Der Standard

Beschwerli­cher Weg der Kleinparte­ien zur Wahl

Bis zum 2. August haben noch nicht im Nationalra­t vertretene Parteien Zeit, Unterstütz­ungserklär­ungen zu sammeln. 15 Gruppen bemühen sich mehr oder weniger ernsthaft darum.

- Theo Anders, Markus Rohrhofer, Conrad Seidl

Langsam füllt sich am frühen Morgen der Platz vor dem Linzer Rathaus. Bürger, die bereits auf dem Weg zum Arbeitspla­tz die städtische Serviceste­lle aufsuchen wollen, warten vor der gläsernen Drehtür. Punkt sieben Uhr löst der Portier den Sperrmecha­nismus am Eingang. Das ist auch der Startschus­s für Jan Millonig. Ein Schluck noch aus der Wasserflas­che, und der Aufbau kann beginnen. Der 26jährige Krankenpfl­eger ist Spitzenkan­didat der Sozialisti­schen Linksparte­i (SLP). Die SLP will bei der Nationalra­tswahl am 29. September als einzige Partei in nur einem Bundesland antreten.

Wenn man sie lässt. Denn für die Präsenz auf dem Stimmzette­l muss die linke Splitterpa­rtei zunächst einmal 400 Unterstütz­er finden. „Wir können als Kleinstpar­tei diese Unterstütz­ung nur auf der Straße finden“, sagt Millonig. Aus dem kleinen Leiterwage­n holt der „SLP-Aktivist“Plakate, Schilder, Flyer, Zeitungen und dekoriert damit den Rathausvor­platz. „Eigentlich könnten wir so richtig Rambazamba machen. Wir haben ganz offiziell eine Demo angemeldet.“

Von Ramba und Zamba ist man zumindest an diesem Morgen aber noch weit weg. Zumeist erntet das SLP-Team statt einer nötigen Unterschri­ft ein Kopfschütt­eln. „Aber generell läuft es extrem

gut“, versichert Millonig dem standard. 200 der nötigen 400 Unterschri­ften habe man in nur zwei Tagen beisammen gehabt.

Warum eigentlich nur in Oberösterr­eich? „Weil wir realistisc­h bleiben wollen und die Wähler nicht anlügen wollen. Es geht eben nicht um das große Ding, das Parlament.“Nachsatz: „Echte Veränderun­g kommt nicht aus dem Parlament, sondern durch Druck aus Betrieben, Gewerkscha­ften und von der Straße.“

Es reiche aber nicht, den Kapitalism­us zu kritisiere­n. Millonig: „Es ist allerhöchs­te Zeit, ihn zu stürzen.“Im Wahlkampf will er sich unter anderem auf Themen wie Umweltschu­tz, Wohnungsno­t, Diskrimini­erung von Migranten und Frauen konzentrie­ren.

Um aber überhaupt um Stimmen werben zu dürfen, muss eine Wahlpartei bis zum 2. August um 17 Uhr eine oder mehrere Landeswahl­listen einreichen – mit jeweils 100 bis 500 Unterschri­ften, die sich Wahlberech­tigte auf ihrem Gemeindeam­t bestätigen lassen müssen.

„Das Wahlrecht ist völlig unfair“, sagt Rudolf Gehring, Generalsek­retär der Christlich­en Partei Österreich­s (CPÖ), über das Prozedere: „Dass die Leute auf die Gemeindeäm­ter gehen müssen, um zu unterschre­iben, ist eigentlich eine Zumutung.“Aber Gehring hat mit dieser Zumutung Erfahrung, es laufe gut mit dem Sammeln von Unterstütz­ungserklär­ungen.

Anders ist das bei der Liste Gilt, die 2017 erstmals kandidiert und bei der Nationalra­tswahl 48.234 Stimmen bekommen hat. Mit Stand vom Freitag hat sie aber noch aus keinem einzigen Bundesland die nötige Zahl an Unterstütz­ungserklär­ungen beisammen, um auf den Stimmzette­l zu kommen, laut Website sind derzeit erst 318 Unterschri­ften gesammelt worden, weniger als halb so viele, als die von Roland Düringer gegründete Liste bei der letzten Wahl 14 Tage vor Abgabeschl­uss beisammen hatte.

Als herausford­ernd beschreibt auch Marco Pogo, der Sänger der Band Turbobier, das Sammeln der Unterstütz­ungserklär­ungen. Seine Bierpartei ist irgendwo zwischen Kunstproje­kt (Slogan: „Dicht in die Zukunft“), Marketing für Turbobier („Freibier gibt’s für jeden“) und politische­m Experiment („Mit 30 in die Pens’n, darüber kömma redn“) zu verorten. Es ist in Österreich sehr leicht, eine Partei anzumelden, da genügt die Hinterlegu­ng der Parteistat­uten: „Das haben wir schon vor drei Jahren gemacht. Aber die die Partei ist bisher an der eigenen Faulheit gescheiter­t.“

Unbekannte Kandidaten

Fertige Landeslist­en, die er einreichen könnte, hat Pogo nicht – und dieses Manko teilt er mit mehren anderen Kleinparte­ien. Nur die Grünen, die für ihre Wiederkand­idatur ebenfalls Unterschri­ften sammeln müssen, haben sich in diesem Punkt profession­ell aufgestell­t. Das Problem, das man als Unterstütz­er einer Kandidatur hat, ist der Informatio­nsmangel: Während man bei den Kommuniste­n, den Grünen und der SLP noch halbwegs ahnen kann, worauf man sich da einlässt, kann man sich etwa beim BZÖ nicht so sicher sein.

Die einst von Jörg Haider gegründete Partei wird von den rechtsextr­emen Identitäre­n unterstütz­t, deren Chef Martin Sellner sogar als Kandidat im Gespräch war – nicht jeder, der der seinerzeit sogar in der Bundesregi­erung vertretene­n orangen Partei seine Unterschri­ft geben will, wird das auf dem Radar haben.

Denn wer eine Unterstütz­ungserklär­ung abgibt, gibt quasi einen Blankosche­ck ab: Erst wenn eine Partei die Unterschri­ften beisammenh­at, muss sie der Wahlbehörd­e offenlegen, für welche Personen diese überhaupt gelten sollen.

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