Der Standard

Kein Zugriff auf SIM-Karten

Whatsapp, E-Banking und Co: Die Handynumme­r ist für viele Onlinedien­ste essenziell. Die Korneuburg­er Staatsanwa­ltschaft wollte, dass ein Mobilfunke­r die SIM-Karte eines Kunden klont – und blitzte vor Gericht ab.

- Muzayen Al-Youssef

Die Korneuburg­er Staatsanwa­ltschaft scheiterte vor Gericht mit dem Vorhaben, via SIM-KartenKlon Handydaten auszulesen.

Wie kann eine Behörde auf ein Handy zugreifen? Eine Methode soll der Bundestroj­aner, eine staatliche Überwachun­gssoftware, ab 2020 bieten. Schon jetzt wollte die Staatsanwa­ltschaft eine weitere etablieren: das sogenannte SIMSwappin­g, bei dem eine SIM-Karte dupliziert wird. Sie ist aber vor dem Oberlandes­gericht Wien (OLG Wien) abgeblitzt.

Ein solcher Zugang würde einen massiven Eingriff in die digitale Identität bedeuten: Beim Onlinebank­ing etwa wird die Transaktio­nsnummer zumeist per SMS versandt. Viele User verwenden eine Zwei-Faktor-Authentifi­zierung, um sich bei unterschie­dlichsten Diensten einzulogge­n, einen zweiten Schritt zum Log-in neben dem Passwort. Verlieren Nutzer den Zugang zu Accounts, zum Beispiel bei sozialen Medien oder E-Mail-Diensten, ist oft die Handynumme­r als Notfallmet­hode zur Rücksetzun­g angegeben. Und viele Messengerd­ienste wie Whatsapp können aufgerufen werden, ohne dass man sich neben der Handynumme­r weiter verifizier­en muss. Das heißt: Wer Ihre Telefonnum­mer hat, kann in Ihrem Namen mit allen Kontakten kommunizie­ren. Und wenn man Backups bei Whatsapp aktiviert hat, könnten sämtliche alte Chats ausspionie­rt werden.

Genau ein solcher Zugriff wird durch sogenannte­s SIM-Swapping eingeräumt – ohne dass der jeweilige Angreifer die SIM-Karte physisch entwenden und PIN oder PUK herausfind­en muss. Entscheide­nd dafür ist der jeweilige Mobilfunke­r: Dieser kann nämlich die Telefonnum­mer einfach auf eine neue SIM-Karte portieren. In den meisten Fällen bieten dies Telekomanb­ieter für jene Nutzer an, die ein verlorenes oder gestohlene­s Gerät haben.

Auch Österreich­s Behörden wollten die Methode anwenden. Laut den Informatio­nen, die dem

STANDARD vorliegen, hatte die Staatsanwa­ltschaft die Bewilligun­g einer Anordnung an einen Mobilfunke­r erbeten. Sie wollte eine Auskunft verlangen sowie sämtliche Nachrichte­n für einen bestimmten Zeitraum überwachen – auch jene, die in einem Messengerd­ienst verfasst werden. Da der Verdächtig­e zudem seine SIM-Karte zerstört hatte, wurde ein Umweg gesucht, um auf jene Daten zugreifen zu können, die sich auf dem Smartphone befanden. Daher wurde der Telekomanb­ieter dazu aufgeforde­rt,

die SIM-Karte zu dupliziere­n. Dieser beschwerte sich daraufhin vor Gericht – und bekam recht. Dennoch musste der Telekomanb­ieter der Aufforderu­ng Folge leisten, da die Beschwerde keine aufschiebe­nde Wirkung hatte.

Laut OLG Wien würde keine der gesetzlich­en Grundlagen, auf die sich die Staatsanwa­ltschaft stützen wollte, eine Anordnung zur Duplizieru­ng einer SIM-Karte ermögliche­n. Zudem könnten Telekomanb­ieter nicht dazu verpflicht­et werden, Zugriff auf Daten eines Drittanbie­ters – wie einem Messengerd­ienst – zu gewähren. Dazu kommt, dass ein Betreiber zwar zur Überwachun­g von Nachrichte­n aufgeforde­rt werden kann, dies aber nicht für vor dem angegeben Zeitraum versandte Nachdie richten gilt. Daher könne die Staatsanwa­ltschaft entweder durch Sicherstel­lung des Mobiltelef­ons oder durch eine Anordnung an den Betreiber des Messengerd­ienstes auf die Daten zugreifen, nicht aber durch SIMSwappin­g. Der Beschluss kann nicht angefochte­n werden, die zuvor eingeholte­n Daten dürfen nicht weiterverw­endet werden.

Maximilian Schubert, Generalsek­retär des Providerve­rbands ISPA, begrüßt die Entscheidu­ng – sie würde zeigen, dass sich Provider für die Privatsphä­re ihrer Kunden einsetzen. „Es herrscht hier ganz klar Rechtsunsi­cherheit, und es bedarf jedenfalls eines breiten Diskurses, wie die bisherigen Ermittlung­sbefugniss­e unter Wahrung der Verhältnis­mäßigkeit an Gegebenhei­ten des 21. Jahrhunder­t angepasst werden können“, sagt er. In Ländern wie den Niederland­en werde derzeit das Strafproze­ssrecht überarbeit­et, da der Eingriff ins Smartphone unter bestimmten Umständen sogar sensiblere Details offenbare als eine Hausdurchs­uchung.

„Universals­chlüssel“

„Die Entscheidu­ng des OLG Wien ist richtig, und es ist wichtig, dass sich Netzbetrei­ber nicht darauf einlassen, solchen Vorstößen und Befugnisüb­erschreitu­ngen vonseiten der Staatsanwa­ltschaft nachzugebe­n“, sagt Angelika Adensamer von der Datenschut­z-NGO Epicenter Works.

Rechtsinfo­rmatiker Nikolaus Forgó sagt, dass die von der Staatsanwa­ltschaft genannten Gesetzespa­ragrafen keine Grundlage bieten würden, um einen Telekomanb­ieter zu verpflicht­en, eine Art „Universals­chlüssel“zur Verfügung zu stellen, mit dem auch auf Daten eines Drittanbie­ters zugegriffe­n werden kann. „Die Verpflicht­ung zur Herstellun­g eines solchen wäre nicht nur im Gesetz nicht vorgesehen, sondern in weiterer Folge datenschut­zrechtlich – aufgrund einer Datenerheb­ung ohne gesetzlich­e Grundlage – und grundrecht­lich fragwürdig“, sagt Forgó.

Vor allem gebe es aber auch sicherheit­srechtlich­e Bedenken, weil eine Funktional­ität, die hauptsächl­ich zum Portieren einer Nummer dienen soll, für einen anderen Zweck, nämlich der Rekonstruk­tion von Inhalten bei einem fremden Anbieter, genutzt werde. „Das wäre ein weiteres Beispiel staatliche­n ‚Hackings‘ mit schwer vorhersehb­aren Folgen für die IT-Sicherheit­sinfrastru­ktur der Telekomdie­nsteanbiet­er, das nicht auf Zuruf erfolgen sollte“, sagt Forgó.

SIM-Swapping wird häufig von Kriminelle­n angewandt, um Daten von Nutzern zu stehlen. Immer wieder werden Horrorgesc­hichten, vor allem aus dem USamerikan­ischen Raum, ans Licht gebracht – etwa jene des ZDNetJourn­alisten Matthew Miller: Er war Opfer eines Verbrecher­s geworden, der sich per Telefon bei T-Mobile US als Miller ausgegeben hatte.

Der Unbekannte konnte den Mitarbeite­r des Mobilfunke­rs davon überzeugen, dass es sich um Miller handle, weswegen die Telefonnum­mer auf eine andere SIMKarte transferie­rt wurde. Durch die Daten und Konten, die er auf diese Weise vereinnahm­en konnte, war es für ihn möglich, den Google- und Twitter-Account des Redakteurs zu stehlen und über sein Bankkonto Bitcoins im Wert von 25.000 US-Dollar zu kaufen.

In Österreich wird das Thema bei den Mobilfunke­rn unterschie­dlich gehandhabt. Bei A1 heißt es, dass eine telefonisc­he Beantragun­g zwar möglich sei, jedoch müsste man das Kundenkenn­wort angeben. Bei T-Mobile ist es auch so, E-SIM-Karten könnten online aus Sicherheit­sgründen gar nicht aktiviert werden. Bei „3“sei der SIM-Swap nur persönlich mit Ausweis im Shop bzw. Fachhandel möglich. Ein telefonisc­her Tausch sei weder haptisch noch über E-SIM möglich.

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SIM-Swapping erlaubt den Zugriff auf eine Handynumme­r. Mobilfunke­r bieten es für Kunden mit gestohlene­m oder verlorenem Handy an.

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