Johnson hält an Brexit Ende Oktober fest
Neuerliche Verschiebung des britischen EU-Austritts aber immer wahrscheinlicher
– In dem Bemühen, seinen Brexit-Fahrplan zu retten und das Vereinigte Königreich am 31. Oktober aus der Europäischen Union zu führen, hat der britische Premierminister Boris Johnson vorgezogene Neuwahlen vorgeschlagen. Geht es nach Johnson, dann sollen diese bereits am 15. Oktober stattfinden, also nur zwei Tage vor dem geplanten EU-Gipfel der Staats- und Regierungschefs.
Die Initiative folgte einer empfindlichen Abstimmungsniederlage Johnsons am Dienstagabend, bei der Brexit-Gegner dem Unterhaus die Kontrolle über den weiteren Fahrplan gesichert hatten. Dadurch war eine Abstimmung über einen Entwurf möglich geworden, der einen No-Deal-Brexit verbieten würde. Die Debatte darüber hielt am Mittwochabend noch an. Im Falle einer neuerlichen Niederlage der Regierung müsste Johnson um eine weitere Brexit-Verschiebung ansuchen, falls es zu keiner Einigung mit den EU-27 kommt. (red)
Der Wirtschaft des Vereinigten Königreichs setzt das Gerangel um den EU-Austritt zunehmend zu. Die britische Wirtschaft bewegt sich in Richtung Rezession. Die Geschäfte des dominierenden Dienstleistungssektors liefen im August so schlecht wie zuletzt vor mehr als drei Jahren, wie aus der monatlichen Unternehmensumfrage des Instituts IHS Markit hervorgeht. Der Einkaufsmanagerindex fiel überraschend deutlich um 0,8 auf 50,6 Punkte. Er liegt damit nur noch knapp über der Wachstumsschwelle von 50, die von der Industrie bereits seit Monaten unterschritten wird. „Nachdem sowohl die Industrie als auch das Bauge
werbe im August in einem tiefen Abschwung steckten, erhöht das Fehlen eines signifikanten Wachstums im Dienstleistungssektor die Wahrscheinlichkeit, dass die britische Wirtschaft in die Rezession abrutscht“, warnte Markit-Chefvolkswirt Chris Williamson. Wohl falle der aktuelle Abschwung insgesamt nur leicht aus, die Flaute könnte sich mit dem beginnenden Herbst aber verschärfen. Die Markit-Ökonomen erwarten, dass das Bruttoinlandsprodukt
(BIP) im laufenden dritten Quartal erneut um 0,1 Prozent schrumpfen wird. Die Dienstleister blickten zugleich so pessimistisch nach vorn wie seit mehr als drei Jahren nicht mehr. „Das allgemeine Beschäftigungswachstum
ist inzwischen auch zum Stillstand gekommen“, sagte Williamson. Viele Unternehmen befürchteten, dass sich die Auftragslage verschlechtern werde und hielten sich deshalb mit Neueinstellungen zurück.
Ob die sich am Mittwoch nach der Niederlage von Premier Boris Johnson im Parlament abzeichnende Verschiebung des EU-Austritts – die Zustimmung der EU-Länder gilt als Formsache – den Abschwung noch einmal bremsen wird, werden die kommenden Wochen und Monate zeigen.
Ein wenig Zeit verschafft das Verbot eines Austritts ohne Abkommen mit der EU der britischen Wirtschaft jedenfalls. Das werden insbesondere die Geldhäuser mit Erleichterung aufnehmen. Ihnen kommt der Finanzplatz London abhanden. Sie wurden seitens der EZB-Bankenaufsicht eindringlich ermahnt, ihre BrexitVorbereitungsarbeiten zu forcieren. „Banken sollten die Umsetzung ihrer Brexit-Pläne beschleunigen, sodass sie voll vorbereitet sind für den Fall eines harten Brexits Ende Oktober“, sagte der oberste EZBBankenwächter, Andrea Enria, in
einer Anhörung im Wirtschaftsund Währungsausschuss des EUParlaments. Die Europäische Zentralbank (EZB) und die nationalen Aufseher stünden in direktem Kontakt mit den Banken. Die Institute sollten sich auf alle Eventualitäten vorbereiten. (red, Reuters)