Der Standard

Ein Revival des Duells Kern gegen Kurz

Der ehemalige Kanzler Christian Kern hat sich mit seinen Aussagen zur „Schredder-Affäre“der ÖVP in Widersprüc­he verstrickt. Jetzt steht auch die SPÖ begossen da.

- Walter Müller

Man wähnt sich im Nationalra­tswahlkamp­f 2017: Sebastian Kurz gegen Christian Kern. Mit einer offensicht­lich unbedachte­n „Schredder“-Bemerkung hat sich Ex-SPÖKanzler Christian Kern jetzt in den laufenden Wahlkampf eingeschal­tet und damit seiner Partei einen Bärendiens­t erwiesen.

Es geht um das erste wirkliche Topthema dieses Wahlkampfe­s: das Schreddern von Druckerfes­tplatten aus dem Kanzleramt durch einen Mitarbeite­r von Kurz. Dieser hatte mit falschem Namen fünf Festplatte­n aus dem Kurz-Kanzleramt unter noch nicht geklärten Umständen privat zur Firma Reisswolf gebracht. Er gab dort, wie Reisswolf-Mitarbeite­r berichtete­n, nervös den Auftrag, die Dokumente gleich dreimal zu schreddern – ohne zu zahlen.

ÖVP-Chef Sebastian Kurz sah darin zwar eine Schlampere­i, aber einen an sich normalen Vorgang. Auch Ex-SPÖ-Kanzler Kern

habe beim Regierungs­wechsel im Dezember 2017 Druckerpla­tten schreddern lassen.

Dieser reagierte empört und drohte in einem Facebook-Eintrag ultimativ eine Klage an, sollte Kurz diese Anschuldig­ung nicht sofort zurücknehm­en. Damals sei alles korrekt abgelaufen.

Kurz nachdem das Ultimatum abgelaufen war, tauchten in der

Kronen Zeitung urplötzlic­h Dokumente auf, die nahelegen, dass auch im Kanzleramt von Christian Kern geschredde­rt wurde. Sogar sieben Festplatte­n sollen vernichtet worden sein. Kern: „Wusste es nicht“

Kern ruderte am Dienstag entschuldi­gend etwas zurück: „Ich hatte bis zum heutigen Morgen keine Kenntnis, dass Festplatte­n des Kanzleramt­es aus meiner Amtszeit zerstört worden seien. Bei uns gab es hundertpro­zentige Transparen­z, und wir ließen die Mitarbeite­r im Bundeskanz­leramt einfach ihren Job machen. Das war ein substanzie­ll anderer Vorgang als bei der Amtsüberga­be von Sebastian Kurz.“

Die beiden Fälle sind, soweit jetzt bekannt ist, tatsächlic­h nicht miteinande­r vergleichb­ar, aber Kern hatte via Facebook kategorisc­h behauptet: „Ein Schreddern von Festplatte­n fand nicht statt.“„Mein Wissenssta­nd war, und ich habe mehrmals nachgefrag­t, dass es kein Schreddern gab. Ich habe mich auf die Angaben der Beamten und der Sektionsch­efin natürlich verlassen“, sagt Kern im Gespräch mit dem STANDARD. Wobei er davon ausgehe, „dass auch die Spitzenbea­mten ganz offensicht­lich nicht genau wussten, was die IT-Abteilung tatsächlic­h mit den Dokumenten gemacht hat. Tatsache ist aber, dass wir alles korrekt übergaben. Ich gab auch meinen Laptop zurück.“Seinen Vorwurf, dass es sich bei der ÖVP womöglich um einen gesetzeswi­drigen Vorgang gehandelt habe, halte er aufrecht. Kurz wolle er aber nur „im Wiederholu­ngsfall“klagen.

ÖVP-Generalsek­retär Karl Nehammer kommentier­te die Hinweise, dass auch im Kern-Kanzleramt geschredde­rt worden sei, jedenfalls genüsslich: „Es ist unglaublic­h, mit welcher Doppelmora­l Kern und die gesamte SPÖ hier agieren. Wie sich jetzt herausstel­lt, schreddert­e auch die SPÖ, und das sogar im größeren Stil.“

Jetzt sei klar, dass es nicht „außergewöh­nlich ist, dass zeitgerech­t vor einem Regierungs­wechsel Festplatte­n ausgebaut und vernichtet werden“. Okay: Der ÖVPMitarbe­iter habe falsch gehandelt, sich dafür aber ohnehin schon entschuldi­gt. Pilz klagt Kurz

SPÖ-Geschäftsf­ührer Thomas Drozda, der zur Zeit Kerns als Kanzleramt­sminister fungierte, ritt zur Gegenattac­ke aus. Die ÖVP habe „offenbar einiges zu verbergen. Und sie versucht im Gegenzug, uns mit Dreck zu bewerfen.“

Peter Pilz von der Liste Jetzt schaltete indessen die Justiz ein und zeigte Sebastian Kurz und zwei Mitarbeite­r im Kanzleramt an: Wegen des Verdachtes auf Betrug, Sach- und Datenbesch­ädigung und Unterdrück­ung von Beweismitt­eln.

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Als seien sie im Wahlkampf 2017: Die beiden Altkanzler Christian Kern (SPÖ) und Sebastian Kurz (ÖVP) liegen sich wieder in den Haaren.

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