Bären sind in Tirol nur auf der Durchreise
Seit vergangener Woche wurden auf Tiroler Almen mehrere tote Schafe entdeckt. Ob sie einem Bären zum Opfer gefallen sind, ist noch nicht klar. Aber selbst wenn, besteht kein Grund zur Sorge, erklären Experten.
Am Dienstag vor einer Woche entdeckte ein Hirte in den Sellrainer Bergen nahe Innsbruck die ersten Kadaver. Diesen Montag folgte eine weitere Meldung toter Schafe aus dem Pitztal. Seitdem ist in den Tiroler Medien der Bär los. Denn es ist nicht ausgeschlossen, dass die Almtiere einem solchen pelzigen Gesellen zum Opfer gefallen sein könnten. Wenngleich ein Beleg dafür nach wie vor fehlt, wie Martin Janovsky, Beauftragter des Landes Tirols für große Beutegreifer, erklärt.
Aber allein die Vermutung genügt, um die Fantasie der Menschen anzuregen. So entpuppte sich eine gemeldete Sichtung des vermeintlichen Bären auf Nachfrage des Experten als vage Beobachtung aus mehr als 600 Metern Entfernung. Auch ein Beweisfoto, das Meister Petz nahe Pfaffenhofen
zeigen soll, war bloß ein Fake, der sich trotzdem rasch über soziale Medien verbreitete.
Janovsky selbst will das Ergebnis der DNA-Untersuchung abwarten, die derzeit noch läuft. Denn auch die zahlreichen im Berggebiet zwischen Inzing und Sellrain angebrachten Wildkameras hätten bisher keinen Hinweis auf die Anwesenheit eines Bären liefern können.
Dass in Tirol immer wieder große Beutegreifer wie Bären und Wölfe auftauchen, ist ein Fakt. Aber die Tiere sind lediglich auf der Durchreise, Populationen gibt es nicht. Meistens stammen die Bären aus dem benachbarten Trentino. In der Regel sind es junge Männchen auf Wanderschaft. Die Tiere legen bis zu 50 Kilometer pro Nacht zurück, erklärt Janovsky. Oft gehen sie entlang befestigter Straßen oder BahndämSo me. Das erklärt, warum etwa im Engadin bereits zwei Bären vom Zug überfahren wurden. Wölfe können auch von Norden hereinziehen, denn in Deutschland gibt es durchaus größere Populationen.
Bauern sind abgesichert
Bären wurden heuer bereits nachweislich in Nauders, im Pitztal und im Außerfern gesichtet. Schäden wurde nicht gemeldet. Sollten die Beutegreifer Nutztiere reißen, so sind die betroffenen Bauern abgesichert. Kann ein Wolf oder Bär als Täter nachgewiesen werden, übernimmt die Haftpflichtversicherung des Jägerverbands die Kosten. Ist kein eindeutiger Nachweis mehr möglich, aber die Wahrscheinlichkeit gegeben, so springt das Land ein.
Zwischenfälle mit den Raubtieren sind dennoch sehr selten. Heuer waren es in Tirol erst zwei. fielen im Jänner zwei Wildtiere in St. Jakob im Defreggental einem Wolf zum Opfer, im April ein weiteres Reh im Kaunertal.
Dabei wären die Lebensbedingungen für die Raubtiere in den heimischen Alpen durchaus gut. Es gibt ausreichend Rückzugsräume, der Waldbestand ist größer als zur Zeit ihrer Ausrottung, und Österreich ist zudem Europameister in Sachen Schalenwild.
Allerdings werden die Tiroler Almen auch landwirtschaftlich stark genutzt, und das kann eben zu Konflikten führen. Denn Herdenschutzmaßnahmen gibt es kaum noch, aktuell läuft eine Machbarkeitsstudie dazu. Denn rund 200.000 Nutztiere werden jeden Sommer aufgetrieben, erklären Klaus Wallnöfer und Josef Gitterle von der Abteilung Landwirtschaft des Landes. Viele Bauern haben wenig Freude an der Rückkehr großer Beutegreifer. Obwohl die Kollateralschäden vernachlässigbar sind. So geht man in Tirol von fünf Prozent Sterblichkeit unter Almtieren aus. Neben Krankheiten sind Abstürze und Blitzschläge die Hauptursachen.
Gefährlicher als Wolf und Bär sind streunende Hunde und selbst Füchse. Im Jahr 2017 wurden 25 in Tirols Bergen gerissene Nutzund Wildtiere untersucht. Nur in zwei Fällen war der Wolf der Täter, der Rest ging auf die Kappe von Hunden und Füchsen.
Das Beispiel Slowenien zeigt, dass die Koexistenz von Mensch und Bär auch in Mitteleuropa möglich ist. Dort leben auf einer Fläche, die ungefähr so groß ist wie die Steiermark, geschätzte 900 Tiere. Tirol, so Experte Janovsky, werden Bären hingegen auch in den kommenden zehn Jahren höchstens auf der Durchreise besuchen.