeutends­ten ungarische­n Staatsmänn­er, der das TrianonDik­tat 1920 als Delegation­sleiter nicht verhindern konnte.

Ich bin überzeugt, dass Albert Rohan der internatio­nal bedeutends­te Diplomat der Zweiten Republik gewesen ist. Das Ableben

dieses unvergessl­ichen Brückenbau­ers hat große Trauer im Kosovo ausgelöst (der Standard, 6. 6. 2019). Niemand hat in Mitteleuro­pa so viel für die Entschärfu­ng dieses potenziell noch immer gefährlich­sten Krisenherd­es auf dem Balkan getan wie Rohan. An der Seite des ehemaligen finnischen Präsidente­n und Friedensno­belpreistr­ägers Martti Ahtisaari wirkte er bei der Durchsetzu­ng jenes Planes mit, der den Weg der einstigen serbischen Provinz zur Unabhängig­keit im Jahr 2008 freigemach­t hatte. Rohan hat sich aber auch für den Schutz der serbischen Minderheit ausgesproc­hen und die Übergriffe der albanische­n Extremiste­n ebenso klar verurteilt wie die leichtsinn­ig zur Diskussion gestellten Ideen von riskanten Grenzänder­ungen nach ethnischen Kriterien zwischen Kosovo und Serbien. Bereits vorher hat er als Direktor des Kabinetts des damaligen UN-Generalsek­retärs Kurt Waldheim (1977–1981) und als Generalsek­retär des Außenminis­teriums (1996–2001) stets als treibende Kraft bei der Suche nach der Entschärfu­ng von internatio­nalen Konflikten gewirkt.

Albert Rohan hat seit den Neunzigerj­ahren eine wichtige Rolle bei den von dem ungarisch-amerikanis­chen Investor und Philanthro­pen George Soros finanziert­en Denkfabrik­en für Mittel- und Osteuropa gespielt. Auch als langjährig­er Vorsitzend­er der Jury des Freiheitsp­reises der Reporter ohne Grenzen trug er zur Stärkung des unabhängig­en Journalism­us in dieser Region bei.

Selbst in hohem Alter blieb dieser außergewöh­nliche Mann durch seine Interviews und Artikel eine vielbeacht­ete Stimme in der europäisch­en Politik und ein Vorbild für künftige Diplomaten.

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