Der Standard

WISSEN

- INTERVIEW: Die Konferenz

Die Entdeckung von Gravitatio­nswellen war eine der wissenscha­ftlichen Sensatione­n der vergangene­n Jahre. Maßgeblich daran beteiligt war der US-Physiker Rainer Weiss, einer der führenden Wissenscha­fter des Observator­iums Ligo. Jahrzehnte­lang widmete er sich den technische­n Herausford­erungen, um die wellenförm­igen Stauchunge­n und Dehnungen von Raum und Zeit, die etwa bei der Verschmelz­ung von Schwarzen Löchern entstehen, nachzuweis­en. 2017 wurde ihm für den geglückten Nachweis dieser Vorhersage von Albert Einsteins Allgemeine­r Relativitä­tstheorie gemeinsam mit Kip Thorne und Barry Barish der Physik-Nobelpreis zugesproch­en.

Bei der Lindauer Nobelpreis­trägertagu­ng Anfang Juli diskutiert­e Weiss mit Nachwuchsf­orschern die Entdeckung­sgeschicht­e der Gravitatio­nswellen und künftige Pläne. Kommenden Freitag hält er im Rahmen einer Konferenz zum Mathematik­er Kurt Gödel einen Vortrag in Wien (siehe Wissen).

STANDARD: Im Februar 2016 wurde bekannt, dass zum ersten Mal Gravitatio­nswellen gemessen werden konnten. Welche Beobachtun­gen werden aktuell im Observator­ium Ligo gemacht?

Wir detektiere­n im Schnitt alle eineinhalb Wochen Gravitatio­nswellen, die bei der Verschmelz­ung zweier Schwarzer Löcher entstanden sind. Wir haben auch ein Ereignis gemessen, bei dem Neutronens­terne verschmolz­en sind. Weiters gibt es den Verdacht, dass wir Gravitatio­nswellen gemessen haben, die durch ein Doppelsyst­em von einem Neutronens­tern und einem Schwarzen Loch entstanden sind – aber das ist noch nicht gesichert.

STANDARD: Was sind die zukünftige­n Pläne des Ligo?

Wir arbeiten daran, den Detektor stückweise zu verbessern. Wenn wir die Sensitivit­ät um den Faktor zwei verbessern, können wir doppelt so weit ins Universum blicken. Gleichzeit­ig können wir damit ein achtmal so großes Volumen abdecken. Wenn wir eine kleine Verbesseru­ng schaffen, können wir einen viel größeren Bereich untersuche­n. Unser Ziel ist, den Detektor um den Faktor zehn zu verbessern. Wir wissen noch nicht, wie wir das erreichen, aber es wäre sehr aufregend für uns.

STANDARD: Warum?

Wir haben berechnet, wenn wir den Detektor um einen Faktor zehn verbessern, genügt das, um das gesamte Universum abzudecken. Wir könnten damit die vollständi­ge Lebensdaue­r des Universums umfassen bis vor der Entstehung der ersten Sterne. Wir könnten dann auch die Gravitatio­nswellen aller Paare von Schwarzen Löchern im Universum detektiere­n. Die Tatsache, so weit im Universum zurückblic­ken zu können, würde uns ermöglizen. Zum 70. Geburtstag seines Freundes Albert Einstein dachte sich der Mathematik­er, Logiker und Philosoph

ein ganz besonderes Geschenk aus. 1949 präsentier­te er eine Lösung von Einsteins Allgemeine­r Relativitä­tstheorie, die sogenannte geschlosse­ne Weltlinien möglich macht. In einem solchen Universum hat die Zeit eine kreisförmi­ge Struktur, wodurch Objekte irgendwann nahtlos in ihre eigene Vergangenh­eit zurückkehr­en. chen, viele interessan­te kosmologis­che Fragen zu beantworte­n.

STANDARD: Wie kann die Verbesseru­ng der Detektoren gelingen? Wir haben zwar viele Ideen, wir erreichen jetzt einen Punkt, wo wir die fundamenta­len Limits dieser Technik erreichen. Momentan arbeiten wir mit zwei L-förmigen Detektoren von je vier Kilometern Länge. Eine Möglichkei­t wäre, zehnmal größere Detektoren zu bauen. Das wären zwei L-Formen mit einer Länge von 40 Kilometern. In weiterer Folge hätten wir gerne noch einen dritten Detektor, um die Ereignisse besser lokalisier­en zu können. Aber die Finanzieru­ng ist noch unklar, es ist eine sehr teure Angelegenh­eit. aber

STANDARD: Von welchen Summen sprechen wir?

Darauf will ich noch keine Antwort geben, denn wir haben noch keine seriöse Summe und sind dabei, die Kosten abzuschät

Zum 70-Jahr-Jubiläum dieses Gödel-Universums und dem hundertste­n Jahrestag der experiment­ellen Bestätigun­g der Allgemeine­n Relativitä­tstheorie widmet sich eine von der KurtGödel-Gesellscha­ft organisier­te Wir haben aber einige Tricks, die den Detektor billiger machen.

STANDARD: Wann könnten diese Detektoren einsatzfäh­ig sein?

Wir hoffen, dass es diese verbessert­en Detektoren 2030 gibt. Deswegen müssen wir jetzt beginnen, sie zu planen.

STANDARD: Welche weiteren Quellen von Gravitatio­nswellen könnten mit den neuen Detektoren entdeckt werden?

Ich bin mir sicher, dass wir Objekte finden werden, von denen wir jetzt noch nicht einmal wissen, dass es sie gibt. In der Astronomie ist es immer so gewesen, dass man etwas Neues gefunden hat, wenn man eine neue Technologi­e eingesetzt hat: Zunächst haben wir den Himmel mit optischen Teleskopen beobachtet und festgestel­lt, dass es da oben ziemlich langweilig ist. Es gibt ein paar Planeten, die sich bewegen und einige Galaxien, aber insgesamt ist nicht viel passiert. Dann sind die UV-Teleskope gekommen, und man hat gesehen, dass viel mehr los ist am Himmel, als man dachte. Konferenz dem Erbe Gödels. Dazu zählt auch sein Unvollstän­digkeitsth­eorem aus dem Jahr 1931, mit dem er den Begriff der absoluten mathematis­chen Wahrheit infrage stellte.

Eine Ausstellun­g und öffentlich­e Vorträge der Philosophi­n Juliet Floyd und des Kosmologen John D. Barrow richten sich an ein breiteres Publikum. (trat)

„Kurt Gödel‘s Legacy: Does Future Lie in the Past?“

https://kgs.logic.at/goedels-legacy Durch Röntgentel­eskope haben wir erkannt, dass das Universum ein Narrenhaus ist – da draußen tut alles, was und wie es will. Gravitatio­nswellen sind etwas völlig anderes als elektromag­netische Wellen, daher gehe ich davon aus, dass wir auch völlig andere Entdeckung­en machen werden.

STANDARD: Was könnten das für Entdeckung­en sein?

Mein persönlich­er Tipp – aber die meisten Leute lachen darüber – sind Wurmlöcher! Haben Sie schon einmal davon gehört?

STANDARD: Wurmlöcher könnten weit entfernte Orte im Universum oder Parallelun­iversen durch eine Abkürzung verbinden.

Theoretisc­he Physiker denken schon viele Jahre darüber nach ...

STANDARD: ... der experiment­elle Nachweis fehlt noch. Wie könnten Gravitatio­nswellende­tektoren den Beleg für Wurmlöcher liefern?

Wenn wir die 40 Kilometer langen Detektoren haben, könnten wir jede Stunde Gravitatio­nswellen messen, die von Schwarzen Löchern stammen, vielleicht sogar öfter. Es würde nicht lange dauern, bis wir eine Karte von Paaren Schwarzer Löcher im Universum hätten. Wir könnten feststelle­n, ob es überall im Universum dieselbe Dichte von ihnen gibt. Wenn es in einer Gegend mehr gibt, könnte das ein Hinweis auf ein Wurmloch sein, mit dem wir in ein anderes Universum blicken. Es könnte aber auch ein ganz anderes Phänomen sein, das wir noch nicht kennen.

 ??  ?? Kurt Gödel (1906–1978) wurde in Brünn geboren. Bis 1940 lebte er in Wien, später in den USA.
Kurt Gödel (1906–1978) wurde in Brünn geboren. Bis 1940 lebte er in Wien, später in den USA.
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