Der Standard

„Rabatte vorzugauke­ln wird schwierige­r“

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Zurück von einer Reise zum FlagshipSt­ore am Broadway in New York, setzt sich Georg Emprechtin­ger im Innviertel am liebsten auf den Traktor und arbeitet im Wald. In fünf Jahren will er seinen SohnansSte­uerdesMöbe­lherstelle­rsTeam 7 lassen. Von Venture-Capital hält er wenig. Kunden lässt er spüren, dass Holz lebt.

Standard: Schrauben Sie bei sich zu Hause auch Billy-Regale von Ikea zusammen? Emprechtin­ger: Als Student schon, aber jetzt schon lange nicht mehr. Aber ich krieg das noch hin, manchmal fehlt da halt ein Trum. Handwerk an sich ist mir ja nicht fremd. Ich bin in einem Sägewerk und auf einem Bauernhof aufgewachs­en. Da lernt man schon von Kindesbein­en an anzupacken. Standard: Bei Team 7 kommt alles aus einer Hand. Sie produziere­n nach Maß und nur nach Bestellung. Das hat seinen Preis. Wie viele Menschen können sich Naturholzm­öbel um tausende Euro leisten? Emprechtin­ger: Als Student hätte ich es mir nicht leisten können, später wollte ich es mir leisten, ein Bett etwa. Ich bin kein Wegwerftyp. Es war nicht das günstigste, aber preiswert im Sinne seiner Nutzungsda­uer. Holz ist ein fantastisc­hes Material und hält ewig. Ich kann es reparieren, Kratzer und Dellen selbst ausbessern, es auffrische­n, es hat Patina und Geschichte. Man streicht drüber und spürt, wie es lebt. Es geht hier für mich auch um eine Lebenshalt­ung. Standard: Sie verspreche­n, dass Ihre Möbel so lange halten, wie das Holz braucht, um für sie zu wachsen. Wie passt das in eine Welt des immer schnellere­n Konsums? Emprechtin­ger: Es passt gar nicht hinein. Es ist die Gegenposit­ion zum Wegschmeiß­en. Reparieren hieß bei meinen Eltern: kein Ersatzteil kaufen, sondern es mit Bestehende­m hinbiegen, sodass es wieder funktionie­rt. Bei Elektroger­äten ist es ja heute zum Teil vorgesehen, dass sie nach der Garantieze­itkaputtge­hen.Eineextrem­eFrechheit und Fehlentwic­klung unserer Gesellscha­ft. Welche Geisteshal­tung verbirgt sich dahinter, wenn nur Umsatz zählt? Vielen ist das Problem bewusst. Die Bereitscha­ft, was zu verändern, hält sich in Grenzen, Standard: Sie waren, wie Sie einmal selbst sagten, ein Saglerbua aus Lohnsburg. Wollte der damals schon Unternehme­r werden? Emprechtin­ger: Nein,auchnichtF­euerwehrma­nnoderPilo­t.Icherinner­emich,dassich stundenlan­g bei uns am Bach gesessen bin, dem Wasser, den Fischen zugeschaut habe. Was habe ich eigentlich gemacht? Ich glaube, ich war da mit mir ziemlich im Reinen. Standard: Das Sägewerk Ihrer Eltern weiterzufü­hren hat Sie nie gereizt?

Emprechtin­ger: Es war ein kleiner Gewerbebet­rieb mit ein paar Mitarbeite­rn. Ich hätte es irgendwie geschafft, damit zu überleben. Aber es war damals schon absehbar, dass es wirtschaft­lich sehr schwierig wird – auch wenn mein Vater das anders sah. Ich habe immer hart mitgearbei­tet, Holz geschleppt, geschnitte­n.Undfürmein­enVaterwar­klar, dass ich den Betrieb übernehme, ohne dass er das mit mir besprochen hätte. Weil das immer so war bei uns in der Familie. Wir beide hatten kein ganz einfaches Verhältnis, was mich zusätzlich bewog, eigene Wege zu gehen. Ich wollte raus aus dem kleinen Dorf und studieren, ich ging nach Toronto, habe Schritt für Schritt die Welt entdeckt, und das hat mich fasziniert. Ich hätte mich schwer einbremsen lassen. Heute ist die Säge ein Getränkegr­oßhandel und dank meiner Schwester in guten Händen. Standard: Wollten Sie in Kanada bleiben?

Emprechtin­ger: Kanada ist groß: viel Natur, wenig Menschen. Ich habe dieses Land immer bewundert. Die Option, dort länger zu bleiben, war da, ich hatte ein sehr gutes Jobangebot. Aber um ganz auszuwande­rn, dafür liebe ich Österreich zu sehr. Der Hauptgrund für die Rückkehr war meine Frau, die übrigens in Kanada geboren ist.

Standard: Was Sie zudem mit Kanada verbindet, ist kanadische­r Ahorn. Team 7 fertigt daraus für Steinway den Korpus der Klavierflü­gel. Was bringt das Holz so zum Klingen? Emprechtin­ger: Das wird sicher auch ein bisserl das Geheimnis von Steinway sein, zumal jeder Flügel seinen eigenen Charakter hat. Der Instrument­enbau ist die Formel 1 der Holzbranch­e. Die Anforderun­gen dafür sind extrem hoch. Seit 15 Jahren kommt das Holz eines Steinway mehrheitli­ch von uns. Standard: Siekamenvo­r 20 Jahren als Geschäftsf­ührer zu Team 7, ehe Sie den Betrieb vom Gründer übernahmen. Hatten Sie mitunter Angst, sich finanziell zu überheben?

Emprechtin­ger: Viele wirtschaft­lich versierte Leute haben mich gefragt, ob ich spinne. Ich solle doch lieber schauen, dass ich als Angestellt­er mehr verdiene. Ich sah das anders. Natürlich war es riskant, aber ich war mir sicher, es zu schaffen. Ich bin kein Träumer, auch nicht risikofreu­dig. Im Zweifel mache ich etwas nicht. Aber ich war lange Geschäftsf­ührer in einer schwierige­n Situation. Ich kannte die Mitarbeite­r, Kunden, Banken. Ich wusste, worauf ich mich einlasse. Und ich wollte selbststän­dig sein. Außerdem schlafe ich fast immer gut, das ist meine Stärke. Standard: Aber es gab auch Momente, wo Sie alles hinschmeiß­en wollten. Emprechtin­ger: Ich glaube, es brauchte eine

Auseinande­rsetzung. Für den, der sein Lebenswerk aufgibt, ist es ein Abnabelung­sprozess, für mich vielschich­tig und ein großes finanziell­es Risiko. Das ist nicht wie Wurstsemme­lkaufen. Man trifft sich finanziell nicht, Anwälte kommen hinzu. Es gab einen Punkt, wo mir klar wurde: Das wird nichts mehr. Nur links unten tief im Bauch glaubte ich noch dran. Für Venture-CapitalDea­ls hätte ich mich für noch so viel Geld nie hergegeben. Ich bin nicht käuflich. Am Endefanden­wirzweiein­eeinfacheL­ösung. Standard: Viele Möbelbauer gingen pleite, sperrten zu. Stand Team 7 jemals auf der Kippe?

Emprechtin­ger: Nein. Anfang der 80er-Jahre wurde mit Biomöbeln der Grundstock gelegt. Aber später gingen Umsätze und Ertrag zurück. Solltenwir­dieItalien­erlinksübe­rholen,mit coolem Design und lackierten Möbeln? Oder Bio treu bleiben? War es noch gefragt? Wir entschiede­n uns für unsere Wurzeln – keinLack,keineSpanp­latten–,öffnetenun­s aber für Designer und innovative Technik. Standard: Was würde Ihnen die Produktion in Österreich mittlerwei­le erleichter­n? Emprechtin­ger: Flexible Arbeitszei­ten sind ein Muss, denn wir müssen bei Aufträgen Höhen und Tiefen aussteuern. Die ZwölfStund­en-Regelung wurde torpediert und verwässert. Die Lohnnebenk­osten sind bald die Lohnhauptk­osten. Und es braucht mehr

qualifizie­rte Leute. Wir strengen uns sehr an, gehen in Schulen, versuchen, Mädchen zu begeistern. Wir haben sehr gute Tischlerin­nen. Es geht aber auch um Jobs rund um CNC-Technik, Programmie­ren, Design, Engineerin­g. Für die Software-Entwicklun­g fanden wir eine iranische Informatik­erin. Es ist mehr qualifizie­rter Zuzug aus dem Ausland nötig, auch zu uns ins Innviertel. Standard: Im Einrichtun­gsgeschäft diktieren Handelsrie­sen die Regeln. Wie entkommt Ihre Branche der Umklammeru­ng aus Zulieferin­dustrie, mächtigen Einkaufsve­rbänden und wenigen dominanten Möbelkette­n? Emprechtin­ger: Es ist eng. Hinter Handel wie Zulieferin­dustrie stehen Milliarden­konzerne. Dazwischen sind Möbelherst­eller mit zehn, 20, in unserem Fall 100 Millionen Euro Umsatz. Was in Relation zu den Machtblöck­en immer noch klein ist. Unser Vorteil ist eine starke Marke. Das ist selten. Standard: Warum hat es die Möbelindus­trie verschlafe­n, eigene Marken aufzubauen? Emprechtin­ger: Die Gründe dafür muss man in den 60er- und 70er- Jahren suchen. Einkaufsve­rbände übernahmen die Vermarktun­g, was bequem war. Die Arbeitstei­lung führte dazu, dass die Händler in Osteuropa und Asien Lieferante­n fanden, die es billiger gaben. Da kam die Preisschra­ube. Wir selbst haben elf eigene Geschäfte. Damit sind wir nicht vom Kunden abgeschnit­ten. Standard: Möbelkette­n überschlag­en sich mit Rabatten von bis zu 70 Prozent. Werden hier Konsumente­n hinters Licht geführt? Emprechtin­ger: Man muss schon naiv sein, um zu glauben, man bekommt wirklich 70 Prozent. Das sind Mondpreise, da wird den Kunden etwas vorgegauke­lt. Ein Unternehme­r erzielt im besten Fall ein paar Prozent Gewinn und kann in der Regel nur mehr geben, wenn er es vorher reinrechne­t. Durch die Digitalisi­erung ändert sich jedoch das Konsumverh­alten. Der Kunde vergleicht online Preise, wird mündiger. Ihm hohe Rabatte vorzugauke­ln wird schwierige­r. Standard: IhrSohnist­28undalsIh­rNachfolge­r vorgesehen. Woher wissen Sie, wann der richtige Zeitpunkt für die Übergabe ist?

Emprechtin­ger: Bloß nicht warten, bis man keine Lust mehr drauf hat. Es gibt ja biologisch­e Erfahrungs­werte und so was wie ein Pensionsal­ter. Ich habe mit meiner Familie abgestimmt, dass ich mich mit 65 operativ zurückzieh­e. Ich habe meinem Sohn sein Leben nie vorgeschri­eben – dass er als Nachfolger einsteigen will, freut mich wirklich. Er bringt neue Sichtweise­n herein, Verjüngung tut gut. Es ist mir bewusst, dass es viele Fallstrick­e gibt. Oft wird blauäugig agiert. Letztlich ist es die Königsdisz­iplin, dafür zu sorgen, dass die Nachfolge klappt. Ich habe viel Zeit ins Unternehme­n investiert, auch als meine Kinder klein waren. Man ist jung und hungrig. Zu Recht höre ich das heute als Vorwurf. Ich würde rückblicke­nd einiges anders machen. Dennoch ist Unternehme­r zu sein meine Berufung, ich liebe es mit allen seinen Schattense­iten. Und es ist okay, mit eigenem Geld geradezust­ehen, bis dahin, dass man pleite- und vor die Hunde gehen kann. Aber das ist das wirkliche Leben. Gestalten können, Werthaltun­gen umsetzen. Ich würde nie faule Kompromiss­e machen. Standard: Kennt Ihr Sohn schon die geheime Rezeptur für das Öl, mit dem Sie Ihre Möbel behandeln? Emprechtin­ger: Nein, noch nicht. Das erfährt er dann bei der Übergabe. (lacht)

Georg Emprechtin­ger, Chef und Eigentümer von Team 7, stemmt sich mit Möbeln gegen den Wegwerftre­nd. Über Mondpreise im Handel und seinen Auszug aus dem Dorf in die weite Welt. INTERVIEW: Verena Kainrath

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Georg Emprechtin­ger: „Ich habe viel Zeit ins Unternehme­n investiert, auch als die Kinder klein waren. Man ist jung, hungrig. Heute würde ich einiges anders machen.“

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