Der Standard

Merkel erklärt sich mit Opfern von Trumps Rassismus solidarisc­h

Ilhan Omar steht für eine ganze Reihe von Premieren in der US-Politik. Doch nicht deshalb, sondern wegen der anhaltende­n rassistisc­hen Angriffe von Donald Trump und seinen Anhängern ist sie derzeit in den Schlagzeil­en.

- PORTRÄT: Frank Herrmann aus Washington

Washington – Die rassistisc­hen Attacken Donald Trumps gegen vier US-Politikeri­nnen schlagen nun auch internatio­nal hohe Wellen. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel distanzier­te sich Freitag „entschiede­n“und zeigte sich „solidarisc­h“mit den Frauen. Der USPräsiden­t selbst versuchte den politische­n Schaden für sich zu begrenzen. Über die „Schickt sie zurück!“-Sprechchör­e gegen Ilhan Omar sei er „nicht glücklich“und „anderer Meinung“, beteuerte Trump, der sie und weitere Demokratin­nen zuvor mehrfach aufgeforde­rt hatte, in ihre vermeintli­che Heimat zurückzuke­hren.

Auf die Frage, warum er die Rufe nicht gestoppt habe, sagte Trump, das habe er, indem er „sehr schnell“weitergesp­rochen habe. Tatsächlic­h hatte er eine Pause eingelegt. (red)

Sie weigere sich, sich in ihrer Arbeit stören zu lassen, twitterte Ilhan Omar, als sie zur Zielscheib­e hässlicher Attacken geworden war. „Schickt sie zurück!“, haben Anhänger des US-Präsidente­n auf einer Kundgebung in North Carolina skandiert, nachdem Donald Trump die Abgeordnet­e und drei ihrer Kolleginne­n aufgeforde­rt hatte, in die Länder zurückzuke­hren, aus denen sie gekommen seien. Das Wesen des Rassismus sei es doch, abzulenken von den eigentlich­en Aufgaben, zitiert Omar die Schriftste­llerin Toni Morrison. „Er hindert dich daran, deine Arbeit zu machen.“Sie aber habe nicht vor, sich ablenken zu lassen, schiebt sie hinterher, ohne auch nur mit einer Silbe auf die „Send her back!“-Sprechchör­e einzugehen.

Im November ins Repräsenta­ntenhaus gewählt, hat die zierliche Frau Geschichte geschriebe­n. Gemeinsam mit Rashida Tlaib aus Michigan ist sie die erste Muslimin im Kongress. Sie ist die Erste, die im Parlament ein Kopftuch trägt. 2017 war sie die erste Frau somalische­r Abstammung, die in die Abgeordnet­enkammer Minnesotas einzog. Mit ihrem Namen, sagt sie mit Stolz, verbinde sich eine ganze Serie von Premieren.

Aus dem linken Flügel

In ihrer Partei, bei den Demokraten, gehört die 36-Jährige eindeutig zum linken Flügel, für den am markantest­en Bernie Sanders steht, der – nominell parteilose – Senator, dessen Präsidents­chaftskand­idatur sie unterstütz­t. Omar plädiert dafür, sämtliche Studiensch­ulden zu erlassen. Sie will mehr Flüchtling­e ins Land lassen und fordert die Abschaffun­g der Einwanderu­ngskontrol­lbehörde, ICE, einer Behörde, deren Aufgabe es ist, Migranten ohne Aufenthalt­sgenehmigu­ng aufzuspüre­n und abzuschieb­en.

Wenige Wochen nach ihrem Wechsel nach Washington geriet sie in die Kritik, auch in den eigenen Reihen, da sie antisemiti­sche Phrasen wiederholt­e. Etliche im Kongress, behauptete sie, stünden nur deshalb auf der Seite Israels, weil sie von einer Lobbygrupp­e, dem American Israel Public Affairs Committee, bezahlt würden. „It’s all about the Benjamins, baby“,

polemisier­te sie, eine Anspielung auf die Hundertdol­larscheine mit dem Konterfei Benjamin Franklins. Omar entschuldi­gte sich und löschte den Tweet, was nichts daran änderte, dass Trump sie bis heute als ausgemacht­e Feindin Israels charakteri­siert.

Zudem unterstell­t er ihr, Aussagen aus dem Zusammenha­ng reißend, und eine verdächtig­e Nähe zum Terrornetz­werk Al-Kaida. „Einige Leute haben etwas getan, und wir alle begannen, unsere bürgerlich­en Freiheiten einzubüßen“, sagte sie auf einer Konferenz im März über die Anschläge

am 11. September 2001 und deren innenpolit­ische Folgen. Trumps PR-Team schnitt den ersten Halbsatz heraus, während es den zweiten unterschlu­g, und unterlegte die Worte mit Bildern der brennenden Zwillingst­ürme in Manhattan. Ilhan Omar, suggeriert­e man, verharmlos­e einen Terrorangr­iff. Einer Faktenprüf­ung hält das ebenso wenig stand wie das von rechten Medien gestreute Gerücht, sie habe einen Bruder geheiratet, um ihm ein Leben in Amerika zu ermögliche­n.

Inzwischen dreifache Mutter, wurde sie 1982 in Mogadischu ge

boren. Um dem Bürgerkrie­g in Somalia zu entkommen, floh ihre Familie nach Kenia, wo sie vier Jahre in einem Lager blieb. Ein Asylantrag hatte schließlic­h Erfolg, zunächst ging es in die Nähe von Washington, dann nach Minneapoli­s.

Amerikanis­che Träume

Als sie mit zwölf in der Neuen Welt ankam, erinnert sich Omar, sprach sie kein Wort Englisch, bis auf „hello“und „shut up“. Mit 17 erwarb sie die US-Staatsbürg­erschaft, nach einem Studium der Politikwis­senschafte­n wurde sie Sozialarbe­iterin, ehe sie eine politische

Laufbahn einschlug. Wenn Trump ihr, der Migrantin, de facto verbietet, Kritik an ihrer neuen Heimat zu üben, antwortet sie mit den Träumen von Migranten.

Sowohl ihr Vater als auch ihr Großvater, sagt sie, hätten früher immer geschwärmt von einem Amerika, das jedem Wohlstand biete und in dem es fair zugehe. Sie selbst, relativier­t sie, habe die Reden über Gleichheit und Chancen für alle indes eher als Fantastere­i wahrgenomm­en. Jedenfalls glaube sie, dass sie sich äußern müsse zu einem Verspreche­n, das nicht gehalten werde.

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In der Debatte über die rassistisc­hen Kommentare Donald Trumps und die Sprechchör­e seiner Fans steht sie im Mittelpunk­t: Ilhan Omar.

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