Der Standard

Affäre „Reisswolf “: Ein Fressen für die Opposition

Die Schredder-Affäre und auch die Anwürfe der anonymen Online-Plattform „Zoom“können Sebastian Kurz momentan nicht wirklich schaden, glauben Politikwis­senschafte­r. Die Opposition sieht das anders und macht mächtig mobil gegen den Ex-ÖVP-Kanzler.

- Katharina Mittelstae­dt, Walter Müller, Conrad Seidl

Schredder-Affäre, Zoom-Internetpl­attform mit halbseiden­en DrogenVerd­ächtigunge­n gegen Sebastian Kurz: Die ÖVP und der Ex-Kanzler sind in der Defensive und haben sich einigen Erklärungs­bedarf eingehande­lt. Aber kann die Affäre um geschredde­rte Akten aus dem Kanzleramt Sebastian Kurz tatsächlic­h in der Wählerguns­t schaden? Politikwis­senschafte­r Peter Filzmaier sagt: „Nach jetzigen Stand nicht.“Das Meinungsbi­ld in der Bevölkerun­g richte sich eher gegen alle drei größeren Parteien. Wie bei den Parteifina­nzierungen, nach dem Motto: Machen eh alle.

Ändern könnte sich das Bild nur, wenn mehr Substanz ins Spiel komme, wenn Sebastian Kurz persönlich involviert sei und nachgewies­en werde, dass er selbst von den Vorgängen gewusst habe. Noch aber gehe die „Schredder-Causa“nicht über eine Bubble-Diskussion hinaus und werde wohl wenig am 15-Prozent-Vorsprung von Sebastian Kurz ändern. Man dürfe auch nicht vergessen: Die Silberstei­n-Affäre habe letztendli­ch nur marginale Auswirkung­en auf das Wählerverh­alten gehabt, sagt Filzmaier im Gespräch mit dem Standard.

Türkise Themen überlagert

Nachteilig sei für die ÖVP jetzt nur, dass die Schredder-Affäre andere Themen, die die ÖVP gerne spielen würde, überlagere.

Auch der Meinungsfo­rscher Werner Beutelmeye­r vom Linzer Market-Institut bezweifelt, dass sich die Schredder-Affäre auf das Wahlergebn­is auswirken wird. „Gut ist das natürlich nicht, wenn solche Sachen öffentlich diskutiert werden – aber wenn da nicht noch was nachkommt, glaube ich nicht, dass das eine große Tragweite bekommt.“Solche Diskussion­en beschäftig­ten vor allem Politik-Insider. Bei den meisten Medienkons­umenten bleibe wohl nur hängen, dass Daten vernichtet wurden, damit sie nicht dem politische­n Gegner in die Hände fallen. Und daran werde man kaum Anstoß nehmen.

Anders sei das bei der Parteifina­nzierung. Diese habe ohnehin keinen guten Ruf, und die Diskussion löse Unbehagen aus. Das schade allen Parteien, vor allem aber der ÖVP. Diese These hatte der Meinungsfo­rscher Peter Hajek bereits im Juni vertreten, als das Parteispen­denthema in die Diskussion gekommen war.

Ein gefundenes Fressen ist die Causa Reisswolf aber jedenfalls für die Opposition. Die Erklärungs­versuche der ÖVP, weswegen Festplatte­n des Bundeskanz­leramts heimlich durch den Schredder gejagt wurden, prallen an den Mitbewerbe­r ab. SPÖ, FPÖ, Jetzt sowie Grüne kritisiere­n das Verhalten der einstigen Regierungs­partei scharf.

SPÖ hält ÖVP für unglaubwür­dig

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner wendete sich am Mittwoch dann auch via Video ans Volk: Sie verstehe sich als „Sprachrohr der Menschen“, wenn sie „klare und rasche Aufklärung“fordere, sagt sie da. „Schluss mit Vertuschun­g und dem Schweigen.“Ihr Wahlkampfm­anager Christian Deutsch zieht außerdem in Zweifel, dass es sich um eine Aktenverni­chtung im Zuge des Regierungs­wechsels gehandelt habe. Das sei allein aufgrund des Zeitpunkts der Schredder-Aktion – nämlich bereits vier Tage vor dem erfolgreic­hen Misstrauen­santrag – nicht glaubwürdi­g.

Man muss dazu sagen: Angekündig­t war am Tag der dubiosen Datenverni­chtung zumindest bereits, dass die Liste Jetzt Kurz als Kanzler abwählen möchte. Unterstütz­ung von SPÖ und FPÖ für das Vorhaben zeichnete sich langsam ab.

Ähnlich wie die SPÖ argumentie­rt auch Peter Pilz. Der Jetzt-Abgeordnet­e ortet in der Schredder-Affäre aber außerdem einen Konnex zum ehemaligen Kanzleramt­sminister Gernot Blümel. Dessen Referent soll den Auftrag zur Vernichtun­g von fünf Festplatte­n gegeben haben, glaubt Pilz. Es handle sich um Vernichtun­g staatliche­n Eigentums, betont der Listengrün­der. Jetzt strebt schnellstm­öglich eine Sondersitz­ung des Nationalra­ts an, wofür aber – wegen der Sommerpaus­e des Parlaments – zumindest die Stimmen von SPÖ und FPÖ nötig sind.

Sowohl SPÖ als auch FPÖ finden es allerdings noch zu früh für eine Sitzung, wie aus den jeweiligen Klubs zu hören ist. Beide Fraktionen verwiesen auf die zahlreiche­n Anfragen an die Regierung zu diesem Thema, die nun eingebrach­t wurden. Somit ist eine Sitzung wohl frühestens im August denkbar.

Einen anderen Vorschlag haben die Grünen, die aufgrund ihres Fehlens im Parlament an der Sitzung ohnehin nicht teilnehmen könnten: Bundesspre­cher Werner Kogler forderte einen parlamenta­rischen Untersuchu­ngsausschu­ss in der Causa.

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