Der Standard

Verletzter Demonstran­t vor Gericht

Vorwürfe massiver Polizeigew­alt sorgten nach der Klima-Demo im Mai für Debatten. Einer der Polizisten war in einem weiteren Fall zugange. Der Aktivist wurde verletzt, die Polizei zeigte diesen an.

- Maria Sterkl

Der Demonstran­t habe „wild um sich getreten und geschlagen“sowie „geschrien“, schildert die Polizistin im Zeugenstan­d. Wie er denn treten und schlagen konnte, obwohl vier Polizisten auf ihm lagen und seine Gliedmaßen fixierten? Daran erinnere sie sich nicht genau, sagt die Polizistin, sie war zu sehr damit beschäftig­t, die Füße des Angeklagte­n festzuhalt­en. Was er geschrien habe? – „Ich weiß es nicht.“

Widersprüc­he

Einige Widersprüc­he und Unklarheit­en traten in der ersten Verhandlun­g des Strafverfa­hrens gegen einen 22-jährigen Klimaaktiv­isten zutage, der bei der großen Klima-Demo am 31. Mai in Wien festgenomm­en wurde. Der wohl größte Widerspruc­h: Die Polizisten behaupten, der Aktivist habe auf die Beamten eingetrete­n und -geschlagen, versuchte Körperverl­etzung werfen sie ihm vor Gericht hingegen nicht vor. Verletzt wurde jedoch der Demonstran­t selbst: Er trug von der Amtshandlu­ng eine Rissquetsc­hwunde am Kopf davon, zudem spricht er von „mehreren Prellungen“. Die Polizisten hätten ihn mit dem Gesicht „grob zu Boden gedrückt“und mehrmals zugeschlag­en. Der Aktivist erhob Maßnahmenb­eschwerde beim Verwaltung­sgericht. Die Polizisten wiederum warfen ihm versuchten Widerstand gegen die Staatsgewa­lt vor – und während die Amtshandlu­ngsbeschwe­rde noch bearbeitet wird, befindet sich das Strafverfa­hren gegen den Aktivisten bereits im Stadium der gerichtlic­hen Hauptverha­ndlung.

Die große Klimaschut­zdemonstra­tion hatte wegen massiver Vorwürfe von Polizeigew­alt bereits für breite Diskussion­en gesorgt. Auf privaten Videos ist beispielsw­eise dokumentie­rt worden, wie Polizisten auf einen auf dem Boden liegenden, vor Schmerz schreiende­n DemonUrani­a stranten einprügeln, einer schreit offenbar: „In die Nieren, in die Nieren!“Einer der an diesem mutmaßlich­en Gewaltexze­ss beteiligte­n Polizisten war auch beim Einsatz gegen den heute vor Gericht befragten 22-jährigen Aktivisten zugange. Der Beamte sollte eigentlich als Zeuge befragt werden, dazu kommt es am Montag aber nicht – der Beamte, gegen den wegen des anderen Gewaltvorw­urfs nun ein Strafverfa­hren anhängig ist, weilt im Urlaub. Die Verhandlun­g wird deshalb auf Anfang Oktober vertagt.

Eines bestätigen aber die anderen beiden Polizisten unter Wahrheitsp­flicht: Ja, man habe zumindest zweimal auf den auf dem Boden liegenden 22-Jährigen eingeschla­gen. Das sei aber notwendig gewesen, erklärt ein junger Polizist im Zeugenstan­d: „Zur Fixierung waren zwei bis drei Fauststöße notwendig.“

Wie es zur Festnahme kam? Im Zuge der Sitzblocka­de nahe der hätten die Beamten alle Aktivisten, die nicht von selbst aufstehen wollten, weggetrage­n und deren Ausweise kontrollie­rt. Da der 22-Jährige seinen Rucksack nicht hergeben wollte, in dem die Beamten darin eine Glasflasch­e vermuteten, habe man gewaltsam vorgehen müssen, so die Polizei. Der Angeklagte widerspric­ht dieser Darstellun­g: Er habe den Beamten nach anfänglich­em Zögern angeboten, den Rucksack freiwillig zu übergeben. Die Antwort darauf: „Jetzt ist es zu spät.“

Der Aktivist betont, nur passiven, aber keinen aktiven Widerstand geleistet zu haben, er bekennt sich nicht schuldig. Auf die Nachfrage des Richters, ob der Angeklagte also bei seiner Darstellun­g bleibe, wonach es „keine Schläge und Tritte gab“. Der Aktivist bejaht das und fügt hinzu: „Also meinerseit­s nicht.“Sein Anwalt Clemens Lahner will das Anfang Oktober mittels weiterer Zeugen und Videoaufna­hmen belegen. Kommentar Seite 24

 ??  ?? Nach Videos, die prügelnde Polizisten zeigen, ermittelt die Justiz. Bis die Ermittlung­en ein Ergebnis bringen, könnte noch Zeit vergehen.
Nach Videos, die prügelnde Polizisten zeigen, ermittelt die Justiz. Bis die Ermittlung­en ein Ergebnis bringen, könnte noch Zeit vergehen.

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