Bangen um Grazer Archivgut
Über 90 Historiker warnen vor neuer Archivordnung
Das Archiv ist der Ort des kollektiven Gedächtnisses der Stadt und somit nicht nur für die Fachwissenschaft von Relevanz, sondern in hohem Maß auch für die breite Öffentlichkeit der Grazer Bürgerinnen und Bürger“, heißt es in einem Brief, den über 90 Historikerinnen und Historiker fast aller österreichischen Universitäten, Institutionen wie dem Haus der Geschichte sowie Vertreter von Stadt- und Landesarchiven, der Grazer Stadtregierung geschickt haben. Sie sind alarmiert ob der Pläne der Stadt, ihre Archivordnung zu ändern. Und zwar unter anderem dahingehend, dass künftig Beamte und nicht wissenschaftliches Personal die Archivwürdigkeit von Dokumenten beurteilen sollen.
Unterzeichnet haben den Brief an Bürgermeister Siegfried Nagl (ÖVP), seinen Vize Mario Eustacchio (FPÖ) und die Stadträte von SPÖ, KPÖ und Grünen etwa Oliver Rathkolb, Helmut Konrad, Ursula Mindler-Steiner, Karin Schmidlechner-Lienhart, Heidemarie Uhl oder Günter Cerwinka. Sie halten fest, dass die Pläne „in
fachwissenschaftlichen Kreisen inner- und außerhalb der Grazer Forschungslandschaft Diskussionen und Kritik ausgelöst“haben. Neben der Notwendigkeit, ausgebildeten Archivaren die Beurteilung von Quellen zu überlassen, betonen sie, dass digitalisierte Dokumente in der Forschung „nie die Auseinandersetzung mit Originaldokumenten ersetzen“könnten.
Thomas Winkelbauer, Direktor des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung der Uni Wien, schloss sich dem Protest am Donnerstag in einer Mail an Nagl an. Er warnt, dass die Pläne „diametral den Grundsätzen der modernen Archivwissenschaft und den Bedürfnissen der Geschichtswissenschaft“widersprächen und „inakzeptabel“seien.
In einer Aussendung reagierte Magistratsdirektor Martin Haidvogl für die Stadt auf die Kritiker: „Es gibt keine Projekte in der Warteschlange, die eine ersatzlose Digitalisierung von archivwürdigen Papierakten vorsehen“, so Haidvogl, „sollte so eine Entscheidung anstehen, wird sie sicher erst nach ausführlicher Diskussion getroffen werden“. Unter Einhaltung aller Richtlinien.