Pinot träumt Frankreichs Tour-Traum
Das Organisationskalkül ist aufgegangen, die finale Woche der Tour de France wird ein Thriller. Zwischen Paris und dem ersten französischen Sieg seit 1985 liegen aber nicht nur die Alpen.
Geraint Thomas schwante schon bei der Präsentation der 106. Tour de France Ende Oktober im Palais des Congrès zu Paris Übles. Angesichts des Speisezettels mit 18 Bergwertungen erster und höchster Kategorie und fünf Bergankünften bei nur einem Einzelzeitfahren über mickrige 27 Kilometer erwog der Brite sogar kurzzeitig, auf die Titelverteidigung zu verzichten. Jetzt, nach den Pyrenäen und vor der letzten Woche mit sieben Ritten über 2000 Meter in den Alpen, könnte der 33-Jährige mit Fug und Recht sagen, dass er es ja gewusst habe. Dass die Organisatoren im Bemühen, die Dominanz seiner von Sky in Ineos verwandelten Mannschaft zu brechen, viel richtig gemacht haben.
Die Chancen, dass der Toursieg an einen ausgesprochenen Kletterer geht, stehen gut. Und damit auch die Chancen auf den ersten französische Sieg seit Bernard Hinaults fünften Erfolg 1985. Gemessen an seinem Leidensweg am Sonntag geht er eher nicht an Julian Alaphilippe. Der 27-jährige Weltranglistenerste aus dem Herzen Frankreichs, der heute auf der Flachetappe von und nach Nîmes den zehnten Tag das Gelbe Trikot ausführt, radelte nach Expertenmeinung schon beim Anstieg zum
Tourmalet, den er als Zweiter bewältigte, über seinen Verhältnissen. „Da musste ich meine Reserven angreifen.“
Spätestens am Donnerstag, wenn sich auf dem Weg nach Valloire der Col de Vars (2109 m), der Col d’Izoard (2360 m) und der Col du Galibier (2642 m) auftürmen, sollte dem gefeierten Hasen das Gelbe Trikot abgenommen werVon den. Die Franzosen hoffen, dass es quasi im Land bleibt und auf Thibaut Pinot übergeht. Der Sieger vom Tourmalet, schon 2014 Dritter der Tour, wirkt reif für den großen Coup. Die 1:50 Minuten Rückstand auf Alaphilippe sollten ein Klacks sein, die Konkurrenten für den 29-jährigen Kletterer aus den Vogesen liegen wenige Sekunden voran oder zurück.
den Buchmachern wird Pinot als Favorit geführt, vor Thomas, der nur 15 Sekunden näher an Alaphilippe dran ist. Der Waliser redet sich und seine Mannschaft stark. „Okay, wir haben das Gelbe Trikot nicht und fahren nicht jeden Tag an der Spitze. Aber es gibt mehrere Wege, die Tour zu gewinnen.“Sein erst 22jähriger kolumbianischer Teamkollege Egan Bernal (+2:02) hat als Fünfter ebenfalls noch Siegeschancen, will sich aber, falls die Frage virulent wird, für Thomas opfern. Keine Fragen gibt es bei Jumbo, da dreht sich alles um Steven Kruijswijk (+1:47). Der 32-jährige Niederländer hat im Neuseeländer George Bennett den besten Adjutanten.
Quasi das Dark Horse ist der sechstplatzierte Emanuel Buchmann (+2:14), dessen bärenstarkes Auftreten sehr zum Ärger der deutschen Kommentatoren vor allem vom Tour-Leitmedium L’Equipe bisher nicht groß gewürdigt wurde. Nachdem Patrick Konrad infolge einer Rippenblessur in den Pyrenäen nicht mithalten konnte, ist es keine Frage mehr, wem bei Bora neben dem nach Punkten führenden Slowaken Peter Sagan die ganze Fürsorge gilt. „Wir sollten ihn zumindest in den Top Fünf halten“, sagte Konrad.