Der Standard

Bären sind in Tirol nur auf der Durchreise

Seit vergangene­r Woche wurden auf Tiroler Almen mehrere tote Schafe entdeckt. Ob sie einem Bären zum Opfer gefallen sind, ist noch nicht klar. Aber selbst wenn, besteht kein Grund zur Sorge, erklären Experten.

- Steffen Arora

Am Dienstag vor einer Woche entdeckte ein Hirte in den Sellrainer Bergen nahe Innsbruck die ersten Kadaver. Diesen Montag folgte eine weitere Meldung toter Schafe aus dem Pitztal. Seitdem ist in den Tiroler Medien der Bär los. Denn es ist nicht ausgeschlo­ssen, dass die Almtiere einem solchen pelzigen Gesellen zum Opfer gefallen sein könnten. Wenngleich ein Beleg dafür nach wie vor fehlt, wie Martin Janovsky, Beauftragt­er des Landes Tirols für große Beutegreif­er, erklärt.

Aber allein die Vermutung genügt, um die Fantasie der Menschen anzuregen. So entpuppte sich eine gemeldete Sichtung des vermeintli­chen Bären auf Nachfrage des Experten als vage Beobachtun­g aus mehr als 600 Metern Entfernung. Auch ein Beweisfoto, das Meister Petz nahe Pfaffenhof­en

zeigen soll, war bloß ein Fake, der sich trotzdem rasch über soziale Medien verbreitet­e.

Janovsky selbst will das Ergebnis der DNA-Untersuchu­ng abwarten, die derzeit noch läuft. Denn auch die zahlreiche­n im Berggebiet zwischen Inzing und Sellrain angebracht­en Wildkamera­s hätten bisher keinen Hinweis auf die Anwesenhei­t eines Bären liefern können.

Dass in Tirol immer wieder große Beutegreif­er wie Bären und Wölfe auftauchen, ist ein Fakt. Aber die Tiere sind lediglich auf der Durchreise, Population­en gibt es nicht. Meistens stammen die Bären aus dem benachbart­en Trentino. In der Regel sind es junge Männchen auf Wanderscha­ft. Die Tiere legen bis zu 50 Kilometer pro Nacht zurück, erklärt Janovsky. Oft gehen sie entlang befestigte­r Straßen oder BahndämSo me. Das erklärt, warum etwa im Engadin bereits zwei Bären vom Zug überfahren wurden. Wölfe können auch von Norden hereinzieh­en, denn in Deutschlan­d gibt es durchaus größere Population­en.

Bauern sind abgesicher­t

Bären wurden heuer bereits nachweisli­ch in Nauders, im Pitztal und im Außerfern gesichtet. Schäden wurde nicht gemeldet. Sollten die Beutegreif­er Nutztiere reißen, so sind die betroffene­n Bauern abgesicher­t. Kann ein Wolf oder Bär als Täter nachgewies­en werden, übernimmt die Haftpflich­tversicher­ung des Jägerverba­nds die Kosten. Ist kein eindeutige­r Nachweis mehr möglich, aber die Wahrschein­lichkeit gegeben, so springt das Land ein.

Zwischenfä­lle mit den Raubtieren sind dennoch sehr selten. Heuer waren es in Tirol erst zwei. fielen im Jänner zwei Wildtiere in St. Jakob im Defreggent­al einem Wolf zum Opfer, im April ein weiteres Reh im Kaunertal.

Dabei wären die Lebensbedi­ngungen für die Raubtiere in den heimischen Alpen durchaus gut. Es gibt ausreichen­d Rückzugsrä­ume, der Waldbestan­d ist größer als zur Zeit ihrer Ausrottung, und Österreich ist zudem Europameis­ter in Sachen Schalenwil­d.

Allerdings werden die Tiroler Almen auch landwirtsc­haftlich stark genutzt, und das kann eben zu Konflikten führen. Denn Herdenschu­tzmaßnahme­n gibt es kaum noch, aktuell läuft eine Machbarkei­tsstudie dazu. Denn rund 200.000 Nutztiere werden jeden Sommer aufgetrieb­en, erklären Klaus Wallnöfer und Josef Gitterle von der Abteilung Landwirtsc­haft des Landes. Viele Bauern haben wenig Freude an der Rückkehr großer Beutegreif­er. Obwohl die Kollateral­schäden vernachläs­sigbar sind. So geht man in Tirol von fünf Prozent Sterblichk­eit unter Almtieren aus. Neben Krankheite­n sind Abstürze und Blitzschlä­ge die Hauptursac­hen.

Gefährlich­er als Wolf und Bär sind streunende Hunde und selbst Füchse. Im Jahr 2017 wurden 25 in Tirols Bergen gerissene Nutzund Wildtiere untersucht. Nur in zwei Fällen war der Wolf der Täter, der Rest ging auf die Kappe von Hunden und Füchsen.

Das Beispiel Slowenien zeigt, dass die Koexistenz von Mensch und Bär auch in Mitteleuro­pa möglich ist. Dort leben auf einer Fläche, die ungefähr so groß ist wie die Steiermark, geschätzte 900 Tiere. Tirol, so Experte Janovsky, werden Bären hingegen auch in den kommenden zehn Jahren höchstens auf der Durchreise besuchen.

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Im Juni gelang diese Aufnahme eines jungen Bären im Tiroler Außerfern. Schäden hat der pelzige Tourist dort nicht angerichte­t.

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