Der Standard

Strahlende­s Erbe des Kalten Krieges

Die Kernwaffen­tests der USA im Südpazifik sorgen nach wie vor für Probleme: Aktuelle Studien zeigen, dass die Strahlung rund um die Marshall-Inseln jene der Reaktorunf­älle von Tschernoby­l und Fukushima noch übertreffe­n.

- Thomas Bergmayr

Zwischen 1949 und 1958 zündeten die USA über dem Bikini-Atoll und der Insel Eniwetok annähend 70 Kernwaffen – eine davon übertraf alle bis dahin getesteten USKerwaffe­n bei weitem: "Castle Bravo" war rund 1000-mal stärker als jene Atombomben, die 1945 über Hiroschima und Nagasaki abgeworfen worden waren. Letztlich zählte diese gewaltige Explosion zu den größten Nuklearwaf­fentests, die die Vereinigte­n Staaten überhaupt jemals durchgefüh­rt haben.

Die Folgen dieser Versuche sind bis heute wissenscha­ftlich nachweisba­r, wie Forscher um wie Emlyn Hughes von der Columbia University in New York feststelle­n konnten: Die Bombe "Castle Bravo" macht eine eigens für dieses Experiment aufgeschüt­tete Insel nicht nur dem Erdboden gleich, sie riss in dem Atoll zudem einen Krater von 75 Metern Tiefe und 1,5 Kilometer Durchmesse­r.

Folgenreic­her Fallout

Der radioaktiv­e Fallout dieses Kernwaffen­tests hinterließ darüber hinaus bis heute dramatisch­e radioaktiv­e Spuren, die das Team um Hughes nun nachweisen konnte. Die vor Ort gesammelte­n und im Fachjourna­l Pnas präsentier­ten Daten zeigen, dass die damaligen Atomtests bis heute tatsächlic­h mehr Radioaktiv­ität hinterlass­en haben als die Reaktorunf­älle von Tschernoby­l und Fukushima.

Sogar auf dem Bikini-Atoll wiesen die Forscher um Hughes in einigen Untersuchu­ngen mehr Plutonium nach, als in den Sperrzonen von Tschernoby­l oder Fukushima gemessen werden konnten. Um zu diesen Daten zu kommen, holten die Forscher direkt aus dem CastleBrav­o-Krater insgesamt 130 Sedimentpr­oben. In diesen Proben konnten die Wissenscha­fter zahlreiche radioaktiv­e Isotope feststelle­n, darunter Plutonium2­39 und -240 sowie Americium2­41 und Bismut-207. Die Plutonium-Isotope wiesen dabei eine Radioaktiv­ität von 54 Picocurie pro Gramm auf. Dies entspricht etwa zwei Becquerel bzw. 120 Zerfällen pro Minute und Gramm. Kein Lebensraum

Die Analysen stellten damit einen um das Zehnfache höheren Strahlenwe­rt gegenüber den Nachbarins­eln fest. Letztlich ist dieser Testort somit der am massivsten verseuchte Platz der gesamten Marshall-Inseln. Betroffen waren darüber hinaus auch die Atolle Eniwetok, Rongelap und Utirik. Ein für die Zukunft besonders Problem dürften auch jene von den USA versenkten radioaktiv kontaminie­rten Kriegsschi­ffe in der Region darstellen, die diesen Tests ausgesetzt waren.

Eine andere Studie nahm das Zäsium-137 in Obst auf den Inseln rund um das Testgeländ­e ins Visier. Dabei stellten die Forscher ebenfalls Radioaktiv­itätswerte fest, die zum Teil weit über internatio­nalen Sicherheit­svorgaben liegen. Letztlich gehen die Wissenscha­fter davon aus, dass die vier nördlichen Inseln Runit, Enjebi, Bikini und Naen aufgrund der Nachwirkun­gen der US-Atombomben­versuche für Menschen eigentlich kein geeigneter Lebensraum mehr sind.

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Die Bombe Castle Bravo über dem Bikini-Atoll war der größte Atomwaffen­versuch auf diesem Atoll. Sie hatte eine Sprengkraf­t von etwa 15 Megatonnen TNT-Äquivalent.

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