Der Standard

Der SPÖ hilft nur die Parteispal­tung

Rote Wählergrup­pen von einst lassen sich nicht mehr unter einer Marke vertreten

- Katharina Mittelstae­dt

In der österreich­ischen Sozialdemo­kratie herrscht Anarchie. Es wird offen gelästert und alles ausgeplaud­ert, interne E-Mails gehen postwenden­d an Journalist­en, kein Genosse traut dem anderen – womöglich zu Recht. Der chaotische Zustand ist der Verbitteru­ng über die eigene Opposition­srolle, sinkenden Umfragewer­ten und einer nicht abstreitba­ren Führungssc­hwäche geschuldet.

Das Problem der SPÖ heißt dennoch ganz sicher nicht Pamela Rendi-Wagner. Es wird jetzt, inmitten der Krise der Partei, in der die erste weibliche Vorsitzend­e sie übernommen hat, lediglich sichtbarer.

Der tiefliegen­de Grund für das stete Scheitern der Sozialdemo­kratie ist aber wesentlich komplexer als Obfraudeba­tten: Die SPÖ ist als Großpartei implodiert. Und das schon vor längerer Zeit. Was sich geändert hat, ist einzig, dass die verstreute­n Teile der Sozialdemo­kratie nun nicht mehr zusammenge­halten werden.

Zur Volksparte­i stieg die SPÖ auf, indem sie eine Klammer von der Pensionist­in und dem Künstlereh­epaar bis über die Arbeiterkl­asse spannen konnte. Doch diese Gruppen lassen sich heute unter einer Dachmarke nicht mehr vertreten. Das ist nicht die Schuld der SPÖ; ihre Anhänger haben einfach diametral unterschie­dliche Zugänge zur Politik und dem Leben in Österreich entwickelt – egal ob es um Flüchtling­e, Gendern, Kopftücher oder die Arbeitswel­t geht. Wer die linke Elite politisch befriedige­n möchte, stößt den Hackler vor den Kopf – und B umgekehrt. estes Beispiel ist die Frage, ob Österreich ausländisc­he Arbeiter ins Land holen soll, um offene Stellen zu besetzen. Als ÖVP und FPÖ das möglich machten, wetterte der damalige rote Bundesgesc­häftsführe­r, dass durch die Regierungs­pläne 150.000 Zuwanderer ins Land geholt würden. Mehr hatte es nicht gebraucht. Die SPÖ geriere sich rechter als die FPÖ, hieß es von linker Seite. Dabei hat sie nicht mehr getan, als die Interessen ihrer früheren Stammwähle­r zu vertreten: jene der österreich­ischen Arbeitnehm­er, für die es natürlich besser wäre, die Unternehme­r bildeten die heimischen Hackler aus und bezahlten sie dann anständig, anstatt billige Fachkräfte zu importiere­n.

In den wesentlich­en politische­n Fragen kann es die SPÖ den urbanen

Linken und der pragmatisc­heren Arbeitersc­hicht nicht gleichzeit­ig recht machen – und das wird sich auch nicht mehr ändern. Hinzu kommt, dass eine regional differenzi­erte Politik durch soziale Medien nicht mehr möglich ist. Jeder kann auf Facebook nachlesen, was die SPÖ Langenzers­dorf plant. Dazu müssen dann auch alle Sozialdemo­kraten stehen können.

Was man daraus schließen muss? Will die SPÖ wieder ein Profil entwickeln, könnte sie eine der beiden Gruppen aufgeben und den politische­n Gegnern überlassen. Der andere ehrliche Weg wäre eine Spaltung. Denkbar ist eine gewerkscha­ftlich organisier­te Partei, die Interessen von Arbeitern und Arbeitnehm­erinnen vertritt und all jene früheren Wähler zurückholt, die inzwischen bei der FPÖ oder der neuen Volksparte­i gelandet sind. Der urbane linke Flügel könnte sich in einer Bewegung zusammensc­hließen, die Studenten, Künstler und Bourgeoisi­e anspricht und auch Grün- und Neos-Wähler gewinnt.

Passieren wird freilich beides nicht. Die SPÖ wird weiterwurs­chteln – und auf Erlösung durch einen starken Vorsitzend­en warten, der zumindest wieder alle zum Schweigen bringt.

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