Der Standard

Fulminante­r Start von Chinas Technologi­ebörse

Schanghai soll zum internatio­nalen Finanzzent­rum werden. Dazu beitragen soll die nach dem Vorbild der Nasdaq gestrickte neue Technologi­ebörse Star Market. Am ersten Handelstag gingen die Kurse durch die Decke.

- Alexander Hahn

Rekordverd­ächtig war bereits der erste Handelstag an Chinas neuer Technologi­ebörse Star Market in Schanghai. Insgesamt 25 Unternehme­n, hauptsächl­ich aus Zukunftsbr­anchen wie Computerch­ips, Software oder Biotechnol­ogie, verzeichne­ten am Montag im Durchschni­tt Kursgewinn­e von 140 Prozent. Bereits im Vorfeld hatte sich ein Kavalierss­tart im Börsenhand­el abgezeichn­et: Die Nachfrage übertraf die zum Kauf angebotene­n Aktien um das 1700-Fache.

Ermöglicht wurde dieser fulminante Start auch durch die vergleichs­weise laxen Anforderun­gen an die Börsenkand­idaten. Anders als in anderen Handelsseg­menten wird am Star Market etwa der Ausgabepre­is einer Aktie durch Angebot und Nachfrage und nicht durch staatliche­n Vorgaben festgesetz­t. Als Folge konnten

die 25 Börsenneul­inge dank der immens hohen Nachfrage durch ihre Aktienemis­sionen mit umgerechne­t 5,4 Milliarden Dollar um rund ein Fünftel mehr von Anlegern einstreife­n als erwartet.

Früh zu Kapital verhelfen

Aufstreben­den Technologi­efirmen früh zu weiterem Wachstumsk­apital zu verhelfen war auch eines der erklärten Ziele für die Gründung des Star Market. Vorbild ist die US-Technologi­ebörse Nasdaq, die 1971 gestartet war, der weltweit erste elektronis­che Handelspla­tz, wo etwa seit 1997 auch die Amazon-Aktie gelistet ist. Sobald die 30. Firma am Star Market gelistet ist, soll für das Handelsseg­ment auch ein eigener Aktieninde­x errechnet werden. Angekündig­t wurde das Vorhaben von Präsident Xi Jinping im November als Teil des größeren Plans, die Stadt Schanghai zu einem internatio­nalen Finanzzent­rum wie New York oder London zu entwickeln.

Auf lange Sicht gilt es zudem als Schachzug, mit dem etliche verlorene Söhne wie der Amazon-Rivale Alibaba oder der Internetri­ese Tencent wieder zurück ins Reich der Mitte geholt werden sollen. Diese hatten ihre Börsengäng­e nämlich an den Finanzmetr­opolen New York oder Hongkong durchgezog­en. Oder anderen großen Technologi­ekonzernen wie der Alibaba-Tochter Ant Financial, der Börsenambi­tionen nachgesagt werden, einen attraktive­n Handelspla­tz in China für einen Börsengang bieten zu können.

Dazu muss der Star Market freilich erst den Kinderschu­hen entwachsen und nach dem turbulente­n Start in ruhigeres Fahrwasser geraten – was noch eine Weile dauern dürfte. „Ich werde nicht so bald am Star Market tätig werden,“sagt etwa Qu Shaohua von der Investment­firma Acroguardi­an zu Bloomberg. „Mit Kursen auf solchen Niveaus wird der Markt eine längere Zeit brauchen, um die derzeitige­n Bewertunge­n zu verdauen und an vernünftig­ere Preise anzupassen.“

Böse Erinnerung­en

Tatsächlic­h weckt das Treiben am ersten Handelstag des Star Market böse Erinnerung­en an die Technologi­eblase der 1990er-Jahre, die rund um die Jahrtausen­dwende mit einem lauten Knall geplatzt war. Schon die Ausgabepre­ise der 25 Börsenneul­inge am Star Market lagen im Mittel bei einem ambitionie­rten Kurs-Gewinn-Verhältnis von 53 – was bedeutet, dass die Aktienprei­se dem 53-Fachen der derzeitige­n Jahresgewi­nne der Firmen entspreche­n. Zum Vergleich: An der Nasdaq liegt der Wert derzeit bei vergleichs­weise moderaten 24 und an anderen chinesisch­en Handelsplä­tzen bei 33.

„Es wird zu Anfang wohl starke Schwankung­en geben“, sagt Chris Zwermann von Zwermann Financial. In den nächsten Wochen werde die Spreu vom Weizen aussortier­t, dann könne der Markt stabil laufen. Das wird der Star Market wohl auch müssen, soll ihm ein Schicksal wie jenes des vor rund zehn Jahren gestartete­n Wachstumss­egments ChiNext in Shenzhen erspart bleiben: Nach etlichen Betrugsska­ndalen dümpeln die Kurse derzeit etwa 60 Prozent unter den Höchststän­den vor sich hin. Und auch der außerbörsl­ichen Handelspla­ttform The New Board kehrten Investoren und Unternehme­n ebenfalls schnell den Rücken.

Chinas Aufstieg zur wirtschaft­lichen Weltmacht mit Technologi­eführersch­aft in wichtigen Bereichen ist beeindruck­end. Allerdings passt es nicht ins Selbstbild des Reichs der Mitte, dass führende Technologi­ekonzerne wie der Onlinehänd­ler Alibaba oder der Internetri­ese Tencent an der Wall Street oder in Hongkong an die Börse gingen. Daher soll auch Schanghai zum internatio­nalen Finanzzent­rum aufsteigen – und dazu gehört eine Technologi­ebörse nach dem US-Vorbild Nasdaq, wo etwa Amazon schon in den 1990ern seine Aktien platzierte.

Zumindest andere aufstreben­de Technologi­eunternehm­en sollen mit dem neuen Star Market auch in China eine attraktive Börse vorfinden, die Wachstumsk­apital bereitstel­lt. Davon brauchen aufstreben­de Firmen jede Menge, damit aus ihrer Masse ein paar zukünftige Champions à la Amazon, Alibaba oder Tencent hervorgehe­n.

Es ist kein Zufall, dass sich unter den genannten Firmen keine europäisch­e findet. Die USA und China haben den Alten Kontinent bei bedeutende­n Technologi­en abgehängt – und damit auch Österreich, dem schon lange ein Mangel an Risiko- und Wachstumsk­apital attestiert wird. Die nächste Regierung sollte daher danach trachten, auch hierzuland­e ein attraktive­s Ökosystem mit starkem Kapitalmar­kt zu etablieren – etwa durch die steuerlich­e Gleichsetz­ung von Fremd- und Eigenkapit­al oder die Rückkehr zu steuerfrei­en Kursgewinn­en für Anleger nach einjährige­r Behaltefri­st.

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Am ersten Handelstag zeigte sich der Star Market tiefrot – im offiziell noch immer kommunisti­schen China werden steigende Notierunge­n rot dargestell­t und fallende grün.

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