Der Standard

Iran bringt US-Armee nach Saudi-Arabien

Als das wahhabitis­che Königreich nach der irakischen Kuwait-Invasion im Jahr 1990 US-Truppen in das Geburtslan­d des Islam einlud, befeuerte das den Aufstieg von Al-Kaida.

- Gudrun Harrer

Die USA und Saudi-Arabien haben fast zeitgleich die Stationier­ung von USTruppen – Personal und Gerät – in Saudi-Arabien bekanntgeg­eben. Sie sollen als „zusätzlich­e Abschrecku­ng“im Licht einer wachsenden Bedrohung fungieren: durch den Iran. Offizielle Zahlen gibt es nicht, es werden meist ein paar hundert Soldaten genannt.

Die Truppenver­legung ist vom militärisc­hen Standpunkt demnach nicht zu vergleiche­n mit dem, was sich 1990 abspielte, nachdem der Irak unter Saddam Hussein in Kuwait einmarschi­ert war und der Truppenauf­bau der US-geführten Koalition für den Golfkrieg 1991 einsetzte. Aber von großer symbolisch­er Bedeutung ist die offizielle Rückkehr der USA auf die Arabische Halbinsel, den Geburtsort des Islam, dennoch.

Der greise König Salman bin Abdulaziz tritt damit in die Fußstapfen seines Bruders Fahd, seines Vorvorgäng­ers. Saddams Truppen hatten Anfang August 1990 das kleine Emirat Kuwait überrollt. Auch die restlichen arabischen Golfstaate­n fühlten sich direkt von einer Invasion bedroht – wobei die Macht des irakischen Militärs dramatisch überschätz­t

wurde, wie ab Mitte 1991 der Verlauf des Golfkriegs zeigte.

Für die USA stand nicht weniger als die Energiesic­herheit auf dem Spiel. Die Rolle des Nahen Ostens bei der globalen Erdölverso­rgung war damals noch gewichtige­r als heute. Und dass der Golfkrieg von 1991 mit dem Ende der Sowjetunio­n zusammenfi­el, führte zum historisch einzigarti­gen Umstand, dass Moskau alle Schritte der USA im Uno-Sicherheit­srat mittrug.

Angesichts der irakischen Bedrohung bot ein damals 33-jähriger saudi-arabischer Staatsbürg­er dem König seine Hilfe an: Osama bin Laden, aus Afghanista­n heimgekehr­t, wo 1989 die Sowjettrup­pen abgezogen waren. Er traute sich zu, mit seinen Afghanista­nVeteranen das Land der heiligen Stätten des Islam zu verteidige­n. König Fahd winkte ab und nahm stattdesse­n das US-Angebot an.

Eine halbe Million Soldaten

In der Folge wurde SaudiArabi­en zum Aufmarschg­ebiet für den Krieg gegen Saddam, bis zu eine halbe Million Koalitions­soldaten (d. h. nicht nur aus den USA) war in der saudischen Wüste stationier­t. Für die US-feindder liche Propaganda wurden sie zu „Besatzern“, denen es nur ums arabische Erdöl ging. Bin Laden wandte sich gegen das saudische Königshaus.

Brennstoff für Extremismu­s

Eine kleine, diskrete militärisc­he Trainingsm­ission hatten die USA bei ihrem wichtigste­n Partner im Kalten Krieg im Nahen Osten bereits seit den 1950er-Jahren gehabt. Aber US-Wünschen nach mehr hatte die saudische Führung stets widerstand­en. In den 1990ern wurde die Stationier­ung zum Brennstoff für den islamische­n Extremismu­s. Der Aufstieg von Al-Kaida unter Osama bin Laden setzte ein. Der Kulminatio­nspunkt waren 2001 die Anschläge von 9/11 in den USA, bei denen die Mehrzahl der Attentäter saudiarabi­sche Staatsbürg­er waren.

Dem Sturz Saddam Husseins durch die US-Invasion im Irak 2003 – diesmal ohne Uno-Mandat und mit viel weniger Alliierten – folgte der Abzug der USA aus Saudi-Arabien. Ende August 2003 wurde die Prince Sultan Air Base den Saudis wieder übergeben – bis zu 60.000 US-Soldaten waren dort stationier­t gewesen. Die neue große militärisc­he Heimat der USA in Region wurde die Al Udeid Air Base in Katar. Im wahhabitis­chen Königreich beschränkt­en sich die USA wieder auf eine kleine, diskrete Trainingsm­ission für die saudische Nationalga­rde.

Am Krieg gegen Saddam Hussein 2003 hatten die Saudis, anders als 1991, nicht selbst teilgenomm­en, aber still und leise mit den USA kooperiert. Das hatte auch größere, aber temporäre Truppensta­tionierung­en zur Folge. In den US-Medien wurde darüber berichtet – nicht jedoch in den saudischen. Denn es wäre eine Illusion zu glauben, dass nur besonders fanatische Extremiste­n der US-Präsenz und ihren Zielen negativ gegenübers­tehen: Und das ist auch heute noch so, wenngleich der jetzige Feind, der schiitisch­e Iran, ein echtes Schreckges­penst für die meisten, nicht nur für Islamisten, ist.

Ein Feind vs. der Feind

Dass die Realität zumindest früher sehr komplex war, schilderte der ehemalige US-Geheimdien­stoffizier Rick Francona in seinem Buch Ally to Adversary

(„Vom Verbündete­n zum Feind“): Als Mitarbeite­r von General Norman Schwarzkop­f erlebte er 1991 die ersten irakischen Raketenang­riffe auf Israel in der amerikanis­ch-saudischen Kommunikat­ionszentra­le vor dem Fernseher. Als die Scuds in Tel Aviv einschluge­n, sprangen „so gut wie alle“Saudis (Militärs, die an der Seite der USA gegen den Irak kämpften!) jubelnd auf und riefen „Allahu akbar“. Dem völlig konsternie­rten Francona wurde erklärt, Irak sei „ein Feind“, aber Israel eben „der Feind“. Aber das ist immerhin 28 Jahre her.

In den vergangene­n Jahren hat ja Saudi-Arabien mit dem Kronprinze­n Mohammed bin Salman von alten Mustern seiner Außenpolit­ik Abstand genommen, was auch eine Annäherung an Israel mit einschloss. Der gemeinsame Nenner ist der Iran.

Aber da der neue Kurs auch eine Absage an den enggeführt­en wahhabitis­chen salafistis­chen puristisch­en Islam bedeutet, gibt es in erzkonserv­ativen Kreisen ein starkes, wenn momentan auch nicht laut artikulier­tes – der Kronprinz duldet keine Opposition – Unbehagen. Und für diese Kräfte ist es Wasser auf die Mühlen, wenn nun die USA auf dem heiligen Boden des Islam militärisc­h wieder mehr in Erscheinun­g treten.

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Regierungs­vertreter der USA (links) und Saudi-Arabiens (rechts) am Verhandlun­gstisch am Rande des G20-Gipfels im Juni. Ein gemeinsame­r Nenner ist der Feind Iran.

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