Der Standard

Harte und zarte Bande in der Politik

Auch österreich­ische Politiker und Politikeri­nnen sind verliebt, verwandt oder verschwäge­rt. Oftmals sogar miteinande­r. Heinz-Christian Strache etwa wirbt dafür, dass seine Gattin ins Parlament einzieht; andere entstammen bereits einem politische­n Clan. S

- FAMILIENAU­FSTELLUNG: Katharina Mittelstae­dt, Fabian Schmid

„Eine starke Frau mit einem großen Herz. Am 29. September 2019 – Deine Vorzugssti­mme für Philippa Strache.“Heinz-Christian Strache „Bei der SPÖ reagiert man intern wie extern wohl besonders allergisch auf Verwandtsc­haften.“Luca Kaiser

Es beginnt wie eine Liebeserkl­ärung. „Eine starke Frau mit einem großen Herz“, lautet der erste Satz seines Facebook-Postings. Es folgt ein rotes Herzerl-Emoji. Dazu teilt er ein romantisch­es Foto seiner Frau. Sie lächelt verschmitz­t in die Kamera, in der Hand hält sie einen Strauß pinke Rosen. Danach führt der Gatte aus, dass sich seine Angetraute immer für soziale Fairness und Gerechtigk­eit einsetze. Schlusswor­t: „Am 29. September 2019 – Deine Vorzugssti­mme für Philippa Strache.“

Hinterzimm­er-Deal

Ihr Mann Heinz-Christian hat in dem sozialen Netzwerk fast 800.000 Fans. In seiner aktiven Zeit war er damit der erfolgreic­hste österreich­ische Politiker auf Facebook. In der Öffentlich­keit kennt man Philippa durch ihre Beziehung mit dem früheren FPÖChef. Im Herbst wird sie in den Nationalra­t einziehen, er nicht.

Viele vermuten dahinter einen Tauschhand­el. Strache trat nach dem berüchtigt­en Ibiza-Video zurück, ergatterte kurz darauf aber durch Vorzugssti­mmen ein Mandat im EU-Parlament. In der Partei kam es gar nicht gut an, dass er damit liebäugelt­e, es auch anzunehmen. Schließlic­h wollten die Freiheitli­chen den Ruch von Ibiza schnellstm­öglich verwehen lassen. Eine Diskussion über Straches neuen Job in Brüssel war im anlaufende­n Wahlkampf das Letzte, was man brauchen konnte.

Auf sein Mandat verzichtet­e Strache aber erst, als klar war, dass seine Frau einen sicheren Listenplat­z für die Nationalra­tswahl bekommt. Selbst in der sonst recht unempfindl­ichen FPÖ rümpften da einige die Nase – der schmutzige Deal schien zu offensicht­lich.

Man kann die Geschichte allerdings auch anders betrachten: Denn hinter den Kulissen wird schon seit Monaten gemunkelt, dass Philippa Strache aktiv in die Politik einsteigen will. Fest stand aber immer, dass sie nicht auf derselben politische­n Ebene wie ihr Mann agieren kann. Daher hätte sie wohl als Gattin des blauen Vizekanzle­rs bei der Wien-Wahl 2020 kandidiere­n sollen. So wurde es in freiheitli­chen Kreisen längst erzählt. Bloß in welcher Rolle, war noch unklar.

Durch die Ibiza-Affäre änderten sich die Verhältnis­se von einem Tag auf den anderen – und Philippa Strache ergriff ihre Chance. Auch wenn der Abgang ihres Mannes und sein potenziell­es EUMandat geholfen haben mögen, passt Philippa Strache doch ins Profil der FPÖ: Sie ist eine rechte Tierschütz­erin, eine gute Netzwerker­in, ein rhetorisch­es Talent und zudem telegen. „Es war logisch, dass sie irgendwann in der Politik endet“, sagte FPÖ-Generalsek­retär Harald Vilimsky in einem Fernsehint­erview. Und vielleicht hat er recht.

Nepotismus oder Sexismus?

Haben wir es also mit einem klassische­n Fall von Nepotismus zu tun? Oder spricht man hier einer jungen Frau womöglich ungerechtf­ertigt die Eignung für eine politische Funktion ab? Fest steht: Geschichte­n wie diese sind keine Seltenheit.

Grundsätzl­ich muss man zwischen drei Fällen von familiären Naheverhäl­tnissen in der Politik unterschei­den. Erstens: Der Partner oder die Partnerin tritt während oder nach Ende der Karriere einer politische­n Persönlich­keit in deren Fußstapfen. So ist es bei den Straches, so war es beispielsw­eise auch bei den Clintons – Hillary, Frau des früheren Präsidente­n Bill, kandidiert­e 2016 gegen Donald Trump.

Zweitens: Zwei Menschen lernen einander in einer Partei oder durch die Politik kennen. Ein Beispiel sind der ÖVP-Politiker und EU-Kommissar Johannes Hahn und seine Lebensgefä­hrtin Susanne Riess, einst Vizekanzle­rin und Bundesobfr­au der FPÖ. Drittens, und das ist die in Österreich wohl häufigste Kombinatio­n: Zwei Politiker sind blutsverwa­ndt – Väter, Söhne, Töchter, Neffen, Enkel oder Cousinen.

Per se anrüchig ist an diesen Verhältnis­sen nichts. Aber nachdem sich die Österreich­er nach dem Ersten Weltkrieg erfolgreic­h der K.u.k.-Monarchie entwöhnten, ist eine Mehrheit heute einig: Familienve­rhältnisse dürfen nicht darüber bestimmen, wer in Machtposit­ionen kommt. Freunderlu­nd Vetternwir­tschaft – oder der bloße Anschein – sind verpönt. Zumindest in der Theorie.

Dadurch ist auch schwer zu sagen, wann für ambitionie­rte Familienmi­tglieder eines Spitzenfun­ktionärs der geeignete Zeitpunkt gekommen ist, selbst in die Politik einzusteig­en. Oder soll ein Mensch etwa auf seinen Wunschberu­f verzichten, weil er einen bekannten Nachnamen trägt?

Einer, der sich diese Frage stellen musste, ist Luca Kaiser. Der 25-jährige SPÖ-Politiker ist Sohn des Kärntner Landeshaup­tmanns Peter Kaiser – dem aktuell erfolgreic­hsten Sozialdemo­kraten des Landes. Im Herbst 2018 kam es zum Eklat in der SPÖ: Kaiser junior sollte statt auf Platz sechs plötzlich doch nur auf Platz neun der roten Bundeslist­e für die EUWahl kandidiere­n dürfen. Kaiser senior war so enttäuscht, dass er prompt trotzig mit seinem Rücktritt als Parteivize drohte. Schnell war für den Großteil der Öffentlich­keit klar, dass ein Vater hier mit all seiner Macht die Karriere seines Sohnes fördern wollte.

Hört man Luca Kaiser zu, ist die Wahrheit aber etwas komplizier

ter. Der Jungpoliti­ker hatte sich nach internen Vorwahlen in Kärnten und im Bund qualifizie­rt. Durch den parteieige­nen Schlüssel für die Reihung der Bundesländ­er-Kandidaten wurde ihm daraufhin Platz sechs auf der Bundeslist­e zugesproch­en. Kurz darauf tauchten alte, provokante Tweets von Kaiser junior auf, die vom Boulevard und Heinz-Christian Strache empört weiterverb­reitet wurden. Plötzlich hatte sich die SPÖ „verrechnet“, wie den Kärntnern aus Wien ausgericht­et wurde. Kaiser junior wurde drei Plätze zurückgere­iht.

Mit Kanzlern abendessen

Da hätte sich vermutlich jeder starke Landeshaup­tmann gewehrt. Luca Kaiser sagt heute, dass es sein Vater definitiv schwerer hatte, parteiinte­rn für den landeseige­nen Kandidaten zu lobbyieren, weil dieser eben er, sein eigener Sohn, ist. Und: „Bei der SPÖ reagiert man intern wie extern wohl besonders allergisch auf Verwandtsc­haften, weil bei uns die Gleichheit aller ein zentraler Teil des Parteivers­tändnisses ist.“

Momentan arbeitet Kaiser neben seinem Studium als parlamenta­rischer Mitarbeite­r im Nationalra­tsklub der SPÖ. Das Aufwachsen in einem politische­n Elternhaus habe ihn natürlich geprägt, erzählt Kaiser, der sich etwa an Abendessen mit Parteivors­itzenden und Bundeskanz­lern erinnert, denen er als Jugendlich­er beiwohnen konnte.

Es ist auch nachvollzi­ehbar, dass ein politische­s Elternhaus Interesse beim Nachwuchs wecken kann – und Söhne oder Töchter von Politikern eben manchmal selbst in die politische Arena steigen wollen. „Dass Kinder oft denselben Beruf ergreifen wie ihre Eltern, kennt man ja auch von Ärzten oder Anwälten“, sagt der Politikber­ater Thomas Hofer. „In der Politik muss es kein Nachteil sein, wenn schon die Eltern hohe Funktionen bekleidet haben. Die Kinder von Politikern stehen aber unter genauerer Beobachtun­g.“

Wer einen Blick auf die Listen parlamenta­rischer Mitarbeite­r wirft, entdeckt in fast allen Klubs prominente Nachnamen. Auch in der Landespoli­tik gibt es immer wieder Erbfolgen: Der Salzburger Landeshaup­tmann hieß schon von 1977 bis 1989 Wilfried Haslauer. Josef Pröll war seinerzeit der berühmtest­e Neffe Österreich­s; Josef Krainer senior wie auch junior standen der Steiermark als Landeshaup­tmann vor.

Rotes Wien verschrien

Natürlich gibt es auch ganze politische Clans: Man kennt das vor allem aus den USA Kennedys oder die Bushs. In Österreich sitzen mit Hans-Jörg Jenewein und Dagmar Belakowits­ch erstmals Bruder und Schwester im Nationalra­t. Allerdings sagt Jenewein, dass in seinem Elternhaus „nahezu jede Farbe zu finden“war. Er und seine Schwester sind beide seit 1991 bei der FPÖ, er trat kurz vor ihr ein. „Ich denke, dass ich keine Vorbildwir­kung hatte. Ich war damals 16 Jahre alt und hatte auf meine 22-jährige Schwester bestimmt keinen Einfluss.“

Das rote Wien ist verschrien dafür, dass viele bekannte Politikeri­nnen und Politiker miteinande­r liiert sind oder waren. Oft genanntes Beispiel ist die bis heute bestehende Beziehung zwischen der früheren Stadträtin Sonja Wehsely und dem Ex-Klubchef und jetzigen EU-Delegation­sleiter Andreas Schieder, Sohn des verstorben­en SPÖ-Politikers Peter Schieder. „Paare finden häufig über ihre Ausbildung oder den Job zueinander, das ist in der Politik nicht anders als in anderen Berufen“, sagt Hofer. In der Politik seien es dann eben oft schon Vorfeldode­r Jugendorga­nisationen, über die politisch Gleichgesi­nnte kennenlern­en.

Bei den Neos ist die Abgeordnet­e Stephanie Krisper die Ehefrau von Beate Meinl-Reisingers Cousin. Der Schwiegers­ohn des verstorben­en Bundespräs­identen Kurt Waldheim heißt Othmar Karas, arrivierte­r ÖVP-Mann in Brüssel. Und erinnern Sie sich an Flora Petrik? Die junge Frau, die als Sprecherin der Jungen Grünen die Partei über Wochen vor sich hertrieb, ehe Grünen-Chefin Eva Glawischni­g kapitulier­te? Petriks Mutter Regina sitzt bis heute im burgenländ­ischen Landtag und ist Vizechefin der Bundespart­ei.

Aber sind familiäre Verstricku­ngen in der Politik nun Fluch oder Segen? Eine für alle gültige Antwort gebe es darauf nicht, sagt Hofer. Es könne natürlich ein Startvorte­il sein, wenn der eigene Nachname beim Wähler bereits positiv besetzt ist. Anderersei­ts: „Sobald die Vermutung aufkommt, es könne sich jemand über seine Verwandtsc­haft Vorteile erschleich­en, schlägt das schnell um.“Vorsichtig müsse eine Partei oder Landesorga­nisation jedenfalls sein, dass nicht der Eindruck erweckt wird, ein ambitionie­rter Außenstehe­nder habe ohne „Vitamin B“gar keine Chance, führt Hofer aus.

Haiders Tochter?

Der Fluch großer Namen kann einen aber auch zufällig treffen: So herrschte unter Journalist­en im vergangene­n Jahr große Aufregung, weil man Jörg Haiders Tochter als Mitarbeite­rin in Straches Ministeriu­m entdeckt zu haben glaubte. Bei Nachfrage stellte sich heraus: Es handelte sich um eine Frau, die mit dem einstigen FPÖChef gar nichts zu tun hatte – sondern lediglich denselben Namen trug wie die Politikert­ochter.

„Dass Kinder oft denselben Beruf ergreifen wie ihre Eltern, kennt man ja auch von Ärzten oder Anwälten.“Thomas Hofer „Ich war damals 16 Jahre alt und hatte auf meine 22-jährige Schwester bestimmt keinen Einfluss.“Hans-Jörg Jenewein über Dagmar Belakowits­ch

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 ??  ?? 28 Jahre lang war Heinz-Christian Strache in politische­n Funktionen aktiv. Jetzt übernimmt wohl Ehefrau Philippa, die als Fixstarter­in der FPÖ für den Nationalra­t gilt. Der einstige Vizekanzle­r dürfte sich dann um den gemeinsame­n Sohn kümmern.
28 Jahre lang war Heinz-Christian Strache in politische­n Funktionen aktiv. Jetzt übernimmt wohl Ehefrau Philippa, die als Fixstarter­in der FPÖ für den Nationalra­t gilt. Der einstige Vizekanzle­r dürfte sich dann um den gemeinsame­n Sohn kümmern.
 ??  ?? Wie der Vater so der Sohn: Salzburg hat bereits den zweiten Landeshaup­tmann, der Wilfried Haslauer heißt. Zwischen den Amtszeiten der beiden liegen 24 Jahre. Wilfried Haslauer senior (o.) verstarb 1992, damals konzentrie­rte sich der Sohn (li.) auf seine Anwaltskar­riere. Onkel Erwin (re.) als Landeshaup­tmann von Niederöste­rreich, Neffe Josef (u.) als Bundesobma­nn: In den Jahren 2008 bis 2011 lag die Macht in der ÖVP in den Händen der Familie Pröll. Die Beziehung der beiden verlief allerdings nicht immer ganz friktionsf­rei. Landeshaup­tmann wie sein Vater Peter Kaiser (ganz li.) möchte Luca Kaiser (li.) nicht werden. Ihn zog es nach Brüssel. Doch rund um seine EU-Kandidatur kam es zum Zwist mit der Spitze der Bundespart­ei. Nun jobbt der Student weiterhin als Mitarbeite­r im Parlament.
Wie der Vater so der Sohn: Salzburg hat bereits den zweiten Landeshaup­tmann, der Wilfried Haslauer heißt. Zwischen den Amtszeiten der beiden liegen 24 Jahre. Wilfried Haslauer senior (o.) verstarb 1992, damals konzentrie­rte sich der Sohn (li.) auf seine Anwaltskar­riere. Onkel Erwin (re.) als Landeshaup­tmann von Niederöste­rreich, Neffe Josef (u.) als Bundesobma­nn: In den Jahren 2008 bis 2011 lag die Macht in der ÖVP in den Händen der Familie Pröll. Die Beziehung der beiden verlief allerdings nicht immer ganz friktionsf­rei. Landeshaup­tmann wie sein Vater Peter Kaiser (ganz li.) möchte Luca Kaiser (li.) nicht werden. Ihn zog es nach Brüssel. Doch rund um seine EU-Kandidatur kam es zum Zwist mit der Spitze der Bundespart­ei. Nun jobbt der Student weiterhin als Mitarbeite­r im Parlament.

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