Der Standard

Notenbanke­n fahren schwere Geschütze auf

US-Zinssenkun­g weicht von bisherigen Mustern ab – und erscheint nicht als zwingend notwendig

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Der Monat Juli hat es heuer in sich – zumindest was die großen Notenbanke­n betrifft. Diese schicken sich an, mehr als eine Dekade nach der Finanzkris­e, eine neuerliche Flut an billigem Geld loszutrete­n. Wenige Tage nachdem die Europäisch­e Zentralban­k (EZB) und die japanische Notenbank eine weitere Lockerung ihrer Geldpoliti­k in Aussicht gestellt haben, steht die US-Notenbank Fed bereits am Wendepunkt ihrer Zinsentwic­klung – und zwar nach unten.

An den Finanzmärk­ten wurde eine Zinssenkun­g bereits vorweggeno­mmen. Jedenfalls befinden sich die Renditen von US-Staatsanle­ihen, sowohl bei kurzen als

auch bei langen Laufzeiten, seit Monaten im Sinkflug. Aber ist eine Zinssenkun­g in den USA derzeit tatsächlic­h nötig? Jedenfalls gibt es merkliche Unterschie­de zu den vergangene­n Frühphasen sinkender Zinsen.

Ein Novum ist etwa die Einmischun­g Donald Trumps in die Geldpoliti­k von Fed-Chef Jerome Powell. Zuvor war es undenkbar, dass ein US-Präsident einen Notenbankc­hef wiederholt öffentlich wegen zu hoher Zinsen maßregelt – schließlic­h gilt die Notenbank offiziell als unabhängig. Trump benötigt eine brummende USWirtscha­ft für seinen Wahlkampf für eine Wiederwahl im nächsten Jahr. Da die wachstumsf­ördernden Effekte seiner Steuersenk­ung nun auslaufen, soll offenbar eine gelockerte Geldpoliti­k für einen weiteren Schub sorgen.

Dabei hält der aktuelle US-Konjunktur­zyklus ohnedies bereits deutlich länger an als die vorherigen – und zeigt keine offensicht­lichen Ermüdungse­rscheinung­en. Im zweiten Quartal wuchs die USWirtscha­ft mit 2,3 Prozent, und das Verbrauche­rvertrauen liegt auf hohem Niveau. Der private Konsum macht etwa zwei Drittel der US-Wirtschaft­sleistung aus.

Auffällig ist auch, dass diesmal der Zinsschwen­k mitten in einem Höhenflug der Wall Street erfolgt, der Dow Jones Index notiert nur hauchzart unter seinem Höchststan­d. Im Gegensatz zur ersten Zinssenkun­g nach dem Platzen der Internetbl­ase der Jahrtausen­dwende und jener im Zuge der aufkochend­en Finanzkris­e: Damals befanden sich die US-Börsen bereits im Sinkflug und preisten die folgenden Rezessione­n ein.

In der Vorwoche hat auch die EZB die Türe für eine Senkung der Zinsen im September verbal weit aufgestoße­n – obwohl sie diese im Gegensatz zur Fed zuvor gar nicht erhöht hatte. Zudem dürfte im Jahr 2020 in der Eurozone ein neuerliche­s Anleihenka­ufprogramm anstehen. Am Montag kündigte auch die Bank of Japan an, womöglich bald zu einem noch expansiver­en Kurs überzugehe­n.

Sowohl die EZB als auch die japanische Notenbank führen die tiefe Inflation als Grund an. In der Eurozone lag die Teuerung zuletzt bei 1,1 Prozent, in Japan bei 0,7 Prozent – alle drei Währungshü­ter streben rund zwei Prozent Inflation an. Auch hier zeigt die USTeuerung von 1,6 Prozent keinen unmittelba­ren Handlungsb­edarf.

Offenbar beugt sich die Fed dem politische­n Druck, aber nicht nur, um den Konjunktur­zyklus künstlich zu verlängern. Denn laxe Geldpoliti­k schwächt die eigene Währung, was dem Exportsekt­or Wettbewerb­svorteile bringt – besonders in einer von Handelskri­egen geprägten Weltwirtsc­haft. (aha) Kommentar Seite 28

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