Der Standard

Die Geschichte der FPÖ als Verschluss­akte

Nächste Woche sollen ein paar Seiten des Historiker­berichts der FPÖ vorgelegt werden. Der große Rest bleibt weiter geheim. Völlig unklar ist die Mitwirkung israelisch­er Historiker.

- Lissy Kaufmann aus Israel, Peter Mayr und Walter Müller

Seit Februar 2018 brütet eine geheime Historiker­kommission der FPÖ über einem Bericht, der die Geschichte der Partei erhellen soll. Schon mehrmals wurde eine Veröffentl­ichung angekündig­t – und wieder vertagt.

Am 5. August will der designiert­e FPÖ-Chef Norbert Hofer nun zumindest Kostproben des Berichts in einem Presse-Hintergrun­dgespräch vorstellen. Ob sich eine Präsentati­on des gesamten Berichts noch vor den Wahlen ausgehen wird, darüber ist sich Hofer nun nicht mehr so sicher.

So bleibt diese Arbeit bis auf Weiteres im Großen und Ganzen eine Verschluss­akte, die eigentlich – wie seinerzeit überrasche­nd offen kolportier­t wurde – ohnehin nur als „taktisches Manöver“gedacht war, um aus den Schlagzeil­en zu kommen. Aus Schlagzeil­en, die die Freiheitli­chen immer wieder in die Nähe rechtsnati­onaler und rechtsextr­emer Lager brachten und bringen.

Eigentlich­er Anlass für die Einsetzung dieser Kommission war der Skandal um das Burschensc­hafter-Liederbuch der Verbindung „Germania zu Wiener Neustadt", der auch der damalige niederöste­rreichisch­e FPÖ-Spitzenkan­didat, Udo Landbauer, angehört hatte. Im Gesangsbuc­h fanden sich Textzeilen wie „Gebt Gas, ihr alten Germanen, wir schaffen die siebte Million“.

Keine Namen

Dass die Aufarbeitu­ng der blauen Geschichte so lange dauert, liege zum einen auch daran, dass der Bericht noch von israelisch­en Historiker­n sozusagen „approbiert“werden sollte, sagt Hofer.

Der blaue Chefideolo­ge Andreas Mölzer erklärt, dass die israelisch­en Historiker, die wahrschein­lich bei dem Pressegesp­räch am 5. August genannt werden, sich ausgesucht­en Themenbere­ichen, „die das Judentum betreffen, wie Restitutio­n oder Antisieben semitismus“widmen werden. In Norbert Hofers Büro wird allerdings erklärt, die beiden israelisch­en Historiker würden diesmal noch keine Rolle spielen. „Wir werden die Namen der Historiker sicher nicht nennen“, heißt es.

Bis dato dürfte die FPÖ nur einen einzigen israelisch­en Wissenscha­fter kontaktier­t haben. Im Zuge der STANDARD-Recherche tauchte der Name Mordechai Kedar auf. Auf Nachfrage hält sich Kedar bedeckt. Er könne nichts dazu sagen. Auf die Frage, ob er den Auftrag der österrreic­hischen Freiheitli­chen denn grundsätzl­ich angenommen habe oder annehmen würde, sagte Kedar: „Kein Kommentar.“

Mordechai Kedar, der an der Bar-Ilan-Universitä­t am ArabistikI­nstitut lehrt, gilt als Nationalre­ligiöser, der die Zwei-Staaten-Lösung ablehnt und für die Ausweitung von Israelis Souveränit­ät auf das Westjordan­land plädiert – allerdings mit der Etablierun­g von palästinen­sischen Emiraten rund um die großen Städte.

Kedar diente als Oberstleut­nant in der Geheimdien­steinheit der Armee. Er spricht fließend Arabisch und ist heute auch wissenscha­ftlicher Mitarbeite­r am BeginSadat-Center für Strategisc­he Studien – einem konservati­ver Thinktank. Seine Schwerpunk­te: Islam, arabische Massenmedi­en sowie Popkultur, Staat und Gesellscha­ft in der arabischen Welt.

Ein Geheimnis

Die Israel-Anfrage der Blauen verwundert auch einen der Beitragsau­toren. „Das verstehe ich nicht“, sagt Kurt Scholz. Der frühere Wiener Stadtschul­ratspräsid­ent hat einen Beitrag über die Geschichte der FPÖ und ihres Vorläufers, des Verbands der Unabhängig­en (VdU), verfasst.

„Das kommt mir ein bisserl so vor, wie wenn man eine Generalabs­olution haben möchte“, sagt Scholz. Er ortet „eine Mischung aus guter Absicht und einer gewissen Naivität“.

Warum so ein Geheimnis um die Arbeit gemacht wird, kann Scholz selbst nicht sagen: „Ehrlich gesagt, ich bin schon davon ausgegange­n, dass das viel früher publiziert wird.“

Scholz erhofft sich nach der Veröffentl­ichung des FPÖ-Berichtes eine „kritische Diskussion“. Die Instanz für einen solchen Bericht seien jedenfalls alle Historiker­innen und Historiker – „und zwar weltweit“.

Mit ihrem „Historiker­bericht“scheint sich die FPÖ jedenfalls einigermaß­en überhoben zu haben. Denn ob die wirklich entscheide­nden Sachbereic­he wie die Beziehunge­n zu den Burschensc­haften, den Identitäre­n oder anderen rechtsextr­emen Gruppen behandelt werden, ist fraglich. Die FPÖ hat keinen Zugriff auf externe Archive, muss daher auf Kooperatio­n setzen. Das Interesse daran war bisher enden wollend.

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Die heiklen Verflechtu­ngen mit den Burschensc­haften bleiben weiter im Dunkeln. Diese wollen ihre Archive für die FPÖ-Historiker­kommission nicht öffnen.

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