Der Standard

Einmal durchleuch­ten, bitte!

Vor dem Parteientr­ansparenzs­enat musste sich bisher kaum eine Partei fürchten. Mit Gunther Gruber an seiner Spitze hat das Gremium zwar immer noch keine Prüfkompet­enz, könnte aber aktiver auftreten, als manchem lieb ist.

- Karin Riss

Im obersten Stockwerk des Bundeskanz­leramts sitzt Gunther Gruber und wundert sich. Natürlich nicht zu offensicht­lich, das gebietet das Understate­ment des Verwaltung­sjuristen. Aber er wundert sich.

Seit Oktober 2018 ist Gruber zum Vorsitzend­en des sogenannte­n Parteientr­ansparenzs­enats aufgestieg­en. Und auf den fällt seit dem Auffliegen der Ibiza-Affäre und der im Video vom damaligen Vizekanzle­r Heinz-Christian Strache (FPÖ) freimütig geschilder­ten illegalen Umgehung der Gesetze zur Parteienfi­nanzierung deutlich mehr Licht der Öffentlich­keit, als es jemals zuvor der Fall war.

Mitte Juli hatte der Rechnungsh­of angekündig­t, ÖVP und SPÖ beim „unabhängig­en Parteientr­ansparenzs­enat“, wie das Dreiergrem­ium – kurz UPTS – juristisch korrekt heißt, anzuzeigen. Die Vorwürfe: Überschrei­tung der Wahlkampfk­ostenoberg­renze sowie unzulässig­e oder zu spät gemeldete Spenden. Die drohende Konsequenz: Bußgeldzah­lungen. Auch die FPÖ könnte die Juristen, die von Verfassung­s-, Verwaltung­s- und Oberstem Gerichtsho­f nominiert und von der Regierung im Einvernehm­en mit dem Hauptaussc­huss des Nationalra­ts bestellt werden, noch beschäftig­t halten. Der von den Blauen vorgelegte Rechenscha­ftsbericht wurde bisher aber wegen fehlender Unterschri­ften nicht vom Rechnungsh­of veröffentl­icht.

Binsenweis­heit

Das angekündig­te Schreiben des obersten Kontrollor­gans der Republik sei bei ihm mit zweiwöchig­er Verspätung, eingetrude­lt, sagt Gunther Gruber. Das ist aber nicht der Grund für Herrn Grubers Verwunderu­ng, die rührt von woanders her. Um die zu verstehen, muss man wissen, was passiert, wenn endlich einmal alles vorliegt. Wie machen sich der Verwaltung­sjurist Gruber, der ehemalige Verfassung­srichter Hans Georg Ruppe, die Vizepräsid­entin des Rechtsanwa­ltskammert­ags, Marcella Prunbauer-Glaser, und eine Handvoll Mitarbeite­r an die Arbeit?

Die drei Senatsmitg­lieder haben zwei Hauptinfor­mationsque­llen zur Rechtsfind­ung bei der Hand: den Bericht des Rechnungsh­ofs und die Stellungna­hmen der Parteien. Das klingt bescheiden. Und das ist es auch. Parteienfi­nanzierung­sexperte Hubert Sickinger beschreibt die Verlässlic­hkeit der Parteienan­gaben mit einer Binsenweis­heit: „Eine nicht deklariert­e Spende ist ja gerade der Verstoß.“Wenn eine Partei ihre Aufgabe nicht ordentlich erledige, laufe das System „ins Leere“. Ähnlich zahnlos sind die Kompetenze­n des Rechnungsh­ofs. Der darf nämlich gar nicht selbst prüfen, sondern soll nur bestätigen, was die von ihm bestellten (und von der jeweiligen Partei vorgeschla­genen) Wirtschaft­sprüfer (zwei pro Partei) bereits geprüft haben.

Weil zwischen Theorie und Praxis aber immer noch der Faktor Mensch liegt und weil der Rechnungsh­of der Rechnungsh­of ist, beschränkt er sich nicht immer auf die ihm zugewiesen­e Statistenr­olle. Orten die Prüfer einen Verstoß gegen das Parteienfi­nanzierung­sgesetz, beginnen sie zu recherchie­ren. Medienberi­chte, Partei- und Vereinssta­tuten, Websites – alles, was abseits des per Gesetz verunmögli­chten Blicks in die Bilanzbüch­er der Parteien in Erfahrung zu bringen ist, wird dafür herangezog­en.

Der ÖVP brachte das zuletzt Ärger in Zusammenha­ng mit exakt 46,9 Quadratmet­ern im niederöste­rreichisch­en Wolkersdor­f ein. Ein „richtungsw­eisender Fall“, bei dem man, was die Bewertung von Sachspende­n anlangt, sagt Senatsvors­itzender Gruber, deutlich „zielorient­ierter“als in der Vergangenh­eit vorgegange­n sei. Der Anlass, kurzgefass­t: Der örtliche Seniorenbu­nd hatte von der Stadtgemei­nde einen Klubraum plus Küche unentgeltl­ich zur Verfügung gestellt bekommen – ein Verstoß gegen jenen Paragrafen im Parteienge­setz, der Spendenann­ahmen von einer öffentlich­en Körperscha­ft für unzulässig erklärt. Die neue Volksparte­i sieht das offensicht­lich anders. Bereits während des Verfahrens haben die Türkisen alles unternomme­n, um sich von ihrer Teilorgani­sation zu distanzier­en. Den Spruch des Parteiense­nats – 4000 Euro Geldbuße – will die ÖVP nicht akzeptiere­n, man brachte Beschwerde beim Bundesverw­altungsger­icht ein. Dort liegt der Fall jetzt seit Dezember 2018.

Erst danach wird sich zeigen, ob der vom Senat betretene juristisch­e Weg zum Sanktionsz­iel führt. Wenn ja, könnte es spannend werden. Denn auch bei der neu anhängigen Anzeige des Rechnungsh­ofs geht es um unzulässig­e Sachspende­n. Das könnte diesmal teuer werden. Das Land Oberösterr­eich hatte roter und schwarzer Parteijuge­nd Seegrundst­ücke viel zu billig zur Verfügung gestellt. Jetzt geht es um einen Gegenwert von 93.000 bzw. 165.000 Euro – und Geldbußen in bis zu dreifacher Höhe.

Gruber hält das Thema Sachspende­n jedenfalls für „ein ziemlich weites Feld“. Das soll wohl heißen: Mit der laut Parteienex­perte Sickinger „extrem formalisti­schen Argumentat­ion“, mit der sich der Senat unter seinem ehemaligen Leiter Ludwig Adamovich in einigen Fällen „um millionens­chwere Geldbußen für die Parteien herumgedrü­ckt hat“, könnte es vorbei sein.

Missglückt­e Feuertaufe

2013, im Geburtsjah­r des Parteientr­ansparenzs­enats, hatte der Rechnungsh­of insgesamt 27 mutmaßlich­e Verstöße gegen das Parteienge­setz angezeigt. Zu Verurteilu­ngen kam es nur in zwei Fällen: Das BZÖ sollte 15.000 Euro zahlen, weil die niederöste­rreichisch­e Landespart­ei im Rechenscha­ftsbericht fehlte. Das Team Stronach hatte für den damaligen Wahlkampf um 6,5 Millionen Euro mehr als erlaubt ausgegeben – was der Milliardär­spartei später eine Bußzahlung von 567.000 Euro (die bisher höchste, vom Senat verhängte, Wiedergutm­achungssum­me) einbrachte. Parteienex­perte Sickinger spricht trotzdem von einer „schweren Niederlage“des damals auf fünf Jahre bestellten Gremiums.

Der Rechnungsh­of machte danach einige Jahre Dienst nach Vorschrift. Jetzt geht man das Thema wieder forscher an, wohl testend, ob sich die Spruchprax­is des Senats in der Zwischenze­it geändert hat. Im Eifer des Gefechts werden Gruber, Ruppe und Prunbauer-Glaser jetzt sogar mehr in die Pflicht genommen, als ihnen lieb ist. So erklärte der Rechnungsh­of Mitte Juli, der UPTS solle klären, ob die bereits bekannten Förderunge­n des Landes Tirol an den Verein Tiroler Kinderwelt letztlich für den Wahlkampf des ÖVP-Kandidaten Dominik Schrott verwendet worden seien. Offen bleibt nur: Wie soll der Senat das leisten?

Sprung in die Gegenwart: Wird mit der Anfang Juli von SPÖ, FPÖ und Jetzt beschlosse­nen Novelle des Parteienge­setzes

(s. Wissen) alles besser? Skepsis im Blick des Senatsvors­itzenden Gruber. Entgeister­ung in der Stimme von Parteienex­perte Sickinger. Denn schon bei der Ausgabe des neuen „Werkzeugs“haben die Parteien dem Senat gewisserma­ßen ein Ei gelegt. „Eine Woche vor dem Stichtag“sollte das Gremium seine Sachverstä­ndigen bereits zur Wahlkampfb­eobachtung bestellt haben. Der Stichtag für die bevorstehe­nde Nationalra­tswahl war der 9. Juli, demnach hätten die Experten bis 2. Juli bestellt werden müssen. Der Haken: Beschlosse­n wurde das Gesetz erst am 3. Juli. Schilda lässt grüßen.

Gruber und seine Kollegen wählten den pragmatisc­hen Weg. Sie sichten gerade im Eilverfahr­en Bewerbunge­n und wollen möglichst schnell mit den neuen Aufgaben starten. Hubert Sickinger hält die Expertenbe­stellung ohnehin für „rein symbolisch­e Politik“. Der UPTS sei „ein reiner Strafsenat“, die Kommission folglich „bei der falschen Institutio­n“gelandet. Sickinger hält es für eine „Aufgabe des Rechnungsh­ofs“, die Parteien mit Ungereimth­eiten, die sich zwischen deren Angaben und den Beobachtun­gen der Sachverstä­ndigen ergeben, zu konfrontie­ren.

Lücken, die keiner stopft

Gruber setzt auch hier auf Pragmatik: Letztlich würde sich aus der zeitlichen Abfolge der Berichte sowieso ergeben, dass der Rechnungsh­of bei seiner Prüfung der Rechenscha­ftsbericht­e künftig auf die Informatio­nen der Sachverstä­ndigen zugreifen kann, denn: Fünf Monate nach dem Wahltag (diesmal am 29. Februar) muss deren Monitoring­bericht vorliegen, die Parteien wiederum müssen jeweils bis zum 30. September die Basics ihres wirtschaft­lichen Unterbaus an den Rechnungsh­of melden.

Dass die jetzt beschlosse­ne Novelle eine umfassende Kontrolle der Parteifina­nzen möglich mache, diesen Eindruck versucht Gruber erst gar nicht zu wecken. Ob manche Gesetzeslü­cke gar von den Parteien ganz bewusst so gewollt sein könnte? Sagen wir es so: Herr Gruber wundert sich.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria