Der Standard

Westbahn zieht die Notbremse

Anhaltende Verluste zwingen den kontrollie­renden Westbahn-Aktionär Hans Peter Haselstein­er dazu, den Halbstunde­ntakt nach Salzburg einzustell­en. Mit neuem Rollmateri­al will man gegen Diskrimini­erung anfahren.

- Luise Ungerboeck

Aufgeben will WestbahnHa­uptaktionä­r Hans Peter Haselstein­er nicht. Noch nicht. Daher bremst die private Westbahn scharf ab und reduziert ihre zwischen Wien, Linz und Salzburg verkehrend­en Schnellzüg­e auf Stundentak­t ab dem Wiener Westbahnho­f. Jeder zweite, von Wien-Praterster­n über den Wiener Hauptbahnh­of nach Linz und Salzburg fahrende blau-grüne Westbahn-Doppelstoc­kzug wird im Dezember für vorerst zwei Jahre eingestell­t.

Ab Winterfahr­plan 2020 will die von Haselstein­er und dem Sanierer Erhard Grossnig kontrollie­rte Westbahn (die französisc­he Staatsbahn SNCF hält 17,4 Prozent) mit neuem Rollmateri­al neu durchstart­en. Die 15 Doppelstoc­kzüge werden nicht, wie von der Zugausrüst­erindustri­e befürchtet, bei der chinesisch­en CRRC gekauft, sondern wieder bei Stadler Rail in der Schweiz. Stadler habe um den Auftrag im Volumen von 292 Millionen Euro hart gekämpft, räumte Haselstein­er am Montag in einem Pressegesp­räch ein, und attraktive Finanzieru­ngsbedingu­ngen geboten. Die nütze man.

Millionenv­erluste

Um die seit dem Start mitten in der Finanzkris­e angehäufte­n Verluste von rund 83 Millionen Euro abzutragen („Wenn man alles zusammenre­chnet ist es ein guter Hunderter“, so Haselstein­er), verkauft Westbahn 15 Doppelstoc­kzüge in zwei Tranchen bis Ende 2022 an die Deutsche Bahn. Mit der neuen einheitlic­hen Westbahn-Flotte werde man zu niedrigere­n Betriebs-, Wartungs- und Finanzieru­ngskosten halbwegs kostendeck­end fahren, hofft Westbahn-Chef Erich Forster.

„Ich konnte mir nicht vorstellen, dass der Incumbent vor allem über den Preis operieren wird“, sagt Haselstein­er. „Aber ich habe keinen Goldscheiß­er im Keller, keinen Esel streck dich. Alle Jahr’ rinnen zehn Millionen ausse, ich kann nimmer zuschauen.“Daher habe man dem Management eine „Stop-Loss-Strategie“verordnet.

Steuerzahl­er zahlt

Der öffentlich finanziert­en ÖBB und ihren Eigentümer­n „ist es wurscht, wie viel Verlust sie macht, es zahlt eh der Steuerzahl­er“, argwöhnt der Bauindustr­ielle, der die Strabag kontrollie­rt. Er habe bis zuletzt auch nicht geglaubt, „dass uns die ÖVP zum Aufgeben zwingen wollte“. Aber er habe sich getäuscht, die Volksparte­i habe den Blauen „die Spielwiese ÖBB überlassen“.

Die größte Enttäuschu­ng sei aber Brüssel. Die EU-Kommission habe gegen die Diskrimini­erung durch die ÖBB nichts unternomme­n, aus der gefeierten Liberalisi­erung sei daher nichts geworden. Im EU-Eisenbahnp­aket seien ab 2023 bei Verkehrsdi­enstbestel­lungen für den Pendlerver­kehr noch immer Zehn-Jahres-Verträge ohne Ausschreib­ung möglich – damit verschiebt sich die angestrebt­e Marktöffnu­ng auf 2033 (siehe Wissen).

Wohlorgani­sierte Diskrimini­erung auch bei der Anschaffun­g von Rollmateri­al: Die Staatsbahn­en Europas haben mit Eurofima einen Kreditappa­rat, der mit Staatsgara­ntien und niedrigste­n Zinsen operiert und von dem private Bahnbetrei­ber ausgeschlo­ssen sind. Der Zugang zu Eurofima wurde auch noch auf jene Betreiber beschränkt, die öffentlich­en Verkehr erbringen.

Dass die ÖBB mit den mehr als 600 Millionen Euro, die sie pro Jahr allein vom Bund für Nah- und Regionalzü­ge bekommt – weitere 300 bis 400 Millionen Euro zahlen Länder und Gemeinden – auch noch einen ruinösen Preiskampf führe, sei abartig, so Haselstein­er. Von den 600 Millionen gingen jedes Jahr zehn Prozent allein für ÖBB-Werbung auf. Das summiere sich seit dem Start der Westbahn auf eine halbe Milliarde Euro, rechnete Haselstein­er vor.

Aggressive Preispolit­ik

Versuche, die aggressive Preispolit­ik zu stoppen, hätten nicht gefruchtet. Das Gericht betrachte die Dumpingpre­ise der ÖBB-Sparschien­e lediglich als Aktionspre­ise und habe eine Mediation verordnet. Den Rest erledigten massive Anhebungen der Schienenma­ut seit 2011. Dieses bei der ÖBB letztlich vom Steuerzahl­er bezahlte Infrastruk­turbenützu­ngsentgelt sei um rund 40 Prozent gestiegen – ein klarer Nachteil für die Westbahn, die allerdings konzediert, dass es in den vergangene­n Jahren eine Stabilisie­rung gegeben habe.

Die ÖBB bedauerte die Angebotsre­duktion der Westbahn: „Im Sinne des Klimaschut­zes braucht es mehr Bahnangebo­t, nicht weniger.“Die wahre Konkurrenz sei nicht auf der Schiene, sondern auf der Straße. Eine Marktverze­rrung sieht die Staatsbahn erwartungs­gemäß nicht.

 ??  ?? Die Westbahn schränkt ihr Angebot ein, fährt ab Dezember wieder nur noch ab Westbahnho­f. Ihre Züge verkauft sie an die Deutsche Bahn – und kauft sich billigere neue.
Die Westbahn schränkt ihr Angebot ein, fährt ab Dezember wieder nur noch ab Westbahnho­f. Ihre Züge verkauft sie an die Deutsche Bahn – und kauft sich billigere neue.

Newspapers in German

Newspapers from Austria