Falsche Führungsfantasien
Trotz alarmierender Umfragewerte, die am 29. September zum schlechtesten roten Wahlergebnis in der Zweiten Republik ausarten und – wenn es noch schlimmer hergeht – für die SPÖ erstmals mit Platz drei hinter der FPÖ enden könnten, erhob Pamela Rendi-Wagner im ORF-Sommergespräch unverdrossen den Führungsanspruch im Land. Eine der zweckoptimistischen Parolen der SPÖ-Chefin lautet, dass auch vor Publikwerden der Causa Ibiza niemand mit derartigen Umwälzungen in der heimischen Politik gerechnet habe.
Doch angesichts der Lage sind solche dysfunktionalen Aussagen unangebracht, denn schon der mitgefilmte Skandal auf der Baleareninsel sorgte nicht für einen Wählerzulauf, dass die SPÖ-Chefin Anspruch auf die Kanzlerschaft stellen könnte. Und was soll jetzt noch Skandalöseres passieren, dass es ihre Partei damit auf den ersten Platz schafft?
Trotz intern sehr wohl bekannter desaströser Umfragewerte betrieben im Nationalratswahlkampf 2017 auch die Grünen ähnliche Realitätsverweigerung: Anstatt ihre Sympathisanten zu informieren, dass es bei ihnen um Wohl und Wehe im Nationalrat geht, setzten die Ökos stur auf eine Feel-good-Kampagne – der Ausgang dieser offenkundigen Ignoranz ist bekannt. Will die SPÖ noch deutlich zulegen, muss sie Wähler mit der Wahrheit wachrütteln: dass bei einem schlechten Ergebnis eine weitere Demontage sozialer Errungenschaften unter Türkis-Blau II droht.