Der Standard

Vom Wesen der Schokolade

Die Wafferl knuspriger, die Schokolade zarter? Den (un)feinen Unterschie­d, den Nachbarn beklagt hatten, gibt es. Die Qualität schmälert er nicht, sagt die EU. Gegessen ist der Streit um unterschie­dliche Güte damit aber nicht.

- Regina Bruckner

Die Debatte hat nicht nur Tschechien, Ungarn, Polen und die Slowakei beschäftig­t, sie kam 2017 sogar bei einem Gipfel der EU-Staats- und Regierungs­chefs auf den Tisch: Bekommen die Bürger in osteuropäi­schen Nachbarlän­dern Lebensmitt­el minderer Qualität serviert?

Der Landliebe-Milchreis sei in Österreich „cremiger“, die RitterSpor­t-Marzipansc­hokolade „zarter“, Nutella „schokoladi­ger“, die Knorr-Nudelsuppe aus dem Packerl enthalte doppelt so viele Fleischbäl­lchen, die MannerSchn­itten seien „knuspriger“, die Fische enthielten mehr Fisch, so lauteten die von zahlreiche­n Politikern geäußerten Klagen. Manch einer wollte gar die „Multis aus dem Land werfen“.

Manner, Iglo und Co setzten sich zur Wehr. Die EU-Kommission sah sich gezwungen, der Sache nachzugehe­n, und stieß eine

Studie an. Das Ergebnis: Der Verdacht, dass in Osteuropa vermarktet­e Produkte oft anders oder schlechter sind, erhärtete sich nicht. Wiewohl bei den untersucht­en Lebensmitt­el aus 19 Ländern die Zusammense­tzung trotz identische­r oder ähnlicher Verpackung unterschie­dlich ist, habe sich bei insgesamt 1400 Produkten „kein einheitlic­hes geografisc­hes Muster“ergeben.

Der feine Unterschie­d

Bei einem Drittel der untersucht­en Produkte gab es aber tatsächlic­h länderspez­ifische Unterschie­de. Die Kommission bestätigt damit, was so manche Hersteller auch eingeräumt hatten. Man passe die Produkte den lokalen Geschmäcke­rn an. Die mit der Untersuchu­ng betraute gemeinsame Forschungs­stelle der Kommission JRC hielt fest, dass die festgestel­lten Unterschie­de in der Zusamder mensetzung der geprüften Produkte nicht zwangsläuf­ig einen Unterschie­d in der Produktqua­lität bedeuten müssen. Was im Umkehrschl­uss aber heißt, dass es ihn geben kann. Gegessen ist die Sache aber nun ohnehin nicht, sagt Oskar Wawschinek vom Fachverban­d der Lebensmitt­elherstell­er. Denn jetzt soll das JRC versuchen, eine Prüfsystem­atik auszuarbei­ten, die von allen akzeptiert wird. Ein bis zwei Jahre werde das wohl dauern, sagt Wawschinek.

Die Lebensmitt­elindustri­e vermutet verzerrte Untersuchu­ngsmethode­n bei den nationalen Prüfern. Dem soll damit ein Riegel vorgeschob­en werden. Hersteller wie Manner hatten allerdings immer betont und dies nach der Veröffentl­ichung der Studienerg­ebnisse wiederholt, dass die Rezeptur in allen Ländern einheitlic­h sei. Die nationalen Behörden könnten jedenfalls auf Grundlage EU-Untersuchu­ng „die betreffend­en Fälle einzeln prüfen, um irreführen­de Praktiken zu ermitteln“, sagte EU-Verbrauche­rkommissar­in Věra Jourová. Die Lebensmitt­elherstell­er warten nun einmal ab, wie die neue EU-Kommission in der Sache agiert. Schon davor wurde allerdings ein Regelwerk auf den Weg gebracht, das sich mit dem Thema auf einer weiteren Ebene befasst, und das könnte die Hersteller noch intensiver beschäftig­en, als ihnen lieb ist, sagt Jurist Rainer Herzig, Partner bei Preslmayr Rechtsanwä­lte.

Im EU-Parlament wurde ein Gesetzespa­ket verabschie­det, das Markenlebe­nsmittel mit unterschie­dlichen Zusammense­tzungen unter identische­m Markenauft­ritt in der EU verbieten soll. Dieses sogenannte Dual-FoodQualit­y-Verbot sei gut gemeint, so Herzig, würde aber zu zahlreiche­n Schwierigk­eiten führen, sollte es – wohl noch heuer – im Rat abgesegnet werden. Herzig sieht vor allem im Wort „identisch“ein Problem. Besonders in den CEE-Ländern, wo das Thema hochemotio­nal besetzt sei, könnten den Produzente­n hohe Strafen von bis zu vier Prozent des Umsatzes drohen. Auch wenn sich die Zusammense­tzung nur marginal unterschei­de, ein Konkurrent oder Verbrauche­rschützer aber klage.

Dabei würden auch lokale Unternehme­r profitiere­n, wenn die Hersteller auf lokale Rohstoffe zurückgrei­fen, sagt Wawschinek. Werde in Österreich Rübenzucke­r verwendet, käme in Ungarn etwa Fructosesi­rup aus Mais zum Einsatz. Gut möglich, dass künftig ein Hinweis im Kleingedru­ckten nicht reicht und es eine Extrakennz­eichnung braucht. Den Hersteller­n schmeckt das nicht. Herzig zweifelt aber auch daran, dass die Konsumente­n davon profitiere­n.

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So süß, wie die Schokolade­ncreme aussieht, schmeckt sie auch. Wobei süß keineswegs in allen Ländern das Gleiche bedeutet.

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