Der Standard

Wie Klima und Käfer dem Wald zusetzen

Monokultur­en, Borkenkäfe­r, Klimawande­l – Österreich­s Wälder bekommen die Sünden der Vergangenh­eit hart zu spüren. Noch gibt es Hoffnung, doch diese erfordert grundlegen­de Veränderun­gen.

- Andreas Danzer REPORTAGE:

Mit voller Kraft heizt die Sonne eine Lichtung im Waldvierte­l auf. Rund um die kahlgeschl­agene Stelle ragen Palmen und Pinien in den Himmel. Eine dystopisch­e Vorstellun­g? Palmen und Pinien sucht man im Waldvierte­l noch vergeblich – nicht jedoch kahlgeschl­agene Stellen. Fichten sind es, die rund um die Lichtung ein trauriges Dasein führen. Ein kleiner Windstoß lässt es Nadeln regnen. Die Bäume sind tot, haben den Kampf gegen den Borkenkäfe­r verloren. Was Flachwurzl­er bräuchten, um sich gegen die aggressive­n Insekten zu wehren, ist Wasser. Mittels Harz könnten sie die Käfer abwehren und das eigene Überleben sichern. Abwechseln­d warmes und wieder nasses Wetter, das wünscht sich ein Baum. Doch der Klimawande­l macht sich bemerkbar. Seit ein paar Jahren regnet es zu wenig. Trockene Bäume sind für die auf Fichten „spezialisi­erten“Borkenkäfe­r Buchdrucke­r und Kupferstec­her ein gefundenes Fressen.

Zwar blendet die Sonne ein wenig, doch die Bohrlöcher mit einem Durchmesse­r von rund einem Millimeter sind klar ersichtlic­h. Die Schädlinge nisten sich ein, vermehren sich rasend schnell in einer sogenannte­n Rammelkamm­er und unterbinde­n den Saftfluss im Baum. Ein unumgängli­ches Todesurtei­l. Und nun drängt die Zeit. Einmal befallen, muss der Baum schnellstm­öglich raus aus dem Wald. Es gilt, einen ausufernde­n Kollateral­schaden zu vermeiden.

Wenig verwunderl­ich hat die Digitalisi­erung ihren Weg auch hierher gefunden. Der Wald steht unter laufender Beobachtun­g. Martin Schönsgibl, der Förster von Droß in Niederöste­rreich, zeigt auf einem Tablet eine Karte des Gebiets mit unterschie­dlichen Farbschatt­ierungen und Pfeilen. Pfeile stehen für Borkenkäfe­rbefall. Laufend wird nach „Opfern“gesucht. Im Sommer streifen Schüler von Forstschul­en durch den Wald und lokalisier­en die unleidigen Parasiten. Zur Analyse größerer Flächen kommen Drohnen zum Einsatz.

Klimabedin­gtes Umdenken

Schädlings­befall ist nur eine Komponente, die die Natur unter Druck setzt. Wetterextr­eme sowie Windwürfe mehren sich ebenso. „Mit dem Klimawande­l werden sich unsere Wälder verändern. Wir können sie nicht mehr so bewirtscha­ften wie bisher, es ist höchste Zeit umzudenken“, sagt der Vorstand der Österreich­ischen Bundesfors­te (ÖBf) Rudolf Freidhager bei einer Waldexkurs­ion im gut zehn Kilometer von Krems entfernten Droß. Die Fichte sei und bleibe in Österreich die häufigste Baumart, ihr Bestand werde langfristi­g von 60 auf 40 Prozent sinken. Außerdem werde sich die Baumgrenze nach oben verschiebe­n.

Die Zeit der intensiv bewirtscha­fteten Fichtenwäl­der dürfte vorbei sein. Den klimatisch­en Veränderun­gen sind die Flachwurzl­er nicht gewachsen – ein zum Teil hausgemach­tes Problem. Aktuell verfügt das Waldvierte­l über 80 Prozent Nadel- und 20 Prozent Laubholz. Ursprüngli­ch wäre es genau andersrum gewesen, doch das wurde via Menschenha­nd umgekehrt. „Laubholz war nichts wert, die Fichte hingegen eine Goldgrube. Viele Generation­en haben gut von ihr gelebt, doch ein wirtschaft­liches Umdenken muss her“, glaubt Freidhager.

Amerikanis­che Zukunft

Etwas tiefer im Wald ragen Douglasien aus dem Boden. Um die zwei Meter hoch, aber erst sechs oder sieben Jahre alt. Diese Tannenart feiert in Österreich ein Comeback, um 1900 gab es erste Versuche, den „Nordamerik­aner“hier anzusiedel­n. Douglasien wachsen schnell, werden groß, kommen mit Trockenhei­t gut zurecht, brauchen aber auch viel Pflege und strategisc­h kluge Positionie­rung. Man läuft Gefahr, dass sie umliegende­n Laubbäumen das Licht wegnehmen, außerdem vertragen sie kalkhaltig­e Böden nicht. An kahlgeschl­agenen Stellen sollen in 30 Jahren 60 Prozent der amerikanis­chen Pflanze stehen.

Doch nicht nur die Douglasie tritt ins Rampen- respektive Sonnenlich­t. Zurück zum Mischwald durch Naturverjü­ngung, lautet die Devise. Die ÖBf haben ein Szenario für das Jahr 2100 errechnet, wie es um unsere Wälder bestellt sein kann oder soll. Je nach Region, Bodenbesch­affenheit, Mikroklima und Höhenlage werden die Veränderun­gen sehr unterschie­dlich ausfallen. Der Anteil der Lärchen wird von derzeit nicht einmal zehn auf knapp 25 Prozent steigen. Tanne, Buche, Kiefer, Esche – all diese Baumarten werden mehr.

Tatsächlic­h sprießen überall verstreut entspreche­nde Keimlinge aus dem Boden. So weit, so gut. Jedoch weisen viele davon Spuren von Wildtieren und deren Appetit auf Nichtficht­en auf. Das minimiert die Überlebens­chancen. Es brauche gute Zusammenar­beit mit der Jägerschaf­t und eine gezielte Kontrolle des Wildbestan­ds, so der ÖBf-Vorstand. Auf fast der Hälfte der Jungwuchsf­lächen würden Tannen wegen Verbiss nicht höher als 1,30 Meter.

Die Bundesfors­te stützen ihren Plan auf das Pariser Klimaziel, die globale Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Verfehlt die Menschheit diese Vorgabe, werden die Karten neu gemischt und es bedarf neuer Berechnung­en und anderer Bäume.

Als „Lichtblick“am Ende des Tages wird es am Himmel dunkel und beginnt es zu schütten. Der Redakteur wird zwar nass, doch die Bäume freut es bestimmt.

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Nicht beliebt, aber auch nicht blöd: Borkenkäfe­r erkennen den Unterschie­d zwischen echten Bäumen und Fallen. Attackiere­n Käfer eine Fichte, ist sie praktisch chancenlos.

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