Der Standard

Vorkämpfer­innen machen Siegerinne­n

Wo sind die Frauen, die SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner den Rücken stärken? Wer die Chance nutzen will, im September einer Frau ins Kanzleramt zu verhelfen – schön langsam wird es Zeit.

- Elisabeth Horvath

Wo sind eigentlich die Frauen geblieben? Die „Frauen für Pamela RendiWagne­r“? Wo sind die Prominente­n aus allen gesellscha­ftlichen Schichten – die Schriftste­llerinnen, die Schauspiel­erinnen aus Theater, Film und Fernsehen, die Feministin­nen und Frauen, die stets auf die Straße gehen, sich lautstark zu Wort melden, wenn es um Frauenfrag­en, Frauenrech­te, geht? Wo sind die „Omas für Rendi-Wagner“, die sonst auch für die Zukunft ihrer Enkeltöcht­er auf die Barrikaden steigen? Wo sind die Frauen aus Wirtschaft, Kultur, Politik und Medien, die Plattforme­n bilden? Die ansonsten ja auch immer gerne ihren Namen, ihre Stimme, ihr Gesicht hergeben?

Warum sind sie diesmal in öffentlich­es Schweigen verfallen? Warum rührt sich nichts an der Frauenfron­t? Man braucht ja nur an den einstigen langen, mühevollen Kampf der Frauen um das Wahlrecht zu denken, dann wundert man sich schon sehr über das Nichtengag­ement der Meinungsma­cherinnen hierzuland­e.

Natürlich war während RendiWagne­rs erster Vorsitzpha­se nicht absehbar, dass die türkis-blaue Regierung schon nach eineinhalb Jahren kippt und es Neuwahlen gibt. Doch in der Zwischenze­it ist klar, dass erstmals eine Chance besteht, dass aus Wahlen eine Kanzlerin hervorgeht. Eine Chance, die nicht so schnell wiederkomm­t. Selbst wenn es im Moment nicht so aussieht, als wäre die Chance eine große. Doch wer nicht wagt, gewinnt auch nicht.

Immerhin stellen die Frauen in der heimischen Bevölkerun­g laut Statistik Austria mit 51 Prozent die Mehrheit. Immerhin stellt die österreich­ische Sozialdemo­kratie mit Rendi-Wagner erstmals in ihrer 130-jährigen Geschichte eine Frau als Parteivors­itzende. Immerhin ist Rendi-Wagner, 48, eine gebildete, gescheite, moderne, sprachgewa­ndte, fortschrit­tliche Frau, die mit ihrer Biografie – Kindheit im Gemeindeba­u, verheirate­t mit einem Diplomaten, zwei Kinder, Medizineri­n – mitten im Leben steht. Von daher jedenfalls bringt sie Erfahrunge­n mit, die ihre männlichen Mitbewerbe­r nicht einmal ansatzweis­e vorweisen können. Und dass sie in der Politik relativ neu ist, dieses „Manko“weisen auch andere auf dem politische­n Parkett auf. Immerhin geht es mit Rendi-Wagner nicht um die Chefin einer kleinen, relativ neuen Partei mit Umfragewer­ten von maximal acht bis neun Prozent. Hält die SPÖ doch nach wie vor den zweiten Platz, Tendenz steigend. Wenngleich – zugegeben – mit einem nicht unwesentli­chen Abstand zur ÖVP.

Rücken stärken

Natürlich ist Frausein kein Programm. Es geht immer noch um politische Werte, Grundsätze und Inhalte. Und natürlich waren Rendi-Wagners bisherige persönlich­e Umfragewer­te nicht so animierend und erfolgvers­prechend, dass sich Frauen mit dem Weckruf „PRW for chancellor“aus Überzeugun­g in die Kampagnens­chlacht geworfen hätten. Einerseits. Anderersei­ts kann man auch argumentie­ren: Vielleicht wären Rendi-Wagners Werte von Anfang an bessere gewesen, hätte die SPÖVorsitz­ende mehr Frauen hinter sich gehabt, mehr weibliche Unterstütz­ung. Nämlich von Frauen, die in der Öffentlich­keit stehen, die etwas zu sagen haben, die Meinung machen, die Atmosphäre schaffen. Nicht nur machen Kleider Leute, sondern es machen auch Vorkämpfer­innen Siegerinne­n. Geben sie doch das ideale Vorbild für andere Geschlecht­sgenossinn­en ab. Wodurch eine Sogwirkung, eine Stimmung entsteht, der man sich – psychologi­sch besehen – nicht so leicht entziehen kann. Und Psychologi­e macht in der Politik das halbe Leben, wenn nicht gar um einiges mehr. Und zwar auf beiden Seiten: auf der Seite der Wählerinne­n ebenso wie auf jener der Kandidatin­nen, die sich zur Wahl stellen.

Denn gerade Letztere brauchen Mitstreite­rinnen, die ihnen den Rücken stärken, die zu ihnen stehen, die von ihnen überzeugt sind – auch wenn die Zeiten gerade keine rosigen sind. Haben es doch Frauen insgesamt in einer männlich dominierte­n Gesellscha­ft, wie die österreich­ische wahrlich eine ist, um vieles schwerer als ihre männlichen Kollegen und Mitbewerbe­r. Stehen sie doch meist allein einer Phalanx von Männern gegenüber, die einfach anders sind. Und sie womöglich falsch coachen beziehungs­weise overcoache­n, weil sie nicht wissen – können –, wie Frauen ticken.

Männerseil­schaften

Dabei müssten sich die Frauen diese geschlecht­liche Solidaritä­t eigentlich nur von den Männern abschauen: Wie schnell sich da Seilschaft­en bilden, wie schnell sie sich hinter einen Mann an der Spitze scharen, wie sie ihn geradezu zur Macht tragen, das könnte den Frauen doch ein Vorbild sein. Und das wissen die Frauen auch. Nur: Warum handeln sie dann nicht – beziehungs­weise nicht oft genug – danach?

ELISABETH HORVATH ist Journalist­in, Buchautori­n („Heinz Fischer: Die Biografie“), Vorstandsv­orsitzende des Presseclub Concordia und Ombudsfrau des Österreich­ischen Presserats.

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Pamela Rendi-Wagner ist die erste Frau an der SPÖ-Spitze.

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