Chinas ehemaliger Premier Li Peng 1928–2019
Vorwurf der Mitschuld am Tian’anmen-Massaker 1989 hing ihm 30 Jahre nach
Die Sprecher der CCTVAbendnachrichten trugen Schwarz. Doch ihre Meldung über den Tod des wegen seiner Rolle beim Tian’anmen-Massaker vom 4. Juni 1989 umstrittenen einstigen chinesischen Premiers Li Peng kam erst an vierter Stelle – nach Berichten über aktuelle Aktivitäten der heutigen Führer, Parteichef Xi Jinping und Ministerpräsident Li Keqiang. Dann erst verkündeten die Sprecher im Namen von Partei und Regierung und „in tiefer Trauer“, dass am Montag kurz vor Mitternacht der chinesische Seniorpolitiker im 91. Lebensjahr gestorben war.
Li war von 1987 bis 1998 Premierminister und danach als Präsident des Volkskongresses zweithöchster
Politiker seines Landes. 2003 ging er in den Ruhestand.
Dass sein Tod nicht als Topnachricht gemeldet wurde, war ungewöhnlich. Zumal im danach verlesenen langen Nachruf sein Tod als „schwerer Verlust für Partei und Staat“bezeichnet wurde. Peking forderte die Nation auf, von seinem „revolutionären“Geist zu lernen. Li habe der kommunistischen Sache sein Leben lang gedient.
Doch sein Name polarisiert noch immer. Das kam auch im Internet zum Ausdruck – die Zensoren hatten zu tun. Peking baute allen Missverständnissen vor, dass sich an seiner Politik etwas ändern könnte. In dem offiziellen Nachruf wurde ausdrücklich seine Rolle während der Tian’anmen-Demonstrationen gelobt, als Li das Kriegsrecht über Peking verhängte, die Armee zu Hilfe rief und den damaligen, mit den Studenten sympathisierenden Parteichef Zhao Ziyang entmachten ließ.
Li verteidigte sich später damit, er stünde zu Unrecht als Alleinverantwortlicher am Pranger. Er habe auf Geheiß des starken Manns Chinas, Deng Xiaoping, gehandelt.
Chinas Führung machte nun klar, dass sie nicht zulassen werde, dass Lis Tod als Signal für eine Neubewertung der Ereignisse auf dem Tian’anmen-Platz missverstanden werden könnte. Im Nachruf steht in eindeutiger Wortwahl: „Genosse Li Peng zeigte während der politischen Wirren 1989 klare Flagge, unterstützt von Deng Xiaoping als Vertreter der alten Generation proletarischer Revolutionären – und zusammen mit den meisten Genossen des Politbüros. Er ergriff entschlossene Maßnahmen, um das Chaos zu stoppen und den konterrevolutionären Aufruhr zu befrieden. Er stabilisierte die Inlandslage. Er spielte eine wichtige Rolle in diesem großen Kampf, bei dem es um das Schicksal von Partei und Staat ging.“
Im Nachruf wurde auch eine andere kontroverse Entscheidung Li Pengs gelobt: dessen politische Rolle beim umstrittenen Beschluss zum Bau des gigantischen Drei-Schluchten-Damms.