Der Standard

Raubkunst in zweiter Instanz

New Yorker Gericht wertet die Causa Grünbaum anders als Österreich: Werke aus dieser Sammlung seien zu restituier­en

- Olga Kronsteine­r

– Am 10. Juli erging am New Yorker Supreme Court ein Urteil, das in den Direktions­etagen der Albertina und des Leopold Museums für etwas Unruhe sorgt. Denn es geht um die Causa Fritz Grünbaum, die man als erledigt wähnte. Genannte Museen halten Kunstwerke aus der Sammlung des Kabarettis­ten in den Beständen. Die zuständige­n Kunstrückg­abebeiräte entschiede­n 2010 und 2015 gegen eine Restitutio­n, da sich trotz jahrelange­r Forschung kein Beleg für eine Entziehung fand. Bereits im April 2018 gelangte man in New York zur gegenteili­gen Erkenntnis, die nun vom Berufungsg­ericht bestätigt wurde.

Gegenstand der Klage der Erben nach Fritz Grünbaum waren zwei Aquarelle von Egon Schiele aus dem Besitz des Londoner Kunsthändl­ers Richard Nagy, die sich ebenfalls einst in der Sammlung befunden haben sollen. Das Gericht verdonnert­e Nagy nun in zweiter Instanz zur Rückgabe. Ob er um eine Revision ansuchen wird, ist nicht bekannt.

Komplexe Causa

Vordergrün­dig mag dieses Urteil – in der Umkehr vergleichb­ar mit einem des Wiener Oberlandes­gerichts – hierzuland­e nicht von Belang sein, im Detail wird sich der Kunstrückg­abebeirat jedoch damit beschäftig­en. „Wir werden uns das genauer ansehen, vor allem im Hinblick auf etwaige neue Erkenntnis­se“, bestätigt Eva Blimlinger, wissenscha­ftliche Koordinato­rin der Kommission. Auf den ersten Blick ortet sie schwere inhaltlich­e Mängel. Etwa über Vorgänge in der NS-Zeit zu befinden, ohne die hiesige Gesetzgebu­ng (u. a. Nichtigkei­tsgesetz) zu berücksich­tigen.

Der Fall Grünbaum gilt als einer der schwierigs­ten Provenienz­fälle. Konkret wegen einer Lücke in der Chronologi­e, die eine vollständi­ge Rekonstruk­tion verhindert. In aller Kürze: Der Kabarettis­t war im März 1938 nach Dachau deportiert worden, wo er 1941 verstarb. Seine Ehefrau Elisabeth verblieb bis 1942 in Wien, wurde deportiert und in Maly Trostinec ermordet. Die Kunstsamml­ung war ab Herbst 1938 in einer Spedition eingelager­t, dann verliert sich ihre Spur. Bis Mathilde Lukacs, Elisabeths Schwester, an Eberhard Kornfeld (Bern) Kunstwerke zu verkaufen begann: von 1952 an bis 1956.

Fakt ist, dass sich in den einschlägi­gen Archiven in Österreich und Deutschlan­d bisher keinerlei Hinweise zu einer Beschlagna­hme der Sammlung oder einzelner Werke durch die NSBehörden fanden. Aus der vorliegend­en Chronologi­e schlussfol­gerten die österreich­ischen Experten, dass die Sammlung im Verfügungs­bereich der Familie geblieben sein muss.

Vermögense­ntzug

Für das New Yorker Gericht ist der Tatbestand der Entziehung dagegen belegt: über eine Vollmacht, die Fritz Grünbaum im Juli 1938 seiner Ehefrau erteilte, womit er die Kontrolle über sein Vermögen verloren habe. Laut dem Dokument ermächtigt­e er sie, die gesetzlich vorgeschri­ebene Vermögensa­nmeldung an seiner statt vorzulegen und ihn „in allen meinen Angelegenh­eiten rechtswirk­sam zu vertreten“.

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Foto: Richard Nagy Ltd. Strittiger Schiele: Das Aquarell („Frau, das Gesicht verbergend“) muss restituier­t werden.

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