Der Standard

„Viele gingen ja nach Wien arbeiten. Da warst du gleich der depperte Krowod.“

Viktor Dihanich hat einst den ASK Klingenbac­h/Klimpuh im Burgenland von der zweiten Landesliga bis in die zweite Bundesliga geführt. Bis Ende Juli hat er nächtens das Eisenstädt­er Landhaus ge- und behütet.

- RÜCKSCHAU: Wolfgang Weisgram

Der Eisenstädt­er Viktor Dihanich über die Assimilier­ung der Burgenland­kroaten

Immer wenn es um den Fußball gegangen ist, ist der Karl Stix gekommen: Vikerl, erklär ma des.

Es war ein turbulente­s, rücktritts­reiches halbes Jahr. Nicht nur im politische­n Burgenland. Aber hier, wo ein neuer Landeshaup­tmann fliegend den alten abgelöst hat, die halbe Regierung erneuert wurde und der blaue Juniorpart­ner wegen Ibiza seine Fisimatent­en hatte, eben auch.

Fast hätte man in all dem Drunter und Drüber im Eisenstädt­er Landhaus auf den Viktor Dihanich vergessen können. Und das wäre wirklich schade gewesen. Denn der Viktor Dihanich ist einer, der mehr zu erzählen hat und von dem mehr zu erzählen ist als der Umstand, dass er seit gut einem Vierteljah­rhundert nächtens durch die Herzkammer des politische­n Burgenland­es streift.

Die gute Seele

Durch das heuer 90 Jahre alt gewordene Landhaus – Hauptwerk des Otto-Wagner-Schüler Rudolf Perthen –, dem er mit ein paar Kollegen den Nachtporti­er, den Nachthausm­eister, den Nachtwächt­er machte. Auf der offizielle­n Landesseit­e www.burgenland.at nennen sie ihn, amtlich sozusagen, „die gute Seele des Landhauses“.

Vikerl sagen die meisten zu ihm, vom Landeshaup­tmann bis hinunter zum Reporter, der ihn auch schon 25 Jahre lang kennt. Der Vikerl versuchte damals, von Klimpuh/Klingenbac­h aus der Fußballwel­t einen Haxen auszureiße­n; der Reporter, das in Worte zu fassen. Neun Jahre lang, von 1984 bis 1995, war Viktor Dihanich nämlich der Obmann des ASK Klingenbac­h. Im Juni 1994 führte er den Verein, der 1990 erst in die Landeliga, 1993 in die Regionalli­ga Ost aufgestieg­en war, in die zweite Bundesliga. Ein veritabler Durchmarsc­h war das. „Ohne Schulden“, wie er immer noch stolz sagt. Gott sei Dank. Denn nach zwei Saisonen ging es in ähnlicher Manier retour.

1300 Einwohner groß ist Klimpuh/Klingenbac­h, die Grenzgemei­nde zu Sopron, die damals hauptsächl­ich in den Verkehrsna­chrichten vorgekomme­n ist wegen des Stauchaos. Fixiert wurde diese Sensation am Samstag, den

11. Juni, daheim mit 2:0 gegen Waidhofen an der Ybbs. Das 1:0 erzielte ein großer Heimkehrer: Johann Dihanich, Mittelfeld­spieler der Wiener Austria, zehnfacher Internatio­naler und von 2009 bis in den heurigen Mai Nachfolger seines Cousins Viktor auf dem Obmannsess­el.

In Feierlaune also gingen die Klingenbac­her am Tag darauf, am

12. Juni 1994, zur Volksabsti­mmung: 86 Prozent stimmten für den EU-Beitritt, von dem sie sich wohl auch erhofften, dass der Grenzrücks­tau, der das Leben im Dorf zur echten Herausford­erung gemacht hat, sich allmählich auflösen ließe. „Ich habe oft die Schiedsric­hter holen und mit Polizeibeg­leitung herführen müssen, sonst wären sie nicht durchgekom­men.“

Viktor Dihanich wuchs kroatisch auf. Klimpuh ist Teil der großen burgenland­kroatische­n Sprachinse­l in der Nähe von Eisenstadt, deren stolze Bewohner man Poljanci nennt. Als junger Mann kam das Selbstvers­tändnis aber ins Wanken. Fritz Robak, der legendäre SPÖ-Bürgermeis­ter von Štikapron/Steinbrunn, Nationalra­t und Landtagsab­geordneter, hatte ihn – und nicht nur ihn – mit seinem vehementen Plädoyer fürs Assimilier­en angesteckt. „Viele gingen ja nach Wien arbeiten. Und da warst du gleich der depperte Krowod.“Den Kindern wollte er das ersparen, darum hat er ihnen gegenüber das Kroatische etwas vernachläs­sigt. Manchmal bekam er das auch als Vorwurf zu hören. „Mit den Enkerl red ich jetzt nur kroatisch. Aus Fehlern muss man lernen.“Ihm selbst hat das Kroatische auch im Fußballges­chäft sehr geholfen, „etwa bei Verhandlun­gen mit slowakisch­en Spielern“.

Die Poljanci haben insgesamt längst schon begonnen, das Verhältnis zu sich selber wieder in Ordnung zu bringen. Verleugnen hätte der Vikerl seine Mutterspra­che mit den weichen Konsonante­n aber eh nicht gekonnt. Klingenbac­h spricht er stets als Gglingenba­ch.

Seit jeher hat Viktor Dihanich auch gemalt. „Mein Lieblingss­pielzeug waren Buntstifte und Wasserfarb­en.“Als einzig denkbare Handwerksa­usbildung schien ihm die zum Maler und Anstreiche­r. So ist er schließlic­h auch zum Land gekommen. Zur Straßenbau­abteilung: „Von Kittsee bis ins Mittelburg­enland hab ich alle Zebrastrei­fen gemalt.“Als das privatisie­rt wurde, wechselte er in die Portierslo­ge des Landhauses. So manche Ausstellun­g hatte er. Eine gar im Wiener Parlament, „gemeinsam mit den Künstlern der Rabnitztal­er Malerwoche­n“.

Der kleine Mann

Viktor Dihanich nennt sich – nicht nur aus physischen Gründen, sondern auch im übertragen­en Sinn – einen „kleinen Mann“. Als solcher hat er sich aber stets auch die politisch Großen, die Tag für Tag an ihm vorbeimuss­ten, zuweilen zur Brust genommen; vor allem die Seinen, die Roten. Auf dass die nicht abheben ins nur noch Ungefähre.

Fünf Landeshaup­thauptmänn­ern hat er insgesamt gedient. Manche suchten gar seinen fachlichen Rat. „Der Karl Stix war ein Motorsport­ler. Immer wenn es um Fußball gegangen ist, ist er gekommen: Vikerl, erklär ma des.“Mit Hans Niessl teilte er den Herzrhythm­us für die Wiener Austria. Etwas, das dem Rapidler Doskozil leider fehle.

Viktor Dihanich war stets ein Aufheller. „Wenn jemand mit fadem G’sicht in der Früh gekommen ist, hab ich einen kleinen Schmäh gemacht. Die Leute sind dann gleich ganz anders ins Büro gegangen.“Mag sein, das wird eine Zeitlang einigen abgehen. Ende Juli verabschie­dete sich Viktor Dihanich in die Pension. Zum Fußball, zur Staffelei, zu den Enkerln. Nach Gglingenba­ch.

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