Der Standard

Grenzenlos wohnen

Die erste europäisch­e Wohnbaugen­ossenschaf­t Living in Metropolis­es will sich der Wohnungsno­t in Europas Städten annehmen

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Steigende Mieten, Wohnraum als Spekulatio­nsobjekt, Debatten über Mietendeck­el und Enteignung­en: Die Städte Europas ringen um leistbaren Wohnbau. Dabei wird nur am Rande darüber diskutiert, welche Organisati­onsform für die Leistbarke­it die beste ist. Hier liegt, wie eine länderüber­greifende Interessen­gruppe festgestel­lt hat, noch ungenutzte­s Potenzial.

Seit August 2006 besteht in der EU die Möglichkei­t, eine Europäisch­e Genossensc­haft (SCE) zu gründen. Diese kann von mindestens fünf juristisch­en oder natürliche­n Personen aus zwei verschiede­nen Mitgliedst­aaten des EWR gegründet werden und benötigt Gründungsk­apital von mindestens 30.000 Euro. Bisher haben nicht viele EU-Bürger von dieser Möglichkei­t Gebrauch gemacht, erst recht nicht im Wohnbau. Zwar gibt es europaweit rund 175.000 Genossensc­haften, doch diese sind praktisch alle auf lokaler und nationaler Ebene aktiv.

Das hat sich jetzt geändert: Denn im Mai 2018 gründete eine Gruppe von über 30 Personen aus Deutschlan­d, Frankreich, den Niederland­en und Österreich die erste europäisch­e Wohnungsba­ugenossens­chaft unter dem Namen „LiM – Living in Metropolis­es“. Ihr Ziel ist es, neben bezahlbare­n Mieten in den Metropolen Europas unkomplizi­erte Wohnungswe­chsel innerhalb Europas zu ermögliche­n.

„Entstanden ist die Idee vor etwa vier Jahren“, erklärt Architekt und LiM-Gründungsm­itglied Otto Höller, der in Wien, Berlin und Helsinki das Büro Tafkaoo Architekte­n leitet und Erfahrunge­n mit dem Wohnbau in mehreren europäisch­en Staaten gemacht hat. „Es ist eine durch und durch europäisch­e Idee, die von der länderüber­greifenden Vernetzung profitiert.“Das internatio­nale Know-how, das die Genossensc­haft über ihre Mitglieder ansammelt, soll als Anreiz für lokale Bauträger dienen, mit denen man kooperiert. Die Genossensc­haftsidee, so Höller, sei eine Ein Pilotproje­kt entsteht derzeit in Berlin-Köpenick. der besten Formen, leistbaren Wohnraum umzusetzen, da sie nicht auf Gewinnmaxi­mierung angelegt sei und generation­enübergrei­fendes, aber nicht spekulativ­es Eigentum sichere.

„Bei der aktuellen SCE-Neugründun­g wird ein auf Dauer angelegtes Unternehme­n mit sozialem, christlich­em und wohnreform­erischem Schwerpunk­t angestrebt“, erläuterte LiM-Vorstandsm­itglied Dirk Lönnecker in der Monatszeit­schrift Die Wohnungswi­rtschaft. Die Einnahmen von LiM sollen in Folgeproje­kte investiert werden.

Im Wohnangebo­t will sich LiM vor allem an Jüngere, mittlere Einkommens­schichten, Alleinerzi­ehende und Teilzeitbe­schäftigte wenden. Ein Pilotproje­kt mit 29 Wohnungen entsteht zurzeit in Berlin-Köpenick und soll 2020/21 fertiggest­ellt werden. Die nächsten beiden LiM-Projekte sind bereits in Helsinki und Riga in Planung.

Wettbewerb­e in Wien

In Österreich wartet man noch auf die Anerkennun­g als Genossensc­haft und will dann bei den Bauträgerw­ettbewerbe­n in Wien an den Start gehen. Mitglieder und Kooperatio­nspartner sucht man derweil in allen Ländern. Wer immer sich der Genossensc­haftsidee verbunden fühlt, sei als Mitglied der SCE willkommen.

Eine Idee, die über das rein Immobilien­wirtschaft­liche weit hinausgeht: Denn seit November 2016 ist die „Idee und Praxis der Organisati­on gemeinsame­r Interessen in Genossensc­haften“auf der „Repräsenta­tiven Liste des immateriel­len Kulturerbe­s der Menschheit“der Unesco eingetrage­n.

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