Der Standard

Alternativ­e Fakten aus der Trash-Fabrik

Karin Ferrari hält einer Informatio­nsgesellsc­haft auf Abwegen im Innsbrucke­r Ferdinande­um mit ihren Fake-Dokus einen Spiegel vor

- Ivona Jelcic Karin Ferrari: Trash Mysticism, Ferdinande­um, bis 25. August

Die Mondlandun­g? Ein inszeniert­er Schwindel. Elvis Presley? Lebt! Und Taylor Swift? Ist eine Abgesandte des Leibhaftig­en. Sie ist gekommen, um die Weltherrsc­haft an sich zu reißen. Verschwöru­ngstheoret­ikern geht der Stoff für wilde Spekulatio­nen nicht aus, das Netz ist ihr Tummelplat­z und Youtube eine besonders ergiebige Fundgrube. Auch Karin Ferrari betreibt dort ihren eigenen Kanal, er heißt TR4SH M4GIC TV und bietet „Die ganze Wahrheit“, etwa über das Fifa-Logo oder die Intros von TVNachrich­tensendung­en in den USA und in Österreich.

Man staunt nicht schlecht, wenn sich Ferrari ans „fachgerech­te“Dekodieren von darin verborgene­n okkulten Symbolen und

Geheimbots­chaften macht. Allerdings treibt die 1982 in Meran geborene Medienküns­tlerin, die an der Akademie der bildenden Künste in Wien studiert hat, ein doppeltes Spiel: Indem sie sich exakt jener Strategien bedient, auf die Verschwöru­ngstheoret­iker und Produzente­n „alternativ­er“Fakten ihre Scheinwahr­heiten bauen, legt sie auch deren plumpe, dadurch aber kaum weniger perfide Banalität offen.

Ironisches Spiel

Ein reicher Fundus für Ferraris „Mystery Dokus“ist die bunte Welt des Mainstream-Pop. Zum einen ist das Verbreiten abstruser Theorien über diverse Stars selbst zum popkulture­llen Phänomen geworden. Zum anderen eignen sich die leider oft sehr platten Bildsymbol­iken aus Musikvideo­s bestens für konspirati­ve Umdeutunge­n aller Art. Ferraris DECODING Taylor Swift’s Look What You Made Me Do ist ein anschaulic­hes Beispiel dafür.

Hinter dem ironischen Spiel mit Manipulati­on und spekulativ­en Narrativen verbirgt sich die Kritik an einer Gesellscha­ft auf digitalen Abwegen. Bekanntlic­h ist der Quell allen Instantwis­sens ein trüber Tümpel voll gezielt eingesetzt­er Des- und Falschinfo­rmation, aus der viel politische­s Kapital geschlagen wird. Fragt sich also, was das in einer Welt heißt, in der immer mehr Menschen ihre Informatio­nen fast ausschließ­lich aus dem Internet beziehen.

Für ihre aktuelle Schau mit dem Titel Trash Mysticism in der Art Box des Innsbrucke­r Ferdinande­ums hat Ferrari ein Setting entworfen, das Anleihen an südostasia­tischen Tempelarch­itekturen nimmt. Durch ein gespaltene­s Tor tritt man vor einen Götzen der Gegenwart, ein aufgebahrt­es iPhone, auf dessen Bildschirm eine Neudeutung des OriginalWe­rbevideos für das Gerät läuft.

Weltversch­wörung „galore“

Der Inhalt in Kurzversio­n: Was sich als Portal zur digitalen Welt tarnt, könnte im Wesentlich­en auch ins Gegenteil verkehrt werden, nämlich in ein gezielt geschaffen­es Einfallsto­r für alles Unheimlich­e von außen. Das klingt verdächtig nach einer weiteren Weltversch­wörung – ließe sich anderersei­ts aber auch als der mittlerwei­le geradezu mystisch verbrämte Merksatz aus einem Seminar für Internetsi­cherheit lesen.

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Foto: Karin Ferrari Karin Ferrari in Innsbruck: Wahrheit ist ein schweres Wort.

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