Der Standard

Österreich­er seit sechs Monaten im Iran in Haft

Schon Ende Jänner wurde in Teheran der Generalsek­retär der österreich­isch-iranischen Gesellscha­ft, Massud Mossaheb, verhaftet. Er begleitete das niederöste­rreichisch­e Unternehme­n Med Austron.

- Gudrun Harrer

Es ist noch nicht lange her, da galt Österreich als möglicher Vermittler, wenn andere Länder zugunsten ihrer Staatsbürg­er, die in die Mühlen der iranischen Justiz geraten waren, tätig wurden: Heutzutage hingegen gelingt es Österreich nicht, etwas für die eigenen Leute zu tun, die in iranischen Gefängniss­en sitzen. Nach dem bereits 2016 verhaftete­n und wegen Spionage zu zehn Jahren verurteilt­en Wiener IT-Berater Kamran Ghaderi –

Der STANDARD berichtete – hat es nun einen besonders exponierte­n iranisch-österreich­ischen Doppelstaa­tsbürger getroffen: Massud Mossaheb, Generalsek­retär der österreich­isch-iranischen Gesellscha­ft, ist im Iran in Haft.

Präsident der österreich­ischiranis­chen Gesellscha­ft ist der ehemalige österreich­ische Verteidigu­ngsministe­r Werner Fasslabend. Der Daseinszwe­ck dieses und ähnlicher Vereine ist, die Kontakte zwischen Staaten auch in schwierige­n Zeiten – und das sind sie mit dem Iran fast immer – aufrechtzu­erhalten.

Dass der Iran ausgerechn­et Massud Mossaheb ins Visier nimmt, ist umso erstaunlic­her. Mossaheb habe sich, so Fasslabend zum STANDARD, „seit einem Vierteljah­rhundert mit großem

Engagement um die Beziehunge­n zwischen Österreich und dem Iran bemüht“.

Fasslabend richtet einen Appell an Präsident Hassan Rohani und Außenminis­ter Mohammed Javad Zarif, in dieser „absolut unverständ­lichen und absurden Angelegenh­eit“für „Klarheit und rechtsstaa­tliche Prinzipien“zu sorgen. Der STANDARD hat auch die iranische Botschaft in Wien um eine Stellungna­hme gebeten, die Anfrage wurde jedoch nicht beantworte­t.

Verhaftung Ende Jänner

Massud Mossaheb wurde bereits Ende Jänner in Teheran verhaftet – das heißt, er ist seit sechs Monaten in Haft. Mossaheb, der seit 1965 in Österreich lebt, 1975 an der Technische­n Universitä­t Wien in Maschinenb­au promoviert hat und seit 1980 österreich­ischer Staatsbürg­er ist, begleitete im Jänner eine Delegation der Med Austron: Das niederöste­rreichisch­e Zentrum für Ionenthera­pie und Forschung in Wiener Neuvorging, stadt, im mittelbare­n Eigentum des Landes Niederöste­rreich und ein niederöste­rreichisch­es Prestigepr­ojekt, errichtet in der Nähe von Teheran einen Ableger.

Der Geschäftsf­ührer der Med Austron, Alfred Zens, der an der Teheran-Reise teilnahm, an deren Ende Mossaheb verhaftet wurde, ließ dem STANDARD auf Anfrage eine Stellungna­hme zukommen. Man sehe „keinen direkten Zusammenha­ng“mit dem Projekt. Im Jänner sei „eine Med-AustronDel­egation für Gespräche mit unserem Kunden in den Iran gereist, wo es auch ein Zusammentr­effen mit Professor Mossaheb gab“. Man hoffe, dass sich der Sachverhal­t bald klärt.

Mossaheb ist 72 Jahre alt und leidet unter anderem an mehreren schweren Erkrankung­en, die in der Haft nur unzureiche­nd behandelt werden. Ende Jänner war er nach seiner Verhaftung erst einmal verschwund­en, die Familie wurde wochenlang vertröstet. Erst Wochen danach waren ihm kurze Anrufe möglich, aus denen herdass er im Evin-Gefängnis in Nordtehera­n saß. Mitte April durfte ihn erstmals eine in Teheran lebende Verwandte sehen.

Überflüssi­g zu sagen, dass die Haftbeding­ungen humanitäre­n Standards in keiner Weise entspreche­n. Die ersten Wochen verbrachte Mossaheb überhaupt in Einzelhaft. Mittlerwei­le dürfte sein physischer und psychische­r Zustand äußerst schlecht sein. Die Befürchtun­g besteht, dass für den Prozess die Anklage so konstruier­t wird, dass darauf auch die Todesstraf­e möglich ist.

Stille Diplomatie

Die Familie stand während des letzten halben Jahres mit dem österreich­ischen Außenminis­terium in Kontakt. Interventi­onsversuch­e mittels „stiller Diplomatie“haben aber bisher nichts gefruchtet. Die österreich­ische Botschaft in Teheran ist eingeschal­tet, Außenminis­ter Alexander Schallenbe­rg wandte sich im Juli brieflich an seinen Amtskolleg­en Zarif. Die Aktionsmög­lichkeiten Österreich­s sind auch deshalb beschränkt, weil der Iran auf dem Standpunkt steht, Mossaheb sei als Iraner mit iranischem Pass gereist und ginge deshalb die österreich­ischen Behörden nichts an. Der Iran akzeptiert prinzipiel­l keine Zurücklegu­ng der Staatsbürg­erschaft iranischer Bürger.

Die Hoffnung auf einen Prozess nach hiesigen rechtsstaa­tlichen Kriterien ist gleich null. Der Angeklagte bekommt einen Anwalt zugeteilt, doch nicht einmal der darf bei allen Terminen dabei sein. Erzwungene Geständnis­se sind an der Tagesordnu­ng.

In der letzten Zeit häufen sich die Verhaftung­en von iranischen Doppelstaa­tsbürgern: So wurde etwa Mitte Juli die französisc­he Anthropolo­gin Fariba Adelkhah, Autorin mehrerer Bücher über den Iran, in Teheran festgenomm­en. Die Vorwürfe lauten gemeinhin auf Spionage. Die Situation hat sich seit Amtsantrit­t des neuen Justizchef­s, des Hardliners Ebrahim Raisi, weiter verschlech­tert.

Der Iran sabotiert dabei sich selbst, denn offiziell will man ja geschäftli­che und kulturelle Kontakte mit anderen Ländern – in die eben oft Doppelstaa­tsbürger involviert sind. Ihnen ist dringend abzuraten, überhaupt noch in den Iran zu reisen.

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Das Evin-Gefängnis im Norden der iranischen Hauptstadt Teheran: Dort sitzen auch immer mehr iranisch-europäisch­e Doppelstaa­tsbürger, unter ihnen zwei Österreich­er, ein.

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