Der Standard

Türkise Ansprüche auf das Innenresso­rt empören die FPÖ

Es braucht einen unabhängig­en Experten und keinen türkisen Parteipoli­tiker

- Michael Völker

Wien – Die klare Festlegung von ÖVP-Chef Sebastian Kurz, in der nächsten Regierung das Innenminis­terium wieder für die ÖVP zu beanspruch­en, hat beim ehemaligen Koalitions­partner FPÖ für scharfe Kritik gesorgt. Ex-Innenminis­ter Herbert Kickl ortet hinter den Kurz-Aussagen „Druck der alten ÖVP“. Dieser müsse „enorm“sein, denn zunächst habe der ExKanzler nur die Ablöse von ihm gefordert, dann habe er alle Freiheitli­chen für das Innenresso­rt ausgeschlo­ssen, in weiterer Folge einen unabhängig­en Minister gefordert, und jetzt müsse es unbedingt wieder ein ÖVPler sein. Kickl wirft Kurz vor, ein „falsches Spiel“zu spielen. (red). Seite 7

Herbert Kickl hatte als Innenminis­ter die Erstaufnah­mezentren für Asylwerber in Ausreiseze­ntren umbenannt. Diese symbolisch­e Aktion steht für die Boshaftigk­eit und Bösartigke­it, mit der der freiheitli­che Politiker an die Arbeit ging. Asylwerber mussten nicht nur abgewehrt, sie mussten herabgewür­digt werden: Per Erlass senkte Kickl den Stundenloh­n für gemeinnütz­ige Tätigkeit auf 1,50 Euro. Das zeigt seine Grundeinst­ellung diesen Menschen gegenüber, da schwingt Verachtung mit.

Mit dieser Art der Politik hatte Sebastian Kurz offenbar keine Probleme. In der Migrations­politik passte ja kein Blatt zwischen ÖVP und FPÖ. Dennoch will Kurz als mutmaßlich nächster Regierungs­chef dafür sorgen, dass das Innenminis­terium nicht noch einmal einem Freiheitli­chen in die Hände fällt. Die ÖVP soll es wieder führen, nur dann kann er Vertrauen haben.

Das ist keine gute Idee – in mehrerlei Hinsicht: Es gab noch keinen schwarzen Innenminis­ter, der sich durch Glanzleist­ungen oder übertriebe­n lösungsori­entierte Herangehen­sweisen ausgezeich­net hätte. Am ehesten trifft das noch auf Ernst Strasser zu – ausgerechn­et auf jenen Strasser, der das Innenminis­terium brutal von rot auf schwarz umgefärbt hatte und in dessen Zeit der Aufstieg jener Seilschaft­en begann, die heute als schwarzes Netzwerk im Ministeriu­m präsent sind. Jenen Strasser übrigens, der danach wegen Bestechlic­hkeit verurteilt wurde. Als Minister hatte Strasser Gendarmeri­e und Polizei zusammenge­legt – im Nachhinein eine unumstritt­en wichtige Maßnahme. lle anderen schwarzen Innenminis­ter hatten bestenfall­s brav verwaltet, ihre Parteifreu­nde versorgt und die Seilschaft­en gepflegt. In der Regel hatten sie Parteipoli­tik betrieben und ihren Chefs Stoff für Kampagnen geliefert. An das Thema Ausländer waren sie problemori­entiert, nicht lösungsori­entiert herangegan­gen – ob Asylwesen oder Kriminalit­ät, damit ließ sich immer gut Politik machen. Das Feindbild der Ausländer wurde auch von schwarzen (und zuvor von roten, nicht von allen) Innenminis­tern gepflegt, das ist keine Erfindung von Kickl. Der hatte es lediglich zur Perfektion gebracht.

Mit 37.000 Mitarbeite­rn und einem Budget von 3,2 Milliarden Euro ist das Innenminis­terium das größte und von

Aseinen Aufgaben her eines der wichtigste­n Ressorts: die Aufrechter­haltung der öffentlich­en Sicherheit – mit allen Konsequenz­en. Hier laufen eine Unmenge sensibler Informatio­nen zusammen, es gibt viele Ermittlung­en, von denen auch Politiker und Parteien betroffen sind.

Das würde nach einem souveränen Politiker mit ruhiger Hand und langem Atem verlangen, der versucht, die Parteipoli­tik vom Ressort fernzuhalt­en. Solche Politiker gibt es erstens selten, zweitens sind sie gar nicht erwünscht, weil sie nicht liefern, was der Parteiund Regierungs­chef sich erwartet.

Tatsächlic­h bräuchte es einen parteifrei­en, einen unabhängig­en Innenminis­ter, so unabhängig, wie auch der Justizmini­ster sein sollte. Es bräuchte eine Person, die das Amt nicht für Parteipoli­tik und Stimmungsm­ache missbrauch­t, die ihr Fähnchen nicht in den Wind hängt, sondern eine objektive und transparen­te Personalpo­litik betreibt und effizient an Lösungen arbeitet, ohne mit den Problemen hausieren zu gehen. Das setzt einen souveränen und mutigen Regierungs­chef voraus, der eine solche Person einsetzt, ihr Vertrauen schenkt und sie gewähren lässt. So weit sind wir noch nicht.

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