Pädagogisch wertvolle, pinkelnde Flugpferde
Die Salzburger Festspiele bieten auch für unsere Kleinen Lehrreiches. Zum Beispiel Marius Felix Langes Kinderoper „Der Gesang der Zauberinsel“.
Donaufestwochen mit „Türkenoper“
Zugegeben, ganz leicht ist Joseph Haydns L’incontro improvviso
nicht ins Heute zu holen. Das L’Orfeo Barockorchester unter Michi Gaigg wird die Aufgabe (ab 3. 8.) bei den Donaufestwochen, so ist anzunehmen, delikat bewältigen. Auch Liebe und Leidenschaft der Story sollten nach wie vor verständlich sein. Aber wie schafft man es heute, die Werte eines aufgeklärten Despotismus zu würdigen und das Bild eines wiewohl guten, aber doch Souveräns zu loben? Haydn komponierte die Oper einst für den Fürsten Esterházy.
Politik vergeht, Kunst bleibt. Der Arkadenhof von Schloss Greinburg nächst der Donau bietet eine adäquate Ersatzbühne. Zu den „Türkenopern“gehörend, die dem Faible der Zeit für das Fremde und Orientalische zahlreich entsprangen, bietet der Stoff mit Schauplatz Harem reichlich Gelegenheit für eine bunte Inszenierung.
Vergessene Alte Musik
Die Donaufestwochen im Strudengau haben sich der Alten Musik und speziell der vergessenen verschrieben. Das Quartett Musica Antiqua Salzburg etwa lässt Canzonen und Tänze erklingen, die einst auf ihrem Weg durch Europa ständig bearbeitet wurden (31. 7.). Bis zum Abschluss in zwei Wochen vertont Akkordeonist Paul Schuberth in dem Auftragswerk Ein Traum macht Vorschläge Erich Kästner (11. 8.). Es sind auch Joseph Haydn (12. 8.) sowie Volkslieder aus den Jahrhunderten (15. 8.) zu hören.
Das Duo Matthias Bartolomey und Klemens Bittmann beschallt dagegen schon diesen Sonntag mit seinem Rock, Klassik, Jazz und Folk aufnehmenden Programm einen Vierkanter. (wurm)
Der rasende Roland verliert nicht nur den Verstand, sondern auch Hut und Lesebrille. Er ist nämlich Komponist. Auf dem Mond findet sich alles wieder. Verloren gegangener Menschenverstand hinter dem dritten Krater links. Gibt es Bonusmeilen für Vielflieger auf einem inkontinenten Hippogryph?
Der Gesang der Zauberinsel. Oder: wie der Rasende Roland wieder zu Verstand kam aus der Feder von Marius Felix Lange feierte als „Kinderoper“seine Uraufführung in der Großen Aula der Universität Salzburg. Größeren Kindern ab elf oder zwölf wird eine kluge Musikvermittlung den Witz des Ganzen schon plausibel machen können. In der Regie von Andreas Weirich auf der Bühne und in den Kostümen von Katja Rotrekl geht es turbulent genug zu, bei einfachen, aber virtuos eingesetzten theatralischen Mitteln. Die Flugvideos von Fabian Kapo lassen die Zuschauer obendrein abheben.
Der erwachsene Hörer möchte den rotzfrechen Streich gern als verpflichtend aufzuführendes Satyrspiel nach Händels Alcina verortet wissen. Versatzstücke aus der Händeloper, etwa Bradamantes Suche nach ihrem Verlobten Ruggiero, welcher der Zauberin auf den Leim gegangen ist, werden munter verknüpft mit antiken griechischen, aber auch ganz aktuellen Motiven, wie jenem eines persischen Flüchtlings: Mirzas Schlaflied aus seiner Heimat ist es, was die außer Rand und Band geratenen Menschen und Fabelwesen zur Ruhe bringt.
Angelika, sonst von allerhand Rittervolk umkämpfte chinesische Prinzessin, ist hier die Tochter des Komponisten Roland Angeler und dessen erster Sopran. Sie verbündet sich prompt mit der Ritterin Bradamante, als auch Mirza in Alcinas Reich landet, weil er den Gesang der Zauberinsel gesungen hat. Der ironische Umgang des Librettisten Marius Felix Langes mit dem Stoff des Orlando furioso und da und dort aufpoppende Poesie überzeugen: Als „Bradamantes Sehnsuchtsgedanke“flüstert die Gräfin ihrem Ruggiero Erinnerungen zu.
Als Komponist pendelt Marius Felix Lange ungeniert postromantisch irgendwo zwischen Korngold und Schreker, Einsprengsel von Wagner (im Sturm meint man gelegentlich Walküren reiten oder Nibelungen hämmern zu hören) bringen Knallfarbe.
Blasenschwach
Das absteigende Leitmotiv des blasenschwach gegen Myrten und Menschen pinkelnden Flugpferdes perlt so hübsch wie frech. Es spielen in kleiner Besetzung großmächtig auf: die Salzburg Orchester Solisten unter Ben Glassberg. Die Mitglieder des Young Singers Project übertreffen einander stimmstark in „Große Oper“. Weniger Lautstärke und mehr Textdeutlichkeit wären cool.