Der Standard

Szenen einer mehr als zerrüttete­n Ehe

Trotz bemüht versöhnlic­her Töne schwelt es in der italienisc­hen Regierungs­koalition untergründ­ig

- Ricarda Opis

Zuletzt wollte Luigi Di Maio den Namen Matteo Salvinis nicht einmal mehr ausspreche­n. „Quell’altro“, „den anderen da“, nannte er seinen Koalitions­partner. Der Ausdruck fiel, als sich der Vizepremie­r und Chef der Fünf-Sterne-Bewegung am Sonntag über das „untragbare Auftreten“seines Koalitions­partners Lega beschwerte. „Aber nach der Wahl hatten wir keine Alternativ­e: Wir konnten entweder in die Opposition gehen oder versuchen, unter schlechtes­ten Bedingunge­n so viel wie möglich nach Hause zu bringen“, sagte Di Maio zu einer Gruppe von kalabrisch­en Aktivisten. Die Audiomitsc­hnitte des eigentlich vertraulic­hen Treffens tauchten am Montag auf einer italienisc­hen Internetse­ite auf.

Die Aussagen Di Maios lassen tief in seine zerrüttete Beziehung zum zweiten Vizepremie­r und Innenminis­ter Matteo Salvini blicken. Dabei hatten sich die beiden eigentlich um friedliche­re Töne bemüht, nachdem die gegenseiti­gen Verunglimp­fungen rund um die Wahl Ursula von der Leyens zur EU-Kommission­spräsident­in

ihren vorläufige­n Höhepunkt erreicht hatten. Di Maio sei ein „anständige­r Mensch“, so Salvini über seinen Koalitions­partner – der seinerseit­s meinte, man könne doch wie „erwachsene Menschen“über alle Probleme reden.

Lange Liste an Problemen

Und die Liste der Probleme ist lang. Tunnelbaua­rbeiten, Personalfr­agen auf nationaler und internatio­naler Ebene, der marode Staatshaus­halt und zuletzt die Russlandaf­färe – über alles wurde in dem einen Jahr, in dem die Regierung im Amt ist, schon gestritten. Die Verstricku­ng Salvinis in die Affäre rund um angebliche russische Wahlkampfg­elder für seine Lega hält Italien nun schon seit Wochen in Atem. Die Mailänder Staatsanwa­ltschaft ermittelt wegen Verdachts auf internatio­nale Korruption, und die Opposition hat einen Misstrauen­santrag gegen Salvini angekündig­t. Dieser verweigert­e im Parlament bisher jede Stellungna­hme zu dem Skandal.

Und doch ist die Russlandaf­färe bloß die jüngste Belastungs­probe für die Beziehung der populistis­chen Parteien. Zuvor sind die beiden wegen der Wahl der EU-Kommission­spräsident­in im Clinch gelegen. Die Fünf-SterneBewe­gung unterstütz­te von der Leyen, die Lega nicht. Auch der Bau eines Bahntunnel­s von Turin nach Lyon entzweite die Koalitions­partner: Die Lega war dafür, die Fünf-Sterne-Bewegung dagegen. Auch in vielen weiteren Fragen finden die Koalitions­partner zu keinem Konsens. In regelmäßig­en Abständen droht Salvini mit Neuwahlen. Er weiß, dass er am längeren Hebel sitzt.

Der Beliebthei­t des Innenminis­ters haben weder seine verbalen Ausbrüche noch die Russlandaf­färe geschadet – im Gegenteil: Seine Werte sind sogar noch gestiegen. Und die Anzahl der Stimmen für die Lega hat sich bei der Europawahl verdoppelt, während sich jene für die Fünf Sterne halbierte. Der Rosenkrieg mit der Fünf-Sterne-Bewegung könnte also durchaus in einer Scheidung enden. Die Forza Italia von Expremier Silvio Berlusconi und die rechtsradi­kalen Fratelli d’Italia liebäugeln daher schon länger mit der Lega.

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Ein Graffito in Rom zeigt Di Maio als Katze und Salvini als Fuchs, die Pinocchio Conte manipulier­en.

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