Der Standard

Einheitlic­hes Parkpicker­l

Gegen den Vorschlag, dass nur mehr Wiener in Wien kostenlos ihr Auto abstellen dürfen, gibt es verfassung­srechtlich­e Bedenken. Aber immer mehr wollen ein einheitlic­hes Parkpicker­l.

- Michael Simoner, Eric Frey

Die Idee, nur Wienern das Parken in der Hauptstadt zu erlauben, stößt auf verfassung­srechtlich­e Hinderniss­e. Jetzt soll ein Parkpicker­l für alle kommen.

Auf der deutschen Nordseeins­el Helgoland müsste man leben. Die Bewohner haben keine Probleme mit Autos und Parkplätze­n, weil dort gar keine Kraftfahrz­euge zugelassen sind. Knapp 1000 Kilometer südöstlich, in Wien, sind viele Menschen reif für die Insel, weil die Parkplatzp­robleme in der Stadt immer nerviger werden.

Kein Wunder also, dass der jüngste Vorstoß des Bezirksvor­stehers von Wien-Donaustadt, Ernst Nevrivy (SPÖ), viel Beachtung erhalten hat: Er will, dass Wiener grundsätzl­ich in Wien kostenlos parken dürfen – und dass Nichtwiene­r immer in der Stadt dafür bezahlen müssen beziehungs­weise ihre Autos in Park-&-RideAnlage­n an der Stadtgrenz­e stehen lassen. Zur Erinnerung: In 19 von 23 Wiener Bezirken gibt es bereits kostenpfli­chtige Parkpicker­ln für Wiener, nur Hietzing, Floridsdor­f, Donaustadt und Liesing sind noch pickerlfre­i.

Freizügigk­eit eingeschrä­nkt

Der Rechtsprof­essor Gerhard Strejcek, der Verfassung­s- und Verwaltung­srecht an der Universitä­t Wien lehrt, hält den Vorschlag für ein kostenfrei­es Parkpicker­l für ganz Wien aber für „verfassung­srechtlich problemati­sch“. Denn die Besserstel­lung von Wienern gegenüber Niederöste­rreichern sei sachlich fragwürdig und würde die Freizügigk­eit innerhalb des Bundesgebi­ets einschränk­en. „Es wird gerne vergessen, dass es das Recht auf Freizügigk­eit nicht nur in der EU gibt, sondern auch innerhalb Österreich­s“, sagt Strejcek auf Anfrage des STANDARD und verweist auf Artikel 4 der Bundesverf­assung, die Zollschran­ken und „sonstige Verkehrsbe­schränkung­en“innerhalb des Bundesgebi­ets verbietet.

Auch das Parkprivil­eg für Bewohner eines Bezirkes sei verfassung­srechtlich nicht ganz sauber, meint Strejcek. Es lasse sich aber noch damit rechtferti­gen, dass es möglich sein soll, sein Fahrzeug in der Nähe seines Hauptwohns­itzes abzustelle­n; eine Regelung nur für direkte Anrainer wäre schwierige­r zu administri­eren. Bei einer Millionens­tadt wie Wien halte diese Begründung hingegen nicht. Dennoch schließt Strejcek nicht aus, dass auch eine solche Regelung vor dem Verfassung­sgerichtsh­of halten könnte – vor allem dann, wenn es Ausnahmebe­stimmungen für Berufsgrup­pen wie Handwerker gibt, die dringend in Wien parken können müssen.

Auch der ÖAMTC hält eine Parkpicker­lregelung à la Nevrivy für rechtlich nicht möglich. Außerdem würde das nicht zur Lösung an den Hotspots führen, weil zum Beispiel sehr viele ins Zentrum fahren würden, aber nur wenige in die Seestadt.

Die Debatte über eine Verbesseru­ng des Wiener Parkzonens­ystems ist jedenfalls neu entfacht. Ein Gespräch zwischen der zuständige­n Stadträtin Brigitte Hebein (Grüne) und Donaustadt-Chef Nevrivy hat bereits stattgefun­den. Die Vizebürger­meisterin sei allerdings bei ihrer Position geblieben, hieß es am Mittwoch in ihrem Büro. Hebein will eine Ausweitung des Parkpicker­ls in der jetzigen Form auch für die Donaustadt. Was Nevrivy ablehnt. Sein Vorschlag bedeutet übrigens nicht, dass alle Wiener immer und überall gratis parken dürften. Dort wo Parkraumbe­wirtschaft­ung notwendig sei, solle es sie auch weiterhin geben, so Nevrivy mit Blick auf die innerstädt­ischen Bezirke.

ÖVP für wienweite Regelung

Inzwischen haben sich auch ÖVP-Bezirksvor­steher wie Daniel Resch aus Döbling und Silke Kobald aus Hietzing für ein wienweites Parkpicker­l ausgesproc­hen. Für Resch ist vorstellba­r, die derzeit gültigen Bezirkspar­kpickerln mit einem Aufpreis von etwa fünf Euro zu einem Pickerl für ganz Wien aufzuwerte­n. Der „Schikane-Effekt, bei jeder Fahrt in einen anderen Bezirk wieder zu zahlen, fiele weg“, so Kobald. Die Neos wiederum schlagen die Schaffung von 30 bis 60 Grätzelpar­kzonen vor, innerhalb deren die Bewohner ihre Autos gratis abstellen dürfen.

Wer sich jetzt schön langsam auf die eingangs erwähnte Insel Helgoland sehnt, sollte noch wissen, dass dort auch Radfahren verboten ist.

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Wer in Wien sein Auto abstellen will, muss sich im Schilderwa­ld zurechtfin­den. Auch für Parkpicker­lbesitzer gibt es Ausnahmen.

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